Blur - Live at Wembley Stadium

Parlophone / Warner
VÖ: 26.07.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

All die Leute
15 Sekunden lang nur der Sound von jubelnden Menschen. Angesichts der größten Konzerte, die seine Band Blur jemals gespielt hat, folgt dann ein knapper, aber entwaffnend ehrlicher eröffnender Kommentar von Damon Albarn: "Wow." Fast scheint es ein wenig absurd, dass Blur jetzt in ihrer späten Phase der Immer-mal-wieder-Reunions erstmals im seit Live Aid für Konzerte auch immer etwas mythisch überhöhten Wembley-Stadion auftraten, und nicht bereits irgendwann im Cool-Britannia-Hype der Mittneunziger. 150000 "Girls & boys" waren an zwei Abenden im Juli 2023 nach Nordlondon gekommen, um Hand in Hand das "Parklife" zu spüren und Hits aus knapp 35 Jahren Bandgeschichte abzufeiern. Ein solch besonderer Anlass soll natürlich auch für die Nachwelt konserviert werden, und so erscheint neben Blurs viertem Live-Album in diversen Variationen im September 2024 auch noch ein Konzertfilm, der die, gerade angesichts der quasi rohen und ungefilterten Live-Atmosphäre teilweise doch fehlende, visuelle Komponente ergänzen wird.
Mit der im Angesicht des Triumphs augenzwinkernden Zeile "I fucked up" aus der zum Zeitpunkt des Konzerts gerade einmal ein paar Tage alten, abgedrehten Single "St. Charles Square" eröffnen Blur den 24 Stücke umfassenden Songreigen des hier in Gänze dokumentierten zweiten Wembley-Abends. Direkt danach setzt "There's no other way", anno 1991 Blurs zweite Single überhaupt, die chronologisch vordere Klammer für das nahezu alle Phasen der Band abbildende Set. Einzig die Zauberpeitsche wird bedauerlicherweise nicht gezückt und keiner der Songs von "The magic whip" schafft den Cut. Die hier sehr grungig dargebotene Heroin-Hymne "Beetlebum" bietet nach einem schweißtreibenden Auftakt voller Mithüpf-Hits eine erste kleine Verschnaufpause. Arrangements und Mix stellen durchgehend die Rhythmussektion und vor allem Graham Coxons launiges Gitarrenspiel stark in den Vordergrund. Die Gitarre prägt auch den Krautrocker "Trimm trabb", der schnörkellos in den 30 Jahre lang nicht live gespielten Albumtrack "Villa Rosie" von "Modern life is rubbish" übergeht. Es ist verblüffend, wie sehr aus einem Guss diese Songs aus den ganz unterschiedlichen Ecken des Blur-Kosmos hier klingen. Selbiges gilt auch für das zauberhaft schwebende "Out of time", das im direkten Vergleich zur Studioversion von "Think tank" noch einmal zeigt, wie sehr der seinerzeit abtrünnige Coxon damals doch fehlte. Das wunderbare "Coffee and TV" mit herrlich sägender Gitarre mündet im mantrahaft beschwörenden Singalong der von Blur inzwischen auch biografisch mehrfach eindrucksvoll bestätigten Zeile "we can start over again".
Vielleicht das Herzstück des Konzerts ist jedoch das nie auf einem regulären Album erschienene "Under the westway", Albarns elegischer Liebesbrief an London. Die gereifte und etwas rauere Stimme des inzwischen 56-jährigen macht sich vor allem in den melancholischen Balladen besonders gut, sodass Songs wie "To the end" oder "This is a low" alles andere als letzteres sind. Die Partykracher wie "Country house" oder "Parklife" fangen hingegen zwar sicher die Stimmung des Moments vor Ort ein, klingen vom heimischen Sofa aus dann aber ein bisschen nach betrunkenem Karaoke von genau der Art britischer Lads "on holiday", die in "Girls & boys" seinerzeit noch auf die Schippe genommen wurden. Beim über alle Maßen hymnischen "Tender", hier gemeinsam mit dem London Community Gospel Choir aufgeführt, verwandelt sich das ganze Stadion in einen liebestrunkenen Chor. Verblüffend auch, wie selbstverständlich und natürlich "The narcissist", der Über-Song von "The ballad of Darren", sich hier bereits in die Riege der Klassiker einfügt. Und das traditionell abschließende "The universal" mit seiner schwelgerischen Grandezza ist auch hier wieder über jeden Zweifel erhaben. It really, really, really, did happen: "Live at Wembley stadium" fängt die Magie einer Konzertnacht perfekt ein, richtet sich jedoch vornehmlich an alle, die dabei waren oder gerne dabei gewesen wären. Aber das sind ja immerhin wenn schon nicht "all the people", dann zumindest "so many people".
