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Vampire Weekend - Only God was above us

Vampire Weekend- Only God was above us

Spring Snow / Columbia / Sony
VÖ: 05.04.2024

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 9/10

Etwas Noise wagen

Unruhige Zeiten brauchen unruhige Alben. Als sich Vampire Weekend 2019 das letzte Mal zurückmeldeten, war die Welt bereits auf dem Weg in die Scheiße, aber oh Boy, hatte die Weltgeschichte daraufhin noch einiges in petto. "Father of the bride" war damals schon in gewisser Weise chaotisch, aber auf eine liebliche, verspielte Art. Viele sprachen aufgrund der vorwiegend akustischen Schlagseite von der Folk-Platte der Band, mit "Harmony hall" oder "This life" waren zumindest jedoch noch unkomplizierte, klassische Hits dabei. Der Nachfolger "Only God was above us" wendet sich davon beinahe komplett ab. Vampire Weekend meets Noiserock, oder so – kaum eine Sekunde vergeht, in der nicht irgendetwas im Ohr quietscht, dröhnt, fiept. Die Songs wirken instabil, jeden Moment bereit, umzukippen oder zu platzen. Die Instrumente drücken scheinbar wahllos irgendwelche Knöpfe, die ständig neue Effekte durch die Tracks jagen. Und dazu wirft sich Ezra Koenig teils sogar in fatalistische Propheten-Posen: "Untrue, unkind and unnatural / How the cruel over time becomes classical."

Jenes "Classical" ist so das, was noch am nächsten dran ist an einer Hitsingle auf "Only God was above us", dessen Titel in typischer Found-Footage-Manier eine Schlagzeile von 1988 über das Flugzeugunglück zitiert, bei dem es einer Aloha-Airlines-Maschine das Kabinendach wegriss. Turbulenzen, Strömungabriss und dergleichen gibt es auch hier: Die Hook muss geradezu im Zaum gehalten werden, das Saxophon ist mehr "Fun house" als "Careless whisper". Und das ganze ein wahnsinnig begeisternder Kracher im wörtlichen Sinne. Vorgewarnt hat bereits der Opener "Ice cream piano", der von LoFi zu windigem Galopp und zurück morpht, und die Zuversicht gleich mit an der Haustür abgibt: "You don't want to win this war / 'Cause you don't want the peace." Das spiegelt der acht Minuten lange, in bester Bob-Dylan-beim-letzten-Song-gibt's-einfach-viele-Strophen-Manier operierende Closer wieder, dessen Titel "Hope" sich in den Lyrics als Finte entpuppt: "Your enemy's invincible / I hope you let it go." Kapitulation, oh-oh-oh.

"Only God was above us" kämpft sich oft rastlos durch hektische, aber mitreißende Gebilde aus Klavier, Bläsern, Streichern und allen Geräuschen, die der Verzerrer hergibt. "Gen-X cops" ist wohl der energischste Rocksong, den die Band jenseits von "Diane Young" geschrieben hat, erzählt vom Mit- und Gegeneinander der Generationen. "Is it strange I can't connect?", fragt Koenig zuvor in "Connect" und findet als Antwort generelle Weirdness und spezifisch ein verstimmtes Klavier. Bei "Prep-school gangsters" ist wenigstens der Titel VW-typisch, die Violine, die am Ende den Track zersägt, dagegen weniger. "I know you're tired of trying / Listen clearly, you don't have to try" – doch nicht nur in "Capricorn" versuchen Vampire Weekend einiges erfolgreich. Hier ist es der Test, wie viel Krawall und Remmidemmi man über eine fantastische Melodie laufen lassen kann, ohne dass diese auch nur im Mindesten Schaden nimmt.

Nach wie vor kann das Trio aber auch ruhigere Fahrwasser beschiffen. Gerade das letzte Drittel nimmt sich merklich zurück, "Mary Boone" und "Pravda" wirken in dieser Hinsicht wie Geschwister. Besonders ersteres gerät einnehmend mit diesem schönen Refrain, hinter welchem unerwartet spitze Schreie in die Nacht hinausgelassen werden und den später ein Kirchenchor pastoral vorträgt – vorhersehbar ist hier also trotzdem nicht alles. In der Albummitte prangt "The surfer", eine Art gediegenes Mood Piece, das über die wundervolle Stimmung funktioniert und dessen Streicher ein wahres Highlight sind. Schlimme Schicksale dennoch allerorten in angenehm gestelzte Prosa gegossen: "Fake fortune teller scandalized by faith / Broke body bidder crushed beneath the waves." Einfach macht es "Only God was above us" mit seinem Sunshine-Pop hinter Blitzgewittern weder sich noch den Hörenden – "Fuck the world" lautet nicht umsonst die erste Zeile des Albums. Aber warum das tun, wenn ebendiese Welt uns Vampire Weekend samt Alben wie diesen gegeben hat?

(Felix Heinecker)

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Highlights

  • Classical
  • Capricorn
  • The surfer
  • Mary Boone

Tracklist

  1. Ice cream piano
  2. Classical
  3. Capricorn
  4. Connect
  5. Prep-school gangsters
  6. The surfer
  7. Gen-X cops
  8. Mary Boone
  9. Pravda
  10. Hope

Gesamtspielzeit: 47:15 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

jo

Postings: 6705

Registriert seit 13.06.2013

2024-12-27 09:39:30 Uhr
Für mich klar besser als "Modern Vampires..." Dürfte so auf Platz zwei/drei der bisherigen Diskografie landen.

Francois

Postings: 1224

Registriert seit 26.11.2019

2024-12-26 15:37:06 Uhr
Das stimmt

Unangemeldeter

Postings: 1594

Registriert seit 15.06.2014

2024-12-26 07:23:41 Uhr
Mann, die ist dieses Jahr ja auch noch erschienen. Bei Release nur einmal reingehört und nicht in der Stimmung gewesen, jetzt holt mich das Album aber ab. Definitiv auch eins der vielen guten Alben dieses Jahr.

AliBlaBla

Postings: 7471

Registriert seit 28.06.2020

2024-12-25 12:43:48 Uhr
@hesmovedon
Mein Album des Jahres, jawohl!
Jeder Song ein Treffer, spricht mich wahnsinnig an... dazu die Referenzen an alte Zeiten, hach, ....einfach irre.

hesmovedon

Postings: 87

Registriert seit 20.10.2019

2024-12-25 11:47:08 Uhr
Bin gerade dabei, meine Lieblings-Alben 2024 durchzuhören, und dieses könnte ganz vorne landen. Es besteht nur aus Highlights, schwierig einzelne Songs hervorzuheben. Hier hätte man sogar die Höchstwertung zucken können. Für mich auf einer Stufe mit "Modern Vampires..."
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