Christin Nichols - Rette sich, wer kann

My Own Party / Membran
VÖ: 22.03.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Wie ein Fallschirm für die Seele
"Ich will leben, als ob die AfD was dagegen hätte". Man ist kaum eine halbe Minute drin in "Rette sich, wer kann", und schon ist man verliebt. In die klare Haltung, vor allem aber auch in den Sound. Denn gute Slogans sind natürlich nicht alles, was eine starke Platte braucht. Und während Christin Nichols' Debütalbum "I’m fine" sich nach seinem Erscheinen Anfang 2022 erst nach und nach zu einem Sleeperhit entwickelte, der sich am Ende des Jahres für so manche als eine der am liebsten gehörten Platten herausstellte, muss der Nachfolger nicht darauf warten, dass Plattentests.de ihn zu einer der "Vergessenen Perlen" des Jahres kürt.
Nun also eine Politplatte? Wieder mehr Prada Meinhoff als Bespiegelung des eigenen Innenlebens? Nein, denn die einleitend erwähnte – und wichtige – Textzeile ist da gar nicht so repräsentativ. Im zugehörigen "Bodycount" teilt Nichols auch in noch ganz andere Richtungen aus, insbesondere hinsichtlich der immer noch bestehenden Geschlechterungerechtigkeit. Dazu glänzen herrlich druckvolle Synthesizer, die daraus einen schillernden 80er-Hit machen. Doch wer die herrlichen Gitarren des Debüts vermisst, kann beruhigt sein, die kommen auch noch zur Geltung. Schon durch das folgende Titelstück zieht sich wieder der markante Bass, und die Themen werden persönlicher. Angst und Angststörungen, damit haben viel mehr Menschen zu kämpfen, als die Leistungsgesellschaft anerkennen will. Und als erster von zwei Duettgästen rappt der Ursympath Fatoni mit.
In "Morgen willst Du mich", dem dritten Song des Albums, ist dann auch die schwelgerische Indierock-Gitarre wieder dabei, womit sich alle wesentlichen Zutaten des Nichols-Sounds geschickt nacheinander vorgestellt haben. Ab jetzt kann diese infektiöse Mischung aus New Wave, Post-Punk, Indierock, NDW (nur die guten Elemente) und ab und zu auch einfach nur Pop als Gesamtkunstwerk genossen werden. Passenderweise folgt mit "Direct flight to Seattle" auch gleich einer der besten Songs des Albums, ein echter Ohrwurm und übrigens einer von this time nur noch zwei englischsprachigen Songs der Deutsch-Britin.
"Rette sich, wer kann" ist eine Platte zum Einfach-mal-hier-Rauskommen – wobei der blanke Eskapismus in "New York" auch schnell wieder entzaubert wird. Es geht eher ums Herauskommen aus sich selbst und dem oft beschwerenden Umfeld, das freie Durchatmen ohne bedrückende Zwänge. Und andererseits darum, mit den persönlichen Nöten, Problemen, Schmerzen, Leiden zu leben. Wenn mal gar nichts "In Ordnung" ist, dann freut man sich wenigstens, einen wie Julian Knoth von Die Nerven an der Seite und ein paar lärmende Gitarren im Rücken zu haben. Oder "Citalopram" im Schrank zu wissen, wenn der schwarze Hund wieder zuschlägt und man seit Monaten auf einen Therapieplatz in der zunehmenden Gesundheitswüste wartet. Doch keine Sorge, diese sehr zugängliche Platte kommt viel unbeschwerter daher, als sich das jetzt lesen mag. Weil sie das Schöne am Leben feiern kann.
Highlights
- Bodycount
- Direct flight to Seattle
- In Ordnung (feat. Julian Knoth)
- Citalopram
Tracklist
- Bodycount
- Rette sich, wer kann (feat. Fatoni)
- Morgen willst Du mich
- Direct flight to Seattle
- Kein Anschluss
- Wie New York
- Totgelacht
- In Ordnung (feat. Julian Knoth)
- Citalopram
- Rush
- Jung & schön
- 5 Minuten
Gesamtspielzeit: 44:15 min.
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Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28498 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-03-27 19:22:37 Uhr - Newsbeitrag
Rette sich wer kann Tour: 30.10 Hannover - Faust 01.11 Köln - Blue Shell 02.11 Stuttgart - Helene P 03.11 München - Milla 21.11 Hamburg- Molotow 22.11 Leipzig - Conne Island 23.11 Nürnberg - Stereo |
Grizzly Adams Postings: 5883 Registriert seit 22.08.2019 |
2024-03-22 21:40:13 Uhr
Nicht meins. Hab’s aber zumindest versucht, weil deutschsprachig, da bin ich ja (fast) immer neugierig. |
Sick Postings: 315 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-03-22 20:58:15 Uhr
Super Ding! Mindestens so gut wie der Vorgänger... |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28498 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-03-20 21:56:12 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28498 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-11-17 19:33:48 Uhr - Newsbeitrag
Christin Nichols: Neue Single "Wie New York" Nach "direct flight to seattle", "Jung & Schön" und dem umjubelten Feature mit Julian Knoth von Die Nerven ("In Ordnung") veröffentlicht Christin Nichols heute einen weitere Vorboten aus ihrem neuen Album "Rette sich wer kann", welches am 22. März 2024 über ihr eigenes Label My Own Party Records erscheint. Anhören: Christin Nichols - "Wie New York" Ein Song über das sich-in-die-Tasche-lügen, die Suche nach Identität, über Eskapismus und die Angst, vor dem eigenen Glück. Alles wird anders und macht einen Sinn: In New York. Christin Nichols sagt: "Keine Ahnung warum man immer denkt, woanders ist das Gras grüner. Wenn erst dies passiert dann wird das oder jenes endlich richtig gut. Das ist Quatsch. Aber es schützt einen ein bisschen davor, das sich die Träume am Ende doch nicht einlösen." |
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Referenzen
Prada Meinhoff; Sofia Portanet; Ideal; Neonbabies; Ilgen-Nur; Culk; Sophie Hunger; Spillsbury; Tubbe; Brockdorff Klang Labor; Die Heiterkeit; Stella Sommer; Drangsal; Mia Morgan; Blond; Tränen; Grossstadtgeflüster; BOY; Shybits; Sorry3000; Wir Sind Helden; Judith Holofernes; Karpatenhund; Locas In Love; Stefanie Schrank; Britta; Siouxsie And The Banshees; The Raveonettes; X Mal Deutschland; Martha And The Muffins; New Order; The Cure; Grauzone; Antje Schomaker; Isolation Berlin; Die Nerven; Julian Knoth; Fatoni
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