Die Mausis - In einem blauen Mond
Käsescheiben / The Orchard / Broken Silence
VÖ: 16.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Tierisches Vergnügen
"Supergroup"? In erster Linie ein Unwort, das Kooperationen zwischen Musiker*in X und Sänger*in Y überbewertet und oftmals eine Wichtigkeit konstatiert, die viele Zusammenschlüsse gar nicht haben. Kennt noch jemand SuperHeavy? Oder gar 3rd Secret? Eben. "Derdiedas größte kleine [Begriff Eurer Wahl einfügen]" ist noch so eine Floskel. Was also soll man nun davon halten, wenn Indie-Darling Stella Sommer und Herxheim-Hoheit Max Gruber gemeinsame Sache machen und sich als "die personell kleinste und gleichzeitig größte Supergroup Deutschlands" ankündigen? Noch dazu als Die Mausis mit niedlichen Plüschöhrchen auf den Köpfen, und das ganze sieben beziehungsweise sechs Jahre, nachdem sie mal eine EP gemacht und genau eine einzige Show gespielt haben? Mit einem Semi-Konzeptalbum über die herzhafte Lieblingsspeise der Mausis? So ein Käse!
Aber nicht gleich die Nase rümpfen: definitiv keiner von denen, die stinken. Wie anzunehmen, bewegen sich Die Mausis exakt an der Schnittstelle zwischen Sommers theatralischem Chanson-Vortrag und Grubers Farin-Urlaub-Gedächtnis-Vocals. Dem "erweiterten Themenbereich 'Maus'" fügen sie allerdings klassische Indie- und Pop-Themen hinzu. "Meine Feelings führen Krieg", singt Sommer entsprechend im lupenreinen Folk-Schunkler "Ausgerechnet ich" und klampft sich einmal im Kreis ums Lagerfeuer. Im Musikunterricht haben Die Mausis gut aufgepasst, landen schließlich irgendwo zwischen lustig-charmanten Kinderliedern und hochkitschigem Songwriter-Pop – dem man aber nicht mal dann böse sein könnte, wenn man ein ganz ranghohes Tier in der Indie-Polizei wäre. "In einem blauen Mond" überzeugt durch Klasse und reduzierten Fettanteil, denn sweet dreams are bekanntlich made of cheese.
Kostproben? "Ich leg mein Geld in Käse an / Warum? / Weil ich es kann", ist schlicht das Stilvollste und Tiefgründigste, was ein Dirk von Lowtzow jemals von sich gegeben hat (den Zwinker-Smiley bitte selbst mitdenken). Getoppt wird diese Hymne für Sparfüchse nur noch vom völlig schmerzfreien Banjo-Dada-Wortspiel-Zirkus "Der Supergouda", dessen Text bitte fortan im Deutsch-Abi verwendet werden soll. Albern ist das, keine Frage, aber man spürt die Gaudi, die Sommer und Gruber bei ihrem Projekt haben, zu jeder Zeit. Der Unsinn nimmt jedoch nicht Überhand. Denn vor allem der Titeltrack ist ein ernst gemeinter Hit zwischen Selbstermächtigung und Herzschmerz, wie er im Buche steht. "Ich finde meinen Glauben, und ich finde mein Glück / Doch ich finde nicht zu Dir zurück." Man schmelzt dahin wie Käsefondue.
Sanftmütig wird es auch in "Wahr oder erfunden", das der Poesie mittelalter Tocotronic erfreulich nahekommt, oder dem nächsten Highlight "In einer stürmischen Nacht" mit seinem glorreichen Harmoniegesang und euphorischer Romantik. Nachdenklich gibt sich ebenfalls das sehr clever getextete "ABC der Ängste". Und die großen Gesten des dramatischen Rausschmeißers "Am Ufer der Zeit" bräuchten nur noch Synthies, um zum waschechten Drangsal-Song zu werden. Die Mausis könnten genauso gut im Kinderkanal wie bei Arte Concert auftreten und bringen bald ja vielleicht die Generationen zusammen und auch neuen Zielgruppen ihr Hauptwerk näher. Wer ahnt schon, wo es potentiell hinführen könnte, wenn Achtjährige zum ersten Mal "Harieschaim" hören? Und sicherlich darf man "In einem blauen Mond" auch richtig schlimm finden. Oder aber man lässt sich einfach anstecken von dem sympathischen Blödsinn und dem Tribut ans Liedermachen, den die Künstler*innen mutmaßlich im Sinn hatten. So wie überreifer Gorgonzola wird das nicht allen schmecken. Doch was kann ein Mausi schon dafür?
