Rachel Chinouriri - What a devastating turn of events
Parlophone / Warner
VÖ: 03.05.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
Ausbrechen und spielen
Rachel Chinouriri muss ein aufgewecktes Kind gewesen sein. Anders kann man sich die Freude an Musik, Videos, Interviews und dem ganzen Drumherum ihres Debütalbums "What a devastating turn of events" nicht erklären. Alles sprüht vor Energie, und selbst wenn die Britin über ernste Dinge spricht, ist da immer ein Funken, eine Dringlichkeit, die sich durch alles zieht. Kein Wunder, dass Adele längst Fan ist, Florence Pugh in ihre DMs geslidet ist und eine Rolle in ihrem Musikvideo übernommen hat und die 25-Jährige schon mit Lewis Capaldi und Louis Tomlinson auf Tour war. Aber der Reihe nach.
1998 wird Chinouriri in London geboren, kurz nachdem ihre Eltern aus Simbabwe ins UK zogen. Auf ihre Jugend bezogen spricht sie von einer "traditionellen afrikanischen Erziehung", die allerdings auch zur Folge hat, dass sie eine gewisse Neugier für die britische (Pop-)Kultur entwickelt. Und so landet sie am Ende bei einer Musikrichtung, in der schwarze Frauen wie sie immer noch unterrepräsentiert sind: dem Indie-Rock. Man schaue sich zum Beispiel das großartige "Never need me" an, das Gitarre, Bass und Drums nach vorne schiebt, die Londonerin ihr Falsetto ausbreiten lässt, sich dann in eine Art Lo-fi-Bridge mit Drumloop duckt und im Anschluss mit voller Breitseite in einen eingängigen Refrain springt. Das ist zwar noch eher Pop als Rock, aber bei Chinouriri sind das unnötige Schubladen, in die das abwechslungsreiche Album eh nie passen kann. Sie lässt genauso Einflüsse aus R'n'B und Hip-Hop oder sogar angedeutete Folk-Elemente zu. "The hills" fährt zumindest einen ähnlich großen und offenen Refrain mit wehenden Fahnen und Neunziger-Gitarren auf, handelt aber wiederum von einem schrecklichen Monat in Los Angeles, der eigentlich die Albumproduktion nach vorne bringen sollte, aber während dem Chinouriri erst den Anschluss und dann sich selbst verlor: "Broken is the understatement of this whole year."
Ganz anders macht es "It is what it is", das den Großteil der Zeit ein Spoken-Word-Stück ist, das mit interessanter Erzählintonation und Einwürfen der besten Freundin ganz entfernt an Mike Skinner erinnert. Oder der tragische Titelsong, bei dem die Sängerin das einzige Mal nicht von sich erzählt, sondern die traurige Geschichte einer Bekannten. Ein Song mit R'n'B-Anleihen, der mit seiner Eingängigkeit, einem breiten Bass und verspielter Melodie am ernsten Thema scheitern könnte, in den Händen von Chinouriri aber zum Highlight wird. Dass sie auch witzig sein kann, zeigt wiederum das groovige "Dumb bitch juice", in dem dieselben Fehler immer wieder gemacht wurden und werden und man sich selbst schon lächerlich vorkommt. Und dann kommt man doch wieder beim Indie-Rock an, weil “Cold call” ein paar Gitarren und Drums Ohrfeigen feuern lässt, den Gang kurz runterschaltet und dann ein weiteres Mal die Hände vor- und zurückfeuert.
Für ein bisschen Pathos taugt "My blood", das eine Extraportion Streicher in alles stopft, was nicht schnell genug im Nebenzimmer verschwindet – und trotzdem funktioniert. Genauso wie das zuckersüße "Pocket" mit seinem Pfeifen und Claps: "You're the perfect secret I can't tell." Als Bonus gibt es hintenraus eine akustische Version von "So my darling", das schon seit einigen Jahren bei TikTok die Runde macht und mit einer optimistischen Energie das Album beschließt: "You are my best friend / Remember, I'll always love you." Und ganz egal, in welche musikalische Schublade Rachel Chinouriri nun passt, im nächsten Moment wird sie sich daraus eh wieder befreien, scheint Musik doch vor allem ein Spielplatz für sie zu sein, auf dem viel zu viele Geräte interessant sind und auf dem noch so viel zu entdecken ist. Britische Musik scheint einen neuen potenziellen Star gefunden zu haben.
Highlights
- The hills
- Never need me
- My everything
- What a devastating turn of events
Tracklist
- Garden of Eden
- The hills
- Never need me
- My everything
- All I ever asked
- It is what it is
- Dumb bitch juice
- What a devastating turn of events
- My blood
- Robbed
- Cold call
- I hate myself
- So my darling
Gesamtspielzeit: 53:23 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27879 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-05-05 21:16:15 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Remi Wolf; Nieve Ella; Holly Humberstone; Abby Sage; Samia; Daughter; Lily Allen; Hemlocke Springs; Morgan Harper-Jones; Nilüfer Yanya; Girls Aloud; Sugababes; Ladysmith Black Mambazo; Coldplay; Sampha; Oasis; The Libertines; Noisettes; V V Brown; The Streets; Olivia Dean; Cat Burns; Raye; Mahalia; Arlo Parks
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- Rachel Chinouriri - Neues Album? (1 Beiträge / Letzter am 08.10.2024 - 19:11 Uhr)
- Rachel Chinouriri - What a devastating turn of events (1 Beiträge / Letzter am 05.05.2024 - 21:16 Uhr)