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Uniform - American standard

Uniform- American standard

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 23.08.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Mehr Schreie

"Ein Jahr lang musste ich mindestens einmal pro Woche kotzen." So Brix, Ex-Ehefrau des unvergessenen The-Fall-Grantlers Mark E. Smith, Mitte der Achtziger nach ihrem hochzeitsbedingten Umzug Richtung Manchester über das britische Essen. Shit beziehungsweise puke happens. Ein Problem, das Michael Berdan nachgerade als putzig empfinden dürfte: Der Frontmann von Uniform aus Brooklyn hatte lange mit einer Ess-Brech-Sucht zu kämpfen, wobei er sich eigenen Angaben zufolge nur gut fühlte, wenn andere ihm sagten, wie krank er aussehe. Und plötzlich erscheinen "Mental wounds not healing" und "Bright new disease", die Titel der Uniform-Kollaborationen mit The Body und Boris, in einem ganz anderen Licht, nachdem bereits Alben wie "Wake in fright" oder "Shame" in ihrer trümmernden Konsequenz wenig Gutes erahnen ließen.

Folgerichtig poltert "American standard", der fünfte Longplayer der New Yorker auf eigene Rechnung, nicht nur durch die Instanzen von zerspantem Noise-Rock, industriellem Gefräse und brachialem Drone-Metal, sondern vor allem durch Berdans bulimisches Dasein. Und zwar wild entschlossen, psychisches und physisches Leiden klanglich möglichst genauso erschütternd und albtraumhaft abzubilden, wie die gepeinigten Vocals es vermögen. Mit Gitarrist und Krawall-Produzent Ben Greenberg steht Berdan dabei ein Mastermind zur Seite, der sich bestens darauf versteht, Grenzerfahrungen von Körper und Geist in erschreckende Soundlandschaften zu übersetzen – mit Uniform genauso wie am Mischpult bei den berufenen Radau-Kolleg*innen Portrayal Of Guilt, Destruction Unit oder Pharmakon. Wenn's sein muss, auch mal eine ganze Plattenseite lang.

Aber auch Greenberg hat erst einmal Pause, wenn Berdan spricht. Oder vielmehr a cappella seine Seelenqual aufgebracht heraus und anschließend in Grund und Boden brüllt und sich das Titelstück daraufhin über 20 Minuten Zeit nimmt, um aus blutig geraspelten Stimmbändern, brachialer Saitenquälerei im Stil früher Swans, vereinzelten Melodiefetzen und Blastbeat-Finale eine knochenharte Sinfonie des Grauens zu destillieren. Das ist kein Opener mehr, sondern ein Gewaltmarsch, an dessen Ende wunde Beinstümpfe, durchgeschmorte Power Electronics und Gitarren mit verätztem Korpus stehen, während der Vokalist einem seine Abscheu vor der eigenen imaginierten Fettleibigkeit vor die Füße spuckt. Die gute Nachricht: Die Hälfte von "American standard" ist danach schon vorbei. Die, nun ja, auch gute: Es geht im gleichen Sinne weiter.

Derart Ausladendes haben Uniform in der Folge zwar nicht mehr zu bieten, dafür gleich zwei Drummer, die sich in den übrigen Stücken zuweilen bis aufs Messer duellieren und ein ähnlich vernichtendes perkussives Level erreichen wie Zulus bei ihrem Brecher "Kisses", den Greenberg seinerzeit ebenso in der Mache hatte. "This is not a prayer", versichert Berdan dazu mit zweckmäßig perforiertem Organ – wenn beten nicht hilft, bleibt nur noch schreien. Oder aber das mit dichten Riffs um sich feuernde "Clemency", das allenfalls im Titel Milde walten lässt und lautstark darüber sinniert, wie Liturgy wohl nach einer Stoner-Rock-Radikalkur klingen würden. Auch die "Permanent embrace" der abschließenden Speed-Walze bringt keine Erlösung – wie auch, wo doch alle gute Musik von Folter und Verzweiflung handelt? Dieses Album ist der krachende Beweis.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • American standard

Tracklist

  1. American standard
  2. This is not a prayer
  3. Clemency
  4. Permanent embrace

Gesamtspielzeit: 39:49 min.

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Armin

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2024-08-21 10:35:21 Uhr - Newsbeitrag
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