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Evergrey - Theories of emptiness

Evergrey- Theories of emptiness

Napalm / Universal
VÖ: 07.06.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Katatonie und Katharsis

Auch auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen: Das Besondere an Evergrey ist schon seit vielen Jahren, dass es im Grunde überhaupt nichts Besonderes gibt. Vielmehr gelingt es den Schweden von Album zu Album, ihre Fertigkeiten in herrlich unprätentiöse Musik zu verpacken. Kaum hat man eine Platte ein oder zwei Mal durchgehört, beißt sich diese dezente Mischung aus Riffs, Hooks und latenter Melodie unwiderstehlich fest. Und während noch die Frage im Raum steht, warum das alles eigentlich so gut ist, wird man unweigerlich eingesogen und fühlt sich zu Hause. Neues sucht man also vergeblich, und doch ist Frontmann und Songwriter Tom S. Englund weit davon entfernt, stehenzubleiben – so zumindest seine Aussage in diversen Interviews.

Zumindest einmal bleibt Englund ein begnadeter Fallensteller. Denn wer angesichts des Albumtitels eine ganz besondere Düsternis erwartet, sieht sich umgehend getäuscht. Zwar handelt der Opener "Falling from the sun" tatsächlich vom Scheitern, von der Abkehr von Vertrautem, doch Aufgeben ist keine Option: "Can't let these waves prevent you from moving / The time will come, our sun will rise again." Erstaunlich positiv also für eine Band, die bis dato in den Lyrics des studierten Sozialpsychologen Englund vor allem die Schattenseiten des Lebens betrachtet hatte. Das folgende "Misfortune" marschiert geradezu provokant vorwärts, nimmt an die Hand und begeistert trotz vergleichsweise schleppenden Riffs mit einem Refrain, in dem sich zur Zeile "Misfortune / Be gone" ganz unbeschwert die Faust recken lässt.

Plötzlich also Happy Metal im Hause Evergrey? Natürlich nicht. Denn da sind immer noch diese unfassbar erhebenden melancholischen Momente wie im Mittelteil von "To become someone else" oder bei "Say", die genau diese ergreifende Mischung aus Katatonie und Katharsis schaffen und die Skandinavier von jeglicher Larmoyanz befreien. Und wenn schon die Lyrics nicht gerade zur Fröhlichkeit einladen, kann man sich immer noch an den deutlich prominenteren Keyboards von Rikard Zander erfreuen. Erst recht, wenn Evergrey mit "We are the North" so richtig bösartig werden und all den sogenannten Patrioten, die es offensichtlich auch in Schweden zuhauf gibt, mit Ironie und Schmackes die verbale Faust ins Gesicht rammen: "You call this victory? / To harvest emptiness? / To hunt, to fall, to start again all alone? / Because we've never learnt from history / We chase the same prophecies."

Und dann überraschen Evergrey doch noch. Allerdings dort, wo man es am wenigsten erwartet. "Cold dreams" wartet nämlich neben Englunds Tochter Salina, die ihre Sache ganz hervorragend macht, mit Jonas Renkse von Katatonia als Gastsänger auf. Zwei Melancholiker also, ein Fest der düsteren Töne? Mitnichten. Denn als Kontrast zu Salina Englund werfen sich die beiden Frontmänner mehr als nur eine Tonlage tiefer die Bälle zu und growlen schlussendlich im Duett – nicht etwa ein Abklatsch von so manch einer glücklicherweise vergessenen Symphonic-Metal-Truppe, sondern das perfekte Vehikel für die Stimmungskontraste zwischen Hoffnung, Mut und schierer Verzweiflung. In dieser Ruppigkeit zumindest ungewöhnlich für den Bandsound und somit ein gelungener Kontrast vor allem zu "Ghost of my hero", das mit seinen Streichern punktuell etwas arg dick aufträgt. Dennoch: "Theories of emptiness" wirkt zugänglicher, optimistischer, will Auswege aufzeigen. Leere muss nicht immer negativ sein, wie auch das Outro bestätigt. Leere kann auch das Abwerfen von Ballast bedeuten. Und mit dieser Unvoreingenommenheit reiht sich "Theories of emptiness" nahtlos in die hochwertige Diskografie der Schweden ein.

(Markus Bellmann)

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Highlights

  • Misfortune
  • We are the North
  • Cold dreams

Tracklist

  1. Falling from the sun
  2. MIsfortune
  3. To become someone else
  4. Say
  5. Ghost of my hero
  6. We are the North
  7. One heart
  8. The night within
  9. Cold dreams (feat. Jonas Renkse & Salina Englund
  10. Our way through silence
  11. A theory of emptiness

Gesamtspielzeit: 51:10 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

regger

Postings: 345

Registriert seit 31.03.2021

2024-12-11 16:28:11 Uhr
Feines Album wie ich finde. Treibender Sound und etwas Progressivität mit viel Eingängigkeit gemischt ergeben für mich ein rundes Bild.

Anspieltips: To Become Someone Else, Say, One Heart

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28588

Registriert seit 08.01.2012

2024-06-12 16:14:32 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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