Mount Kimbie - The sunset violent
Warp / Rough Trade
VÖ: 05.04.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Daylight matters
Mount Kimbie sind jetzt eine Band. Dieser Umstand wirkt einerseits überraschend, andererseits geht ihm eine logisch dorthin führende Entwicklung voraus. Zuletzt strahlten Dom Maker und Kai Campos genau das Gegenteil von kreativer Eintracht aus, bestand ihr 2022er-Werk "MK 3.5: Die cuts | City planning" aus zwei Solo-Hälften, auf denen die beiden ungestört vom jeweils anderen ihre eigenen musikalischen Vorlieben auslebten. Doch abseits von diesem Ausflug zwischen R'n'B und Avantgarde-Techno wandten sich Mount Kimbie nach ihrem szeneprägenden Post-Dubstep-Debüt "Crooks & lovers" gezielt dem Organischen zu. Dementsprechend ließe sich "The sunset violent" problemlos als Kontinuität begreifen, indem man den Seitensprung vom Vorgänger einfach ignoriert. Auf ihrem fünften, pardon, vierten Album macht der von Andrea Balency-Béarn und Marc Pell komplettierte Vierer endlich astreinen, wenn auch halbelektronisch texturierten Indie-Rock.
So braucht das eröffnende "The trail" keine fünf Sekunden, um mit programmatischem Gitarren-Geschrammel das in falscher Erwartungshaltung dasitzende Publikum von den Füßen zu reißen. Wirkt der Track mit seinen wortlosen Vocal-Wolken noch eher collagenhaft, treibt "Dumb guitar" als formvollendeter Dream-Pop mit richtigem Gesang im Rausch von Synths und Saiten nach vorn. In diesem Sinne vollzieht "The sunset violent" ganz seinem Titel, Cover und Aufnahmeort im Yucca Valley entsprechend doch einen Bruch: Die Musik von Mount Kimbie vertont keine Großstadtnächte mehr, sondern sucht einen Platz an der Sonne. Anstatt komplizierte Beats zu jonglieren, pulsieren der sengende Shoegaze und Post-Punk so beständig, als würden sie einen Motor auf einem kalifornischen Highway antreiben – ohne je im Graben zu landen oder ins Banale zu driften, wofür die Band ihr Metier schlicht zu versiert beherrscht.
Stilistisch nähern sich Mount Kimbie somit immer mehr einem fest in ihrer Geschichte verankerten Weggefährten an, der natürlich auch diesmal mit von der Partie ist: King Krule. "The pubs are a death trap / They're killing us one by one", lamentiert dieser in "Boxing", das mindestens genauso wenig in Feierstimmung wie sein Grabredner ist, ehe dieser auch die sechsminütige Abschlusshypnose "Empty and silent" veredelt. In solchen Momenten beweisen Maker und Campos, die jüngst vor allem mit ihren Produktions-Skills flexten, dass sie auch als Songwriter so einiges drauf haben – auch wenn die Platte zugegebenermaßen primär durch ihre verwaschene, schwüle Stimmung über die volle Länge hookt. Doch hätte sich eine Piano-Skizze wie "Got me" auf dem, äh, Nicht-Vorgänger reibungslos in Makers Hälfte eingefügt, fällt sie auf "The sunset violent" durchs Raster und sichert sich ihr Existenzrecht als exakt mittig platziertes Interlude.
Die Dramaturgie sitzt bei Mount Kimbie, auch innerhalb einzelner Songs. "Shipwreck" geht in der Schlussminute mit seinen Gitarren Elektrofischen, bevor "Fishbrain" als Lagerfeuerlied von Balency-Béarn beginnt, immer mehr Riff-Energie aufnimmt, am Ende aber nicht explodiert, sondern nach einem kurzen Ausflug in die Spoken-Word-Disco ausbrennt. Am allerbesten funktioniert der Break nach knapp drei Minuten im famosen "A figure in the surf", wenn sich dessen nervöses Flackern zu einem pfeilgeraden Groove verdichtet. "The sunset violent" ist eines dieser Alben, die nicht nur Spaß beim Hören machen, sondern auch eine bedeutsame Rolle für die Identität ihrer Erschaffer*innen einnehmen. Von diesem Punkt an ist bei Mount Kimbie alles möglich. Ein weiteres Wachstum als Rockband? Eine Rückkehr zu den Wurzeln mit James Blake als Produzent? Ein Quadruple-Album, auf dem neben Maker und Campos auch Balency-Béarn und Pell ihre private Spielwiese bekommen? Die Antwort erfahren wir erst, wenn die Sonne wieder verschwunden ist.
