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Gossip - Real power

Gossip- Real power

Columbia / Sony
VÖ: 22.03.2024

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kartoffeln mit Schwefel

Gossip waren dick im Geschäft? Unverschämtheit! Wenigstens lässt sich an diesem Satz ablesen, dass der letzte Longplayer von Beth Ditto und Band über zehn schlanke Jahre zurückliegt und aus einer Zeit stammt, in der Body Positivity und Gender-Fluidität noch nicht so selbstverständlich waren wie heute. Was vor der langen Pause passierte? Womöglich war der Sound von "A joyful noise" unter Beteiligung von Chers Autotune-Architekt Brian Higgins und der englischen Hit-Schmiede Xenomania am Ende doch etwas zu glatt ausgefallen. "Perfect world" überzeugte, "Move in the right direction" hingegen hupfdohlte mitnichten in ebenjene, sondern gefiel sich in Madonna-Divenhaftigkeit – und nicht alle Riot Grrrls und Boys amüsierte, dass die Sängerin offenbar noch mehr Discokugeln aufgehängt hatte als ohnehin schon. Doch zumindest ihr Solo-Debüt enttäuschte 2017 nicht.

Gossip stehen auf Major-Album Nummer drei ebenfalls wieder mehr im Saft. Samt dem alten Mischpult-Sozius Rick Rubin, der zu Protokoll gab, bei den Aufnahmen enormen Spaß in den bärtigen Backen gehabt zu haben. Und mit einem Auftakt von feinster Kratzbürstigkeit, der in der Tat die "Real power" von "Standing in the way of control" ins Gedächtnis ruft. Das Doppel aus sechs und vier Saiten heizt ordentlich vor und danach kräftig ein, die Orgel im Hintergrund backt alles andere als kleine Brötchen und entfaltet mitten im roh wuchernden Stakkato-Beat melodieselige Pracht. Ein "Act of God"? Vielleicht ein wenig hochgegriffen, aber blendend in Form sind Gossip zu Beginn ihres Comebacks allemal. Und viel mehr bei Stax oder im Detroit von MC5 zu Hause als im Großraumschuppen, wo man zu späterer Stunde auch vor "ABBA Gold" nicht sicher ist.

Das Titelstück gibt daraufhin mehr die funky Disco-Klatschpappe – allerdings eine mit spitzer Post-Punk-Kante, zu der auch ein "Heavy cross" kein Hindernis auf dem Tanzboden ist. Cool, clever, so exaltiert wie nötig und so reduziert wie möglich. Kein Vergleich zur matten Vorabsingle "Crazy again", die zwar mit einem Basslauf Spannung aufbaut, in der Folge ihr Versprechen jedoch nicht einlöst und als süßes Nichts endet. Das ist nicht der einst von Kollege Bischoff angedrohte Zumba-Kurs, aber auch kein so kraftvoller, an den richtigen Stellen zupackender Ächzfloor-Kracher wie "For keeps" von "Music for men". Zum Glück bleibt Gossip auch in verzichtbaren Momenten immer Dittos Stimme als Wunderwaffe – egal, ob sie beim glückselig bumsenden "Give it up for love" im Background johlt oder in "Edge of the sun" heult wie ein Gespenst nach einer Portion Kartoffeln mit Schwefel.

Trotzdem pendelt sich "Real power" zur Mitte hin auf teils hochwertigem, teils solidem Niveau ein – und hat ungeachtet dessen doch noch die eine oder andere Überraschung parat. Die erfreulichste: "Turn the card slowly", das weder auf rohes, punkiges Gestampfe noch auf Clubtauglichkeit setzt, stattdessen The xx die mit spitzen Fingern gespielten Riffs von "Crystalised" stibitzt und mit Reverbs sowie einem lärmigen Mittelpart aufmischt, während Ditto gesanglich gleichzeitig souverän und erstaunlich angeknackst wirkt. So geht's doch auch, wenn sich Subtilität und dosierte Power die wunden Hände reichen sollen. "Light it up" bemüht erneut gekonnt den feinsinnigen Gitarrenstil der Briten um Jamie Smith – nur dass Gossip am liebsten "Peace and quiet" hätten, nimmt man ihnen zum Schluss doch nicht ganz ab. Dieses wiedererstarkende, ordentliche Album schon eher.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Act of God
  • Real power
  • Turn the card slowly

Tracklist

  1. Act of God
  2. Real power
  3. Don't be afraid
  4. Crazy again
  5. Edge of the sun
  6. Give it up for love
  7. Turn the card slowly
  8. Tell me something
  9. Tough
  10. Light it up
  11. Peace and quiet

Gesamtspielzeit: 40:58 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

nagolny

Postings: 1777

Registriert seit 06.11.2022

2024-03-24 16:11:00 Uhr
Mit "Standing in the way of control" hat die Band ihr ganzes Pulver verschossen. Macht aber nichts, denn das ist und bleibt ein gutes Album.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28471

Registriert seit 08.01.2012

2024-03-21 20:06:04 Uhr
Ich fand die Single "Real power" erst ziemlich blöd, inzwischen klasse. Gerade in den Strophen passiert da eine Menge.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10529

Registriert seit 26.02.2016

2024-03-21 17:36:37 Uhr
In der Rezi ist ja nur von Major-Label-Alben die Rede.

Felix H

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 10529

Registriert seit 26.02.2016

2024-03-21 17:35:34 Uhr
Ihr zählt alle komisch. :-D Es ist das 6. Album.

eric

Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion

Postings: 2883

Registriert seit 14.06.2013

2024-03-21 17:29:47 Uhr
Ich bin echt überrascht, dass es erst Album Nummer 3 ist... arg

Das Debut lief offiziell unter "The Gossip". Auch hier besprochen. Das hier ist Album Nummer 4.
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