Dead Pioneers - Dead Pioneers
Hassle / Cargo
VÖ: 16.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Geschichte im Schnelldurchlauf
Die Beschäftigung mit der US-amerikanischen Geschichte, dem Schicksal der Ureinwohner, der Populärkultur mit all ihren unterschiedlichen Wurzeln und Ausrichtungen: Das spielte im kreativen Schaffen von Gregg Deal seit jeher eine große Rolle. Zum Ausdruck gebracht hat er seine diesbezüglichen Gedanken und Gefühle allerdings bislang vornehmlich abseits der Musik, als Grafikdesigner und Künstler sprach er mehr die Augen seiner Fans an. Aber auch der mündliche Vortrag ist ihm nicht unbekannt, als Redner tritt er regelmäßig in Erscheinung und bedient sich beim kritischen Blick auf die Gegenwart dem Griff in die Historie. Deal ist selbst Mitglied des Pyramid Lake Paiute Tribe und weiß, worüber er spricht – und nun auch singt –, wenn er die blutigen Wurzeln des heutigen Nordamerikas offenlegt. Eines seiner aktuellen Projekte ist eine Bandgründung: Gemeinsam mit Josh Rivera, Abe Brennan, Shane Zweygardt und Lee Tesche, der von Algiers bekannt ist, hat er als Dead Pioneers einen Erstling eingespielt, der zunächst nur digital erschienen ist und nun auf Vinyl auch physisch greifbar ist. Dead Pioneers? Wer bei diesem Namen nicht an Dead Kennedys denkt, hat den Punk nie geliebt.
Gregg Deal ist wütend. Das hört und spürt man hier in jeder einzelnen Minute. Er hat aber auch einen feinen Humor, der zwischendurch immer wieder scharf aufblitzt und hintersinnigen Witz in die oft todernsten Themen einfließen lässt. Nicht zuletzt tritt er als eine Art Lehrer auf, der eine Nachhilfestunde in Sachen Geschichte erteilt. Gleich das Auftaktstück "Tired" setzt in dieser Hinsicht den Ton: "The foundation of this country is rooted in slavery and genocide born in the bosom of colonialism / America places the original inhabitants as foreigners in their own lands / Don't be scared of learning the whole historical story, it's not going to hurt you." In der Folge wechseln sich die im Punk, Hardcore und Rock beheimateten Songs und Spoken-Word-Passagen munter ab, und man könnte durchaus mit einigem Recht anmerken, dass der eine oder andere musikalische Part mehr nicht geschadet hätte. Nur: Der Wirkung des Ganzen ist die dezidierte Kürze letztlich in keiner Form abträglich.
Natürlich taucht auch Donald Trump auf diesem Album auf, mühelos zu entschlüsseln durch die Erwähnung seines Claims "MAGA", mit dem der mittlerweile von den Demokraten nur noch als "weird" titulierte Amtsvorgänger von Joe Biden erneut nach der Präsidentschaft – oder besser: Weltherrschaft? – greifen will. "Red MAGA hats in a sea of red that just want to believe what they want to believe / And they believe they want to punch you in your stupid face", heißt es im gleichermaßen ausufernden wie packenden "This is not a political song", der natürlich und unmissverständlich eben doch explizit politisch ist. Gregg Deal redet und singt sich hier noch einmal alles von der Seele, richtet seinen Blick auf das, was ihn umtreibt, irritiert und wütend macht, bevor "No one owns anything and death is real" einen stimmigen Schlusspunkt unter ein zwar ausgesprochen kurzes, aber eben auch nachhallendes Album setzt. Das übrigens eine prickelnde Mischung etwa aus Henry Rollins, Rage Against The Machine und Idles liefert. Halb so lang wie eine klassische Geschichtsstunde in der Schule, aber wohl zehnmal spannender.
Highlights
- Tired
- Bad indian
- Political song
Tracklist
- Tired
- We were punk first
- Moving day
- The punchline
- Bad indian
- The age of savagery
- Rage
- Dreamcatcher
- World up my ass
- Political song
- Doom indian
- No one owns anything and death is real
Gesamtspielzeit: 21:55 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Glufke Postings: 622 Registriert seit 15.08.2017 |
2024-08-17 13:31:17 Uhr
Warum hab ich da letztes Jahr nicht intensiver reingehört? Hatte wohl zu dem Zeitpunkt nicht so Bock auf Spoken-Word-Hardcore. Aber jetzt klickt es. "Bad Indian" ist ja mal grandios - so traurig, aber der in der Rezension erwähnte Humor bringt den Song nochmal auf ein höheres Level. |
Herr Bohm Postings: 14 Registriert seit 10.02.2022 |
2024-08-13 17:47:50 Uhr
Sie erscheint am 16. August (das hat sich kurzfristig noch einmal verschoben und wurde in den Infos just angepasst) in der Vinylversion und wurde daher nun (verdientermaßen) berücksichtigt. Ich hatte übrigens selten bei einem Album unterhalb der 30 Minuten so sehr das Gefühl, dass die überaus kurze Spielzeit überhaupt kein Problem ist. |
diggo Postings: 146 Registriert seit 02.09.2016 |
2024-08-13 10:15:57 Uhr
Tolle Platte. Habe sie mal bei den vergessenen Perlen 2023 vorgeschlagen und bin überrascht, dass hier noch eine Review kommt. Ist in digitaler Form ja schon länger verfügbar. War mir nicht bewusst, dass die Platte bisher in Europa nicht veröffentlicht wurde. |
u.x.o. Postings: 527 Registriert seit 29.08.2019 |
2024-08-13 04:33:01 Uhr
Vö 9.8.24? Ist die erst jetzt offiziell in der EU erschienen oder wie erklärt sich das? Ich höre das Album seit Ende 23 ziemlich gerne und freue mich über die Erwähnung hier. Die ausgewählten Highlights kann ich so unterschreiben. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27219 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-08-12 19:45:13 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Rage Against The Machine; Henry Rollins; Black Flag; Minutemen; Circle Jerks; Suicidal Tendencies; Idles; La Dispute; Fugazi; 1876; Teen Mortgage; Wine Lips; High Vis; Alien Nosejob; Cable Ties; Flat Worms; Radium Dolls; Meltheads; Chalk; Dick Move; Indian Giver; Lambrini Girls; Bob Vylan; Blackfire; The Bobby Lees; Yard Act
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- Dead Pioneers - Dead Pioneers (5 Beiträge / Letzter am 17.08.2024 - 13:31 Uhr)