Wunderhorse - Midas
Communion / Rough Trade
VÖ: 30.08.2024
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Das Damals im Heute
Musikhistorisches von vor der eigenen Geburt beziehungsweise vor Einsetzen des Hörempfindens kann schlicht und ergreifend bloß rückblickend aufgeholt werden. Jacob Slater, 26 und Kopf der Brit-Rocker Wunderhorse, hat vermutlich genau das getan – "Kind der Neunziger" bedeutet hier nämlich nicht, selbige bewusst miterlebt zu haben. Aber das hält den Songwriter nicht auf, in erster Linie im Sound genau jenes Jahrzehnts sein musikalisches Glück zu suchen: Der Titeltrack des zweiten Albums "Midas" kopiert dann auch derart überzeugend die Pixies-Formel – aufgescheuchter Sprechgesang über aufgescheuchten Riffs –, dass Black Francis vor Überraschung die Sonnenbrille vom Glatzkopf fällt. Das hat Schmiss, bleibt aber trotzdem eine Kopie. Anschließend klingt "Rain", als hätte man einen älteren The-National-Song – sagen wir mal: "Available" – in angezerrten Britpop übersetzt. Slater macht keinen Hehl aus seinen Helden und Einflüssen, was ihn grundsätzlich erst mal sympathisch erscheinen lässt. Es deutet aber auch schon anfangs auf eine gewisse Unentschlossenheit, wo es mit der kreativen Vision denn genau hingehen soll. Der weitere Verlauf von "Midas" macht diese Befürchtung wahr.
Im Vergleich zu den komplexeren und oft auch schrägeren Songs seines Debütalbums "Cub" hat sich das Quasi-Soloprojekt Wunderhorse, das mit Pixies sogar schon auf Tour war, die Finger ein wenig im eigenen Genre-Baukasten eingeklemmt. Während "Silver" und "Emily" schnörkellosen Post-Grunge liefern, der nüchtern geradeaus rockt, baut "Arizona" sich melancholisch und zurückhaltend auf, bevor der Song endlich etwas von der bis hierhin angezogenen Handbremse geht. "Cathedrals" hat ordentlich Dave-Grohl-Drive in den Backen, und auch der fluffige Gitarrenpop von "Girl" macht Laune, traut sich gar, einen kleinen Singalong auszupacken. Wunderhorse machen ihr Ding, und sie machen es grundsätzlich nicht schlecht. Aber mitunter wird es schlicht zu viel des Guten: Wenn nämlich ein reduzierter Schunkler wie "Superman" den altehrwürdigen Kurt Cobain oder mal mindestens Aaron Lewis von Staind in einen weinerlichen Emo-Azubi verwandelt, kommt in etwa das bei raus, was junge Menschen 2021 als "cringe" bezeichnet hätten. Und: Warum in "July" nicht gleich Gavin Rossdale als Feature-Gast mit an Bord geholt wurde? Man kann nur rätseln.
Zum Abschluss dreht "Aeroplane" sich fast neun Minuten um sich selbst, weil ausufernde Closer eben einmal in Mode waren. Man wartet auf einen Ausbruch, irgendeine Finte, einen schlauen Einfall, durch den Slater klarstellt, dass er mehr zu sagen hat als bloß klarzustellen, welche Bands er gut findet. Aber Fehlanzeige – und diese Ausdruckslosigkeit stürzt schließlich das gesamte Album ins Mittelmaß. Wie man dank cleverem Songwriting selbst Epigonentum modern aufbereitet und Vergangenes geschickt referenziert, wurde an anderer Stelle demonstriert. "Midas" hingegen hätte vor etwa dreißig Jahren durchaus Mehrwert gehabt – nur ist die perfekte Symbiose aus Britpop und Neunziger-Gitarren amerikanischer Prägung mit Radioheads "The bends" eben auch damals schon erschienen. Die Wiederholung des Immergleichen kann natürlich heute noch Spaß machen. Aber warum sollte man nicht, wie Slater es offensichtlich selbst getan hat, direkt zu den weniger blutarmen Originalen greifen?
Highlights
- Arizona
- Cathedrals
Tracklist
- Midas
- Rain
- Emily
- Silver
- Arizona
- Superman
- July
- Cathedrals
- Girl
- Aeroplane
Gesamtspielzeit: 40:22 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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Immermusik Postings: 811 Registriert seit 04.11.2021 |
2024-09-08 16:51:41 Uhr
Ich finde es auch wieder sehr gelungen. Unbedingt auch live zu empfehlen. https://www.thelineofbestfit.com/albums/wunderhorse-midas-gilded-age-welcome-gilded-age |
NeoMath Postings: 1953 Registriert seit 11.03.2021 |
2024-09-07 23:14:15 Uhr
Rezi ist tatsächlich Unsinn. Da hat der Redakteur offenbar vorbei gehört.Gutes Album! |
MickHead Postings: 1671 Registriert seit 21.01.2024 |
2024-09-07 22:29:07 Uhr
Aktuell:UK Albums Chart #6 UK Physical Albums Chart #3 UK Vinyl Albums Chart #3 UK Independent Albums Chart #2 Scottish Albums Chart #3 |
Sick Postings: 282 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-09-07 21:57:40 Uhr
Die Rezi ist Quatsch. Gute Songs, kraftvoller Sound. 7-8/10. |
MickHead Postings: 1671 Registriert seit 21.01.2024 |
2024-08-28 14:28:43 Uhr
Zu früh abgeschickt!"Arizona" https://youtu.be/pbDBGuOM718?si=H-IFcScDpcx8mlSB |
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Referenzen
Dead Pretties; Feeder; Nirvana; King Nun; Silverchair; Bush; Pixies; Foo Fighters; The Subways; Staind; Biffy Clyro; Nickelback; Puddle Of Mudd; Union Youth; The Vines; Radiohead; Basement; Superbloom; Teenage Wrist; Pavement; Superheaven; Violent Soho; Tigercub; Inhaler; Sam Fender; Dinosaur Pile-Up; Catfish And The Bottlemen; Seether; Highly Suspect; Three Days Grace; Brand New; Kasabian; The National; The Vaccines; Oasis; The Lemonheads; Pearl Jam
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