Highlights
- Dumb guitar
- A figure in the surf
- Empty and silent (feat. King Krule)
Tracklist
- The trail
- Dumb guitar
- Shipwreck
- Boxing (feat. King Krule)
- Got me
- A figure in the surf
- Fishbrain
- Yucca tree
- Empty and silent (feat. King Krule)
Gesamtspielzeit: 36:46 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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fakeboy Postings: 5598 Registriert seit 21.08.2019 |
2024-04-08 18:29:54 Uhr
Irgendwie schwer greifbar. Love What Survives hat mich viel mehr angesprochen, v.a. der King Krule-Track. Hier ist alles so wie Old Nobody beschreibt: plätschernd, angenehm aber nicht so einnehmend wie Love What Survives. Mir fehlt diese gewisse Magie, die LWS für mich hat... |
maxlivno Postings: 2917 Registriert seit 25.05.2017 |
2024-04-08 11:04:20 Uhr
Ich denke, meine Prognose von oben hat ins schwarze getroffen. Habe über dieses extrem warme Wochenende das Album bei ein paar nächtlichen Wegen mit Bahn & Rad mitgenommen und es war der erhofft schöne Begleiter. MK haben diesen warmen, halb-organischen Sound, den sie auf der Love What Survives schon hier und da hatten, nochmal besser ausgearbeitet und wirklich als zentralen Sound der neuen Platte gesetzt. Empty and Silent ist das Paradebeispiel dafür, ein perfekter Closer mMn.The Trail 8 Dumb Guitar 9 Shipwreck 8 Boxing 8.5 Got Me 6 A Figure in the Surf 8 Fishbrain 8.5 Yukka Tree 9 Empty and Silent 10 8/10 |
Gomes21 Postings: 5280 Registriert seit 20.06.2013 |
2024-04-08 11:00:36 Uhr
Bin sehr angetan vom Album, aber gestern Abend in der Sonne war auch die perfekte Stimmung dafür. Bin gespannt wie es sich einpendelt, aber Mount Kimbie hat bei mir schon immer nen Bonus inne :-) |
Old Nobody User und News-Scout Postings: 3918 Registriert seit 14.03.2017 |
2024-04-07 22:57:41 Uhr
7/10 geht aus meiner Sicht voll in Ordnung.Bisschen schade, da wär angesichts des tollen Openers und Closers mehr drin gewesen.Aber dazwischen schleicht sich leider hier und da ein wenig plätschern ein. Angenehme Gesamtstimmung aber allemal.Spannend in welche Richtung sich das Projekt entwickelt hat. Wer Mount Kimbie erst mit diesem Album kennenlernt,dem sei unbedingt das Über-Stück So many times,so many ways von 2013 empfohlen |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27843 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-04-03 20:50:55 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
King Krule; Chromatics; Pinkshinyultrablast; DIIV; Makthaverskan; Dum Dum Girls; No Joy; Bleached; La Sera; Veronica Falls; Women; Male Bonding; Atlas Sound; Deerhunter; Alex G; Amen Dunes; Gia Margaret; Dean Blunt; Darkside; Nicolas Jaar; Sun Glitters; Botany; Belong; Beach House; The Cure; Joy Division; Cocteau Twins; The Jesus And Mary Chain; Siouxsie And The Banshees; Slowdive; My Bloody Valentine; Boards Of Canada; DJ Koze; Caribou; Four Tet
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