Grizzly Bird - Creatures

Grizzly Bird
VÖ: 24.05.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ach Mensch!
Tiere liegen dem Berliner Trio Grizzly Bird sehr am Herzen – trotz des allzu ausgeprägte zoologische Fachkenntnisse eher in Abrede stellenden Bandnamens. Das Debüt "Empathy" von 2019 war als Konzeptalbum ein leidenschaftliches Plädoyer für Tierrechte und das Cover von "Creatures" ziert das Gemälde eines Schimpansen. Dies führt allerdings etwas in die Irre: Der Name des Bildes lautet zynisch "Den aufrechten Gang hätten wir uns sparen können." Es ist also der Mensch und die Conditio humana insgesamt, die in Zentrum dieser Songs steht. Doch gar so fatalistisch, wie man an dieser Stelle vermuten könnte, fällt die Beleuchtung von uns "Creatures" gar nicht mal aus.
Der Opener "Moro" offenbart bereits die Hauptbestandteile von Grizzly Birds Klangwelt. Zu Hans Gnendingers hellem Gesang und Fingerpicking an der Gitarre, Nils Wenzels Bass und Florian Dietrichs Schlagzeug gesellen sich in allen Stücken zahlreiche Gäste. Am prominentesten sind hier Streicher, Klavier und gelegentliche Bläser vertreten, sodass sich für Schubladenfans neben der Eigenbezeichnung Indie-Folk auch Chamber-Pop als Genrezuschreibung anbietet. "Moro" beschreibt Wunder und Verunsicherung junger Elternschaft auf berührende Art und Weise, und der Song klingt, als würde Andrew Bird den Klassiker "Mein Apfelbäumchen" von Reinhard Mey adaptieren. Sowohl die zuckersüße Twee-Folk-Perle "Guinea pig" als auch "November hymn", eine nostalgische Winterpastorale mit Piano und zarter Oboe, zelebrieren die Unbeschwertheit der Kindertage: "When we went inside our fingers hurt as we washed them with warm water / Then we sat down by the fire and had the best hot chocolate ever." Der erstaunliche Weg durch die Evolution vom Urknall bis zur Begegnung mit einem geliebten Menschen steht im Mittelpunkt von "Singularity", das sich klanglich jedoch eher an Alter Musik und Kunstlied orientiert als am Vorspann von "The big bang theory".
Weder lyrisch noch musikalisch bleibt jedoch alles eitel Wohlgefallen. Düster und basslastig brodelnd beklagt "Animal rationale" das Leid des stets kühlen Kopfes in einer emotionsgetriebenen Gesellschaft. Mehrere Songs überraschen mit vertrackten Metren, Rhythmen und Tempowechseln. Am besten gelingt dies beim augenzwinkernden bis zynischen Blick auf den klischeehaften "Backpacker" mit leicht angeproggtem Saxofonsolo und einem ekstatischen Finale mit dem einzigen gitarrenrockigen Ausbruch von "Creatures". Der über 12-minütige Abschlusstrack "Music for lovers" zieht noch einmal alle Register und ist in seinem beeindruckend opulenten Arrangement und Ideenreichtum samt marschierender Snare Drum, verträumtem Glockenspiel und Chorgesang eher Suite als Song. Allein für dieses Stück Musik, aber auch für dieses Album insgesamt hat sich das mit dem aufrechten Gang womöglich schon gelohnt.
Highlights
- November hymn
- Backpacker
- Music for lovers
Tracklist
- Moro
- Stag no. 5
- Kids
- Guinea pig
- Animal rationale
- November hymn
- Singularity
- Backpacker
- Music for lovers
Gesamtspielzeit: 45:24 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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gawain Postings: 203 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-05-24 09:04:42 Uhr
Oha, ist das schön. Klingt wunderbar warm und erinnert an das erste Lone Wolf-Album. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28941 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-05-21 18:47:29 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Hans Sølo; Andrew Bird; Sufjan Stevens; Get Well Soon; Keaton Henson; Elbow; Aqualung; Crying Day Care Choir; Ron Sexsmith; Maximilian Hecker; José González; Belle & Sebastian; Nick Drake; Naked Lunch; Damien Rice; Patrick Wolf; Owen Pallett; Pedro The Lion; Songs:Ohia; John Martyn; Kristofer Åström; Iron & Wine; Fleet Foxes; Scott Walker; Bon Iver; Midlake; Sophia
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- Grizzly Bird - Creatures (2 Beiträge / Letzter am 24.05.2024 - 09:04 Uhr)