Aoife O'Donovan - All my friends

Yep Roc / Bertus
VÖ: 22.03.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Über den Kampf
Für Aoife O'Donovan gab es kein Entkommen: Als Sprössling einer musikalischen Familie wuchs sie in Boston auf und kam regelmäßig in Kontakt mit klanglicher Kreativität. Mit Blick auf ihren bisherigen Output darf das alles als Glücksfall verstanden werden, denn die Singer-Songwriterin hat eine bemerkenswerte Entwicklung hingelegt. Inzwischen wird sie vornehmlich als Solointerpretin wahrgenommen, doch ihre eigene Geschichte weist zahlreiche Gastspiele in Bands auf. So war die US-Amerikanerin mit irischen Wurzeln unter anderem für Wayfaring Strangers, Crooked Still oder Sometymes Why aktiv, und widmete sich dabei stets neuen Einflüssen und Richtungen. Künstlerische Grenzen? Braucht doch kein Mensch. Zuletzt legte sie 2022 das feine "Age of apathy" vor, bevor etwas mehr als zwei Jahre später ein neuer Höhepunkt im Schaffen der Musikerin erscheint: "All my friends" ist dabei zu einem Album geraten, das gleich auf mehreren Ebenen fasziniert.
Man darf das Werk zunächst einmal aus der reinen Genussperspektive betrachten. Denn bevor man tiefer in die Materie einsteigt, gilt festzuhalten: Aoife O'Donovan liefert neun Songs inklusive Bob-Dylan-Cover, zu denen man es sich irgendwo gemütlich machen kann. Songs, denen man durchaus unbeschwert lauschen mag, ohne sich gleich auf das einzulassen, was hinter den Kulissen wartet. O'Donovan singt und erzählt sich in bester Singer-Songwriter-Tradition durch ihre ureigene Interpretation des modernen Folk, wenngleich sich ihre Kunst gar nicht so einfach in diese Schublade einsortieren lässt. Mühelos trifft sie stets den richtigen Ton, vermag sich mal fast zart hauchend, mal entschlossener in Szene zu setzen. Viele Stücke gehen hier nahtlos ineinander über, schielen niemals auf einen möglichen Hit und begeistern durch Ideenreichtum sowie gekonnt eingestreute Abzweigungen, die jedweder Langeweile zuvorkommen. So weit, so gelungen.
Sobald man sich allerdings etwas genauer mit den Inhalten befasst, wird eine weitere, entscheidende Ebene sichtbar. Denn hinter der vom ersten bis zum letzten Takt wunderbar inszenierten Klangwelt mit Konzeptansatz verbirgt sich textlich wahrhafter Tiefgang. O'Donovan bittet auf "All my friends" zu einer Geschichtsstunde, in der es im Wesentlichen um das Erkämpfen von Frauenrechten geht. Und explizit um jene, die für diese mit aller Kraft einstanden – und einstehen. "I always knew and so did you that we were going to war", heißt es mit klarer Entschlossenheit direkt im eröffnenden Titelstück. Das anschließende, nicht weniger famose "Crisis" schlägt in dieselbe Kerbe: "It's 1916, we're talking war and battle cries / Oh women dry your eyes – gotta rise up and fight." Die Singer-Songwriterin bezieht sich hier nach eigenem Bekunden zum Teil auf eine Rede von Carrie Chapman Catt aus eben jenem Jahr. Catt, engagierte Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht in den USA, taucht direkt in "War measure" wieder auf. Hier wendet sich Woodrow Wilson, 28. Präsident der Vereinigten Staaten, direkt an sie: "The services of women during this crisis / Must be repaid, lead ya to paradise / It's over there."
In dieser Form geht es weiter, bis hin zum finalen "The lonesome death of Hattie Carroll" aus der Feder von Bob Dylan, und damit einer fulminanten Neuinterpretation des Stücks, herrlich gegen den Strich gebürstet. Hier findet sich dann auch die letzte Ebene, die es zu betrachten gilt: die der Kollaboration. Denn "All my friends" nimmt den eigenen Titel sehr ernst. O'Donovan hat eine Heerschar an Mitstreiter*innen um sich herum versammelt, um dieses Album mit Tiefgang abzurunden. So singt beispielsweise Anaïs Mitchell in "Over the finish line" mit, zudem greifen The Westerlies bei mehreren Stücken zu Posaune und Trompete, sorgen The Knights vielköpfig für formidable orchestrale Untermalung und reiht sich der Chor San Francisco Girls am Mikrofon neben der Protagonistin ein. Eine Gemeinschaftsarbeit von bleibendem Wert und ein herausragendes Beispiel für Musik, die einerseits zum reinen Genuss einlädt und andererseits so viel zu erzählen hat.
Highlights
- All my friends
- Crisis
- Daughters
Tracklist
- All my friends
- Crisis
- War measure
- Someone to follow
- The right time
- Daughters
- America, come
- Over the finish line (feat. Anaïs Mitchell)
- The lonesome death of Hattie Carroll
Gesamtspielzeit: 38:43 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
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dreckskerl Postings: 11147 Registriert seit 09.12.2014 |
2024-03-13 22:23:31 Uhr
Das freut mich sehr, ein Akbum dessen Vweöffentlichung ich entgegenfiebere wird AdW.Die 3 Vorabsings sind wundervoll, mehr Meinung dann in 2 Wochen. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28505 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-03-13 21:18:44 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. "Album der Woche"! Meinungen? |
MickHead Postings: 4713 Registriert seit 21.01.2024 |
2024-03-05 16:16:44 Uhr
Aoife O'Donovan kündigt für den 22.03. ihr neues Album "All My Friends" an. Die amerikanische Folksängerin mit irischen Wurzeln, meldet sich nach 2 Jahren mit neuer Musik zurück.https://aoifeodonovan.bandcamp.com/album/all-my-friends |
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Referenzen
Crooked Still; Sometymes Why; I'm With Her; Wayfaring Strangers; Joni Mitchell; Laura Nyro; Laura Marling; Sam Lee; Jessica Pratt; Sarah Jarosz; Sara Watkins; Gillian Welch; Hem; Anaïs Mitchell; Courtney Marie Andrews; Brandi Carlile; The Highwomen; Alison Krauss; Kate Wolf; The Black Lillies; Punch Brothers; Laurie Lewis; Lucinda Williams; The Stray Birds; The Milk Carton Kids; Madison Cunningham; Cat Power; Jesca Hoop; This Is The Kit; Rhiannon Giddens; Lucy Rose; Nadia Reid; The Staves; Lucius; Amanda Shires; Belle And Sebastian; Anaïs Mitchell; The Westerlies; The Knights; San Francisco Girls
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