Highlights
- In einem blauen Mond
- Wahr oder erfunden
- In einer stürmischen Nacht
- ABC der Ängste
Tracklist
- Intro
- In einem blauen Mond
- Wahr oder erfunden
- Ausgerechnet ich
- In einer stürmischen Nacht
- Ich leg mein Geld in Käse an (feat. Dirk von Lowtzow)
- ABC der Ängste
- Fieslinge hassen diesen Trick
- Jedes Jahr ist gleich schlimm
- Der Supergouda
- Meine Träume
- Am Ufer der Zeit
Gesamtspielzeit: 32:04 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Blanket_Skies Postings: 647 Registriert seit 21.09.2013 |
2024-09-08 19:15:55 Uhr
Mir tut der Mensch leid, der das mischen musste. Denn der musste es ja dann sehr oft hören. Spaß schön und gut, aber doch nur bis zu den Grenzen anderer. |
Gilgamesch Postings: 1108 Registriert seit 27.05.2024 |
2024-09-08 18:49:53 Uhr
Glaub die wollten die genau so, aber ob es jetzt Satire oder irgendeine Antihaltung oder tatsächlich eine Geschmacksverirrung ist, ich kann es wirklich nicht sagen.Kann auch sein, dass sie etwas zu viel Bestätigung von ihrem Umfeld inkl der Presse bekommen, und denken jede Schnapsidee muss raus in die Welt. Komm mir vor wie in des Kaisers neue Kleider. |
AliBlaBla Postings: 6455 Registriert seit 28.06.2020 |
2024-09-08 15:28:30 Uhr
@GilgameschNun, du kennst doch DIE HEITERKEIT und DRANGSAL, also lyrisch jetzt (wir müssen ja nicht direkt ne Analyse machen...); meinst du nicht, die wollten die Texte genau genau so? Aber du witterst jetzt nicht wirklich "Verarsche" (Big Lebowski), oder? |
Gilgamesch Postings: 1108 Registriert seit 27.05.2024 |
2024-09-08 13:20:33 Uhr
Ich finds so absurd schlecht (textlich), könnte auch ein Satireprojekt sein, nach dem Motto: "Fressen uns die Feuilletons alles, wirklich alles aus der Hand?" |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27175 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-08-12 19:46:09 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Die Heiterkeit; Stella Sommer; Drangsal; Die Benjamins; Olli Schulz; Element Of Crime; Funny Van Dannen; Bernd Begemann; Rocko Schamoni; Tocotronic; Fortuna Ehrenfeld; Schnipo Schranke; Fritzi Ernst; Schreng Schreng & La La; Britta; Wir Sind Helden; Judith Holofernes; Götz Widmann; Kapelle Petra; Christiane Rösinger; The Düsseldorf Düsterboys; Ina Müller; Rosenstolz; Bernadette La Hengst; Maike Rosa Vogel; Moritz Krämer; Die Höchste Eisenbahn; Albrecht Schrader; Tom Liwa; Dota; PeterLicht; Tristan Brusch; Annett Louisan; Dagobert; Betterov; Faber; Isolation Berlin; Toni Kater; Alin Coen Band; Meret Becker; Juliane Werding; Hannes Wader; Konstantin Wecker; Jens Friebe; Reinhard Mey; Wolfgang Müller; International Music; Erdmöbel; Blumfeld; Kettcar; Monsters Of Liedermaching; Farin Urlaub; Die Ärzte; Hildegard Knef; Rio Reiser; Rolf Zuckowski; Volker Rosin; Deine Freunde; Fleetwood Mac
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