Cola - The gloss

Fire Talk / Bertus
VÖ: 14.06.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ätzen und ächzen
Koffeinhaltige Erfrischung gefällig? Nein? Gibt auch keine. Der Name des Ought-Nachfolgers steht nämlich nicht für ein Getränk, sondern ist ein Akronym für das ständige "cost of living adjustment", wegen dem sich kaum ein Mensch mehr braune Brause leisten kann. Zwar war dieser Umstand schon anlässlich des Erstlings "Deep in view" bekannt – aber auch Plattentests.de darf sich mal wiederholen, wenn Cola das genauso tun. Musikalisch hochwertig, versteht sich. Auf ihrem zweiten Album "The gloss" und bereits im April 2023 bei der zeitlich großzügig lancierten Vorabsingle "Keys down if you stay" inklusive Video mit Bildern von überteuerten Eigenheimangeboten, eingestürzten Tanzterrassen und per Explosion vernichteten Bruchbuden. Der dazugehörige Song klirrt und pumpt genauso sparsam wie das vorzügliche Debüt, auf dem zackiger Indie-Rock nordamerikanischer Prägung und schroffes Post-Punk-Schreng auch in einer Besenkammer Platz gehabt hätten. Nebst der kompletten Band natürlich.
Dabei hat Tim Darcy es längst nicht mehr nötig, wie auf "More than any other day" oder "Sun coming down" von Ought den angekotzt phrasierenden Nörgler raushängen zu lassen oder gar einen auf Mark E. Smith zu machen. Lieber erzählt der Frontmann zugespitzte bis ätzende Geschichten über rasante Gentrifizierung oder Sprachlosigkeit in Beziehungen, während Ewan Cartwrights Schwitzkasten-Schlagzeug für einen schwer ächzenden Puls sorgt und sich Ben Stidworthys Bass sehnig durch die zumeist kompakten Songs schlängelt. Da fetzt selbst ein vordergründig eher verhalten rumorendes Stück wie der Opener "Tracing hallmarks" mehr, als die unaufgeregt resonierende Gitarre und Darcys dezent belegter Gesang im Stil eines Thurston Moore auf Diazepam zunächst vermuten lassen. Ganz schön hinterhältig – genauso wie "Pulling quotes", das zu schwach, aber umso effektiver aus der hintersten Studioecke herüberwehenden Keyboard-Drones einen diskreten Motorik-Groove klopft, ohne mit den Augenbrauen zu wackeln.
Also doch Indie-Rock ohne Rock respektive Power-Trio ohne Power? Mitnichten, denn so blass um die Nase, wie es einem "Pallor tricks" unter selbige reiben möchte, sind die Kanadier auch auf "The gloss" keineswegs. Erst recht nicht, sobald dieser hektische Vierminüter Vampire Weekends "A-Punk" das Mellotron stibitzt und es zu den präzisen Winkelschleifer-Leads, den verkanteten Rhythmen und dem unterschwelligen Dance-Drive packt, die Cola offenbar auf ihrem letzten New Yorker Raubzug bei The Strokes und aus dem Television-Nachlass haben mitgehen lassen. Doch das Trio baut daraus nicht nur unwiderstehliche Indie-Disco-Flitzer, sondern auch fidel auf der Stelle hopsende Punk-Miniaturen wie "Down to size" oder "Bell wheel". Erst der Closer "Bitter melon" wickelt ein beinahe bedächtiges Riff um eine unwägbare Drum-Figur und fällt schließlich unter Knarren und Quietschen auseinander, bis nur eine missmutige Rückkopplung übrigbleibt. Schlechte Laune, gerecht verteilt? Jederzeit in 40 herrlich pointierten Minuten.
Highlights
- Tracing hallmarks
- Pallor tricks
- Down to size
- Keys down if you stay
Tracklist
- Tracing hallmarks
- Pulling quotes
- Pallor tricks
- Albatross
- Down to size
- Keys down if you stay
- Reprise
- Nice try
- Bell wheel
- Bitter melon
Gesamtspielzeit: 39:46 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
maxlivno Postings: 2997 Registriert seit 25.05.2017 |
2025-05-11 14:46:52 Uhr
gefällt mir sehr gut, dieses irische Blasinstrument klingt wie so ein weirder Synth. |
MickHead Postings: 5575 Registriert seit 21.01.2024 |
2025-05-07 18:26:42 Uhr
Erster neuer Song seit dem Album "Mendicant"https://youtu.be/Bg9bsRuBG3M?si=2K8h9wHAbYhBjRsG |
maxlivno Postings: 2997 Registriert seit 25.05.2017 |
2024-11-30 22:34:48 Uhr
war am 12.11 im Supersonic in Paris auf dem Konzert. Haben 60/40 Songs vom neuen & vom Debüt gespielt. Live packt Tim Darcy ein bisschen exzentrischere Gesangsperformances aus im Vergleich zu den zwei Alben und erinnerte dementsprechend an Ought. Highlight war dann die Zugabe, die passenderweise auch das 9-minütige Beautiful Blue Sky war – DER Ought Song für mich. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so froh war einen Song live hören zu können |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28834 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-06-27 22:19:05 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
saihttam Postings: 2652 Registriert seit 15.06.2013 |
2024-06-16 19:11:43 Uhr
Fetzt! |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Ought; Tim Darcy; Omni; Ulrika Spacek; Geese; Television; Flasher; Parquet Courts; The Velvet Underground; The Strokes; Rays; Bodega; Deeper; Lithics; Landowner; Stuck; Joy Division; Interpol; Protomartyr; The Fall; Gang Of Four; Wire; Talking Heads; Folly Group; Yard Act; Vampire Weekend; Violent Femmes; No Age; Women; Cold War Kids; Spoon; LVL UP; Dehd; Ty Segall Band; White Fence; Osees; Wand; Oog Bogo; Sic Alps; Sonic Youth; Thurston Moore; Lee Ranaldo And The Dust; Yo La Tengo; Pavement; Stephen Malkmus; Mikal Cronin; Mike Krol; Deerhunter; Day Wave; Forest Fire; Mazes; Dinosaur Jr.; Sebadoh; Clap Your Hands Say Yeah; Alec Ounsworth; Guided By Voices; Robert Pollard; The Folk Implosion; Kurt Vile; Scott & Charlene's Wedding; Built To Spill; U.S. Girls; The Weather Station
Bestellen bei Amazon
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
