Pain - I am

Nuclear Blast / Rough Trade
VÖ: 17.05.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Elternabend im Moshpit
Rockmusik galt über Jahrzehnte als Vehikel zur Rebellion. Gegen die Alten, gegen das Spießertum, gegen die Konventionen. Das war bei Elvis so, das war bei extremen Genres der jüngeren Vergangenheit wie Death Metal oder Black Metal nicht viel anders. In einer Sache unterscheidet sich die heutige Generation allerdings. Denn während die Altersgenoss*innen des Verfassers dieser Zeilen noch mit Fragen wie "Was ist das denn für ein Krach?" kämpften, machen die Kids heute gemeinsame Sache mit den Eltern. Gerade im ohnehin mit einer gewissen Überalterung kämpfenden Metal sind das eine ganze Menge: Der Sohn von Helloween-Gitarrist Kai Hansen hat eine eigene Band, und Max Cavalera von Soulfly und Udo Dirkschneider haben ihren Nachwuchs direkt in die Gruppe aufgenommen und schwören Stein und Bein, diesen vor den Mitmusikern nicht zu verhätscheln, ganz im Gegenteil.
Peter Tägtgren muss sich diesbezüglich wenig Gedanken machen, galt sein Industrial-Dance-Metal-Projekt Pain doch schon seit jeher als Ein-Mann-Band. Insofern konnte sich auch niemand beschweren, dass der Schwede seinen Sohn Sebastian nicht nur bereits 2016 als Schlagzeuger engagierte, sondern ihm auch gleich die Songwriting-Verantwortung für gleich zwei Tracks auf dem neuen Album "I am" überließ. Und tatsächlich macht Tägtgren junior seine Sache überaus passabel, zumindest fallen "Don't wake the dead" und "Revolution" gegenüber dem Rest qualitativ nicht aus dem Rahmen. Das ist auch gut so, denn auch wenn sich der Senior ganze acht Jahre Zeit seit dem letzten Album "Coming home" gelassen hat, wirkt der Bandsound nur auf dem Papier altbacken, schafft es aber tatsächlich, auch mit den vermeintlich alten Stilmitteln jede Menge Spaß zu erzeugen.
Einen Vorgeschmack dafür lieferte schon 2021 die Single "Party in my head", die eigentlich von den damaligen Lockdown-Bedingungen etwas ablenken sollte, die aber schon mit dem dezent an Neil Youngs "Rockin' in the free world" erinnernden Strophenteil für jede Menge Bewegung auf den Tanzflächen sorgen dürfte – Tanzflächen, die zum Glück nicht mehr nur imaginär sind. Und mit diesem Antrieb im Rücken befand sich Tägtgren offenbar vollends im Party-Modus, denn Songs wie "I just dropped by (To say goodbye)", "Go with the flow" oder "Push the pusher" marschieren unbarmherzig voran, sorgen auf der Autobahn für unvernünftige Reisegeschwindigkeiten oder verzichten auf jeglichen intellektuellen Unterbau und machen schlicht Laune.
Ganz anders hingegen der Titeltrack. Plötzlich wird es nachdenklich, und zu einem dramatischen Crescendo verarbeiten die Tägtgrens den Krebstod einer engen Verwandten. Geradezu trotzig wirken die folgenden Songs, als wollten sie die Trauer wegtanzen – tröstlich zu wissen, dass hinter der vermeinlich kalten instrumentalen Fassade immer noch Menschen arbeiten und fühlen. Und vielleicht ist genau dieser kleine Wermutstropfen, diese kurze Abkehr vom puren Hedonismus etwas, was Pain nach wie vor einzigartig macht. Denn Bands, die Metal mit Dance-Beats vermischen, gibt es mittlerweile reichlich, vor allem Electric Callboy haben sich dort eine durchaus passable Fanszene erarbeitet. Im Unterschied zu der Truppe aus Castrop-Rauxel, die allzu oft mehr gewollt als gekonnt daher kommt, gibt Peter Tägtgren den kalten Klängen eine metallische Seele. Und die macht verdammt viel Spaß, auch mit Nachwuchs.
Highlights
- Go with the flow
- Party in my head
- I am
Tracklist
- I just dropped by (To say goodbye)
- Don't wake the dead
- Go with the flow
- Not for sale
- Party in my head
- I am
- Push the pusher
- The new norm
- Revolution
- My angel
- Fair game
Gesamtspielzeit: 41:13 min.
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Referenzen
Godflesh; Nine Inch Nails; The Prodigy; The Chemical Brothers; Samael; Satyricon; Hypocrisy; In Flames; Children Of Bodom; Dark Tranquillity; Arch Enemy; Amon Amarth; Fear Factory; Sentenced; Turmion Kätilöt; Front Line Assembly; Front 242; Ministry; Marilyn Manson; KMFDM; Filter
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