Fabiana Palladino - Fabiana Palladino

Paul Institute / XL / Beggars / Indigo
VÖ: 05.04.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Klare Kante
Ist das Pop-Geschäft der richtige Ort für Perfektion? Nicht erst seit Aufmerksamkeitsspannen dank TikTok und Co. immer kürzer werden, ist Zeit ein entscheidender Faktor: Wer nicht konstant auf dem Release-Radar bleibt, wird schnell vergessen, solange man nicht Sky Ferreira heißt. Fabiana Palladino hat sich dennoch nie aus der Ruhe bringen lassen. Anfang der 2010er-Jahre veröffentlichte die Britin bereits ein paar Songs in Eigenregie, 2017 erfolgte ihr Label-Signing, ihr Debüt brauchte noch weitere sieben Jahre zur Fertigstellung. Passend, dass es sich bei jenem Label ausgerechnet um Paul Institute von Jai Paul handelt – schließlich hat der mysteriöse Musiker mit nicht einmal einer Handvoll Singles und einem geleakten Demo-Album in 15 Jahren ein ebenfalls sehr eigenes Tempo etabliert und sich dennoch eine Reputation als einflussreiche Pop-Figur aufgebaut. Dass hinter der langen Entstehung von Palladinos selbstbetiteltem Erstwerk Sinn und Verstand stecken, lässt dieser perfekt geschliffene, vor allem an Janet Jackson geschulte Achtziger-Eisklotz zu keiner Sekunde anzweifeln. Jeder Ton sitzt, hält sich aber auf eine Weise zurück, dass "Fabiana Palladino" lange nicht so schnell ausbrennen wird wie manche schnellgezündete Hype-Fackel.
Mit messerscharfem R'n'B eröffnet "Closer" die Platte, offenbart unter seinem nicht nur von den Beats vollzogenen Engtanz jedoch einen doppelten Boden. "I don't even know if I want you around", singt Palladino, nähert sich damit nicht dem anderen Körper, sondern der Entscheidung, sich diesem zu entziehen. "Can you look in the mirror?" ist trotz des fragenden Gestus direkter: "Stand and look me in the eye / Don't you play with me, boy", heißt es da zu stotterndem, subtil verzerrten House-Soul. Es ist bei all der Präzision wenig verwunderlich, dass sich auf "Fabiana Palladino" auch das Verhältnis von schmissigen und ruhigeren Nummern exakt die Waage hält. Unter ersteren brilliert vor allem "Stay with me through the night", das nicht nur textlich nostalgisch wird, sondern mit seinen großen Piano-Hooks und Wah-Wah-Riffs wirklich wie ein verlorener Disco-Klassiker klingt – nicht unbedingt überraschend bei der Beteiligung von Steve Ferrone, der schon für Chaka Khan trommelte, und Palladinos Vater Pino, einem seit 50 Jahren aktiven Session-Bassisten. An anderer Stelle holt "Shoulda" die Prince-Gitarren raus, um sich die Reue von den Schultern zu zucken, ehe "Deeper" im Gravitationsfeld von mitternachtsschwarzen Synths und lustvoller Sehnsucht den Sweet Spot zwischen Depeche Mode und Sade trifft.
In diesem Sinne macht sich Palladino verschiedene Ästhetiken zueigen, teilweise innerhalb einzelner Tracks: "In the fire" koppelt etwa Art-Pop-Percussion mit käsigen Panflöten und einem sich selbst verätzenden Gitarrensolo. Irritieren lässt sie sich nicht einmal, wenn Co-Produzent und Labelchef Paul das Stimmen-Pingpong von "I care" zu kapern versucht. In jenem Song beweist die Frau, die manchmal an eine unterkühlte Schwester von Jessie Ware denken lässt, ihr Händchen für unpeinliche Balladen. Am meisten beeindruckt in dieser Hinsicht "I can't dream anymore", das ganze Leinwände mit gebrochenen Herzen füllt, doch auch "Give me a sign" mit seinen stoischen Pop-Rock-Licks macht einiges her. Das Album schließt mit einem Stück diesen Schlags, das große Gesangsharmonien mit noch größeren Streichern zusammenschichtet. "Forever" heißt der Song und meint damit hoffentlich nicht die gefühlte Zeitspanne bis zum nächsten Lebenszeichen von Fabiana Palladino. Auch wenn sich die Londonerin weiterhin alle Zeit der Welt lassen soll, solange so gute Musik bei rauskommt: Eine zweite Sky Ferreira würde die Pop-Welt wahrscheinlich nicht ertragen.
Highlights
- Closer
- I can't dream anymore
- Stay with me through the night
Tracklist
- Closer
- Can you look in the mirror?
- I can't dream anymore
- Give me a sign
- I care (feat. Jai Paul)
- Stay with me through the night
- Shoulda
- Deeper
- In the fire
- Forever
Gesamtspielzeit: 37:31 min.
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Referenzen
Janet Jackson; Jam & Lewis; Patrice Rushen; Sade; Prince; Chaka Khan; Whitney Houston; Rhye; Jessie Ware; Dua Lipa; Christine And The Queens; Carly Rae Jepsen; Robyn; Sky Ferreira; Empress Of; Jessy Lanza; Allie X; Shura; Georgia; Erika De Casier; Tei Shi; Blood Orange; George Riley; Abra; Jamie Woon; Jai Paul; Kashif; Wendy & Lisa; Hot Chip; Depeche Mode; Duran Duran; Japan; Haim; Nation Of Language; Future Islands
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