Highlights
- Out of time
- Coffee & TV
- Under the Westway
- This is a low
- Tender
Tracklist
- St. Charles Square
- There's no other way
- Popscene
- Tracy Jacks
- Beetlebum
- Trimm trabb
- Villa Rosie
- Stereotypes
- Out of time
- Coffee & TV
- Under the Westway
- End of a century
- Sunday Sunday
- Country house
- Parklife
- To the end
- Oily water
- Advert
- Song 2
- This is a low
- Lot 105
- Girls & boys
- For tomorrow
- Tender
- The narcissist
- The universal
Gesamtspielzeit: 121:36 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fuzzmyass Postings: 18590 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-10-05 11:47:15 Uhr
Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Oasis Gigs nächstes Jahr besser sein werden... das Publikum wird bei Oasis ziemlich sicher noch mehr abgehen und singen/grölen, aber in Hinblick auf Spielfreude, Bewegung auf der Bühne, Interaktion mit dem Publikum, die pure natürliche Freude am Abend und die Fähigkeit das große Stadion auf eine super intime Atmosphäre herunterzuschrumpfen - das meiste davon war sowieso nie die große Stärke von Oasis, aber Blur ist das derart meisterhaft gelungen, dass das kaum zu toppen ist |
jo Postings: 6877 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-10-05 10:06:31 Uhr
Ja, das ist natürlich korrekt, dass dort, was Surround angeht, 5.1 und so weiter, natürlich anders gemastert wird. Manchmal sind es dann bei Stereo-Set-ups auch einfach "downgesampelte" Sachen. Kann manchmal dann natürlich auch "besser" klingen.Ich werde mir den Film/das Konzert sicher mal anschauen - klingt echt super! |
fuzzmyass Postings: 18590 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-10-05 10:03:15 Uhr
Kann schon theoretisch sein, aber Blurays/DVDs haben schon meist mehrere eigene Masterings - gibt ja auch die Wahl zwischen Surround oder Stereo Sound und zumindest ersteren gibt es nur dort... ich hab allerdings keine Surround Anlage, deswegen in Stereo geschaut/gehört...Ich kann den Konzertfilm jedenfalls jedem empfehlen, der Blur mag.... Ich mag den Sound der reinen Tonaufnahme, scheint mir aber etwas roher zu sein... |
jo Postings: 6877 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-10-05 09:57:38 Uhr
Vielleicht sind es aber auch nur die Bilder plus der Ton zusammen, die dich zu dem Schluss kommen lassen, dass es besser klingt. Unser Gehirn spielt uns da ja manchmal einige Streiche ;). Aber das ist ja eigentlich auch vollkommen egal, solange es toll ist.Mal davon abgesehen, dass es natürlich auch wirklich ein anderes Mastering sein kann. Auch wenn es mich wundern würde. |
fuzzmyass Postings: 18590 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-10-05 03:28:49 Uhr
Klingt auf der Bluray (Abend 1) btw besser und runder als auf CD/Vinyl (Abend 2) und die Bilder zeigen auch den Zauber, der von der reinen Tonaufnahme nicht ganz eingefangen wird... vor Ort fand ich Abend 2 noch etwas besser, aber der Film ist killer - pure Freude der bestens aufgelegten Band zuzuschauen |
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Referenzen
Damon Albarn; Graham Coxon; The Good, The Bad & The Queen; Gorillaz; Arctic Monkeys; Supergrass; The Verve; Pulp; Jarvis Cocker; David Bowie; The Kinks; The Jam; Eels; Spoon; Beck; The Charlatans; Razorlight; The Stone Roses; Shearwater; Peace; Athlete; James; Elbow; Manic Street Preachers; Arcade Fire; Doves; Super Furry Animals; Sea Power; Clap Your Hands Say Yeah; The Beta Band; Alt-J; Deerhunter; Wolf Parade; Radiohead; The Gutter Twins; The Afghan Whigs; Guillemots; Stereophonics; New Order; Oasis; The Beatles
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