Mick Harvey - Five ways to say goodbye

Mute / Rough Trade
VÖ: 10.05.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

So long, farewell
"Abschied ist ein Schaukelpferd", sang der britische Barde Roger Whittaker einst, so zumindest der charmante Verhörer, der eine Freundin des Rezensenten in Kindertagen lange über diese Metapher grübeln ließ. Was Abschied außer eines Schaukelpferds oder eines scharfen Schwertes, wie es im Titel des Schlagers eigentlich heißt, noch alles bedeuten kann, das lotet Mick Harvey auf seinem insgesamt elften Studioalbum aus. Das Gründungsmitglied von The Birthday Party und Nick Cave & The Bad Seeds, das letztere Band Anfang 2009 verlassen hatte, zelebriert im Solowerk oftmals die Adaption mehr oder weniger bekannter Songs aus fremder Feder. So widmete er sich auf ganzen vier Alben von ihm selbst übersetzten Liedern aus dem Oeuvre von Serge Gainsbourg, und erst vor wenigen Monaten veröffentlichte der Australier zusammen mit der mexikanischen Chanteuse Amanda Acevedo eine Duett-Platte, deren eklektischer Mix Quellmaterial von Tim Buckley bis Pat Benatar umfasst. Harvey ist kein Freund des Begriffs Coverversion, da dieser ursprünglich eher für ein bloßes Kopieren einer Vorlage stand. Seine Interpretationen sind jedoch meist Weiterentwicklungen bis hin zu einer quasi alchemistischen Verwandlung.
Im Hinblick auf Harveys musikalische Biografie und das Thema Abschied als übergeordnetem Rahmen verspricht "Five ways to say goodbye" zunächst einmal eine düstere Angelegenheit zu werden. "The art of darkness" ist hier also nicht nur ein elegischer Song, sondern zu einem gewissen Teil auch Programm. Der trotzige Soul-Punk der australischen Weggefährten von The Saints wird in "Ghost ships" zu einer Dreampop-Geisterstunde über Desillusionierung und vergangene Lebensträume. Und auch "Demolition", einen Song von The-Saints-Mastermind Ed Kuepper solo, adaptiert Harvey als im Hintergrund leicht schief pluckernde Fatalismuballade: "It's gonna be a demolition, baby." Wie fragte Leonard Cohen, an den die Stimmung des Albums teilweise erinnert, im Spätwerk so schön: "You want it darker?" Noch dunkler wird es nämlich mit Lee Hazlewoods "Dirtnap stories". Mit klassischem Gitarrenpicking und Harmoniegesang von Acevedo raunt Harvey sich da fast genüsslich durch Zeilen wie "It's like all God's promises are broken / It's like dying on Christmas day before all the gifts are opened."
Dennoch ist "Five ways to say goodbye" in seiner Gesamtheit nicht so deprimierend, wie es bis hierhin klingen mag. "Setting you free" ist eine dramatisch arrangierte Trennungsgeschichte im Stile Scott Walkers, die aber durchaus kämpferisch als Empowering des Erzählers gesehen werden kann. Quasi ein "I can buy myself flowers" mit anderen Mitteln. Die wunderbare Eigenkomposition "When we were beautiful & young" ist ein nostalgischer, aber niemals verbitterter Rückblick auf die Jugend. Ebenfalls aus Harveys eigener Feder stammt der festliche Opener "Heaven's gate", der den Übertritt ins Himmelreich im Outro fast schon als Kirchenlied inszeniert. Tatsächlich ein Stimmungshoch löst "Nashville high" aus, in dem das fast alle Tracks des Albums instrumental prägende Streichquartett einmal so richtig ausladend in Dur-Tonlage schwelgen darf. Zum Ausklang verwandelt der 65-jährige Ex-Wahlberliner, der auch mehr als nur passabel deutsch spricht, zunächst Marlene Dietrichs "Ich hab' noch einen Koffer in Berlin" voller Drone und Melancholie in den schönsten Hauptstadt-Song seit David Bowies "Where are we now?". Und als ob das nicht genug der wundersamen Transformationen wäre, wird aus Neil Youngs leidenschaftlichem Sehnsuchtsklassiker "Like a hurricane" ein maximal reduziertes Klagelied am Piano, und vom legendär epischen Gitarrensolo bleibt nur das Rauschen des Windes: "I just got blown away." Abschied ist eben doch kein Schaukelpferd.
Highlights
- Heaven's gate
- Dirtnap stories
- When we were beautiful & young
Tracklist
- Heaven's gate
- We had an island
- Demolition
- The art of darkness
- Setting you free
- Alone with the stars
- Nashville high
- Ghost ships
- Dirtnap stories
- When we were beautiful & young
- A suitcase in Berlin
- Like a hurricane
Gesamtspielzeit: 51:01 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Hier stand Ihre Werbung Postings: 2206 Registriert seit 25.09.2014 |
2024-05-23 02:30:25 Uhr
Da nich f r! |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28792 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-05-22 19:01:22 Uhr
Hallo,danke f r den Hinweis. Ich hab jetzt h ndisch fünf erg nzt. Mir komplett unverst ndlich, ber welchen Weg die versch tt gegangen sind. Ich hoffe, es sind keine weiteren hinten ber gest rzt. Gr e Armün |
Hier stand Ihre Werbung Postings: 2206 Registriert seit 25.09.2014 |
2024-05-21 22:38:51 Uhr
Irgendwie fehlen in der Rezension sehr viele Umlaute. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28792 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-05-21 18:47:43 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
MickHead Postings: 5465 Registriert seit 21.01.2024 |
2024-05-10 11:39:28 Uhr
Bisher keine Resonanz zu diesem Spätwerk!https://www.musikblog.de/2024/05/mick-harvey-five-ways-to-say-goodbye/ |
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Referenzen
Nick Cave & The Bad Seeds; Crime & The City Solution; Leonard Cohen; Tindersticks; The Walkabouts; The Go-Betweens; Richard Hawley; Midnight Choir; Mark Lanegan; Louis Tillett; The Fatal Shore; Ed Kuepper; Lee Hazlewood; American Music Club; Scott Walker; Lambchop; Neil Diamond; Once Upon A Time; David McComb; Robert Forster; John Cale; Lloyd Cole; The Saints; The Black Heart Procession; Nick Drake
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