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John J. Presley - Chaos & calypso

John J. Presley- Chaos & calypso

God Unknown / Cargo
VÖ: 08.03.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Dem Fuzz den Boden aus

Die gute Nachricht zuerst: John J. Presley geht es wieder gut. Der Singer-Songwriter aus Brighton litt nämlich längere Zeit an Schwindelanfällen, angesichts derer die Ärzte vor einem Rätsel standen. Keine afro-karibischen Rhythmen, dafür Aufruhr im Gleichgewichtsempfinden. So verwundert es nicht, dass "Chaos & calypso", das zweite reguläre Album des Engländers nach "As the night draws in" von 2019, einiges aus dieser Phase widerspiegelt, damit die Hörer*innen auch etwas davon haben. "I'm sick to my stomach", gesteht Presley entsprechend in "Sea of deserters", meint damit jedoch nicht etwa seinen Gesundheitszustand, sondern raffgierige Politiker, Brexit-Befürworter und andere Existenzen, die dem Fass regelmäßig den Boden ausschlagen. Der Song pumpt dazu ein nervöses Stakkato samt ungemütlichem Gebläse von PJ-Harvey-Sozius Terry Edwards, ehe ein freidrehendes Klarinetten-Getöse losbricht – Jazz ist anders, aber stand hier bestimmt hyperventilierend Pate. Denn musikalisch ist Presley vieles recht.

Zuallererst mit Ecken und Kanten gezimmerte Track-Rumpelkammern wie der Opener "Silhouttes", dessen knorriges Riff sich dennoch mühelos einschleift – ein herrlich rauer Talking- oder vielmehr Walking-Blues, der so ungerührt wie melodieselig durch imaginäre Sümpfe stapft. Dass es auch elektrifizierter und brachialer geht, verdeutlichen die blecherne Beatbox und der Prengel-Bass von "Sinnerman", obwohl sich schließlich doch noch eine beschwörende Halbballade mit schleppendem Groove entblättert. Wer hier auf eine Nina-Simone-Coverversion spekuliert, hat zwar Pech gehabt, doch kommt dafür immerhin in den Genuss von Blood Red Shoes' Laura-Mary Carter als himmlisch einschwebende zweite Stimme. Und irgendwo auf seiner vermutlich grau eingefärbten Wolke knirscht Presleys alter Weggefährte Mark Lanegan mit den Zähnen: So etwas hätte einer seiner Platten mit Isobel Campbell sicher genauso gut zu Gesicht gestanden. Und auch mit Elektronik hantierte der alte Grantler bekanntlich manchmal gerne.

Presley geht es nicht anders: Durch "Gold" paukt ebenfalls eine steife Drum-Machine, während das von Heuchlern sämtlicher Couleur gründlich angekotzte "The sequel" die Gitarre triggert und die Rhythmen zerhackt. Nur folgerichtig, dass ohne Vorwarnung über beide Songs eine mächtige Walze aus lärmendem Fuzz und Distorto-Feedback hereinbricht und der Brite sich auch als Chaostheretiker in Sachen Noise-Rock zu erkennen gibt. Freilich vermag er auch kleinere, aber nicht weniger bedrohliche Brötchen wie das dunkel glühende "Those three words" zu backen – allenfalls eine Liebeserklärung an einen romantischen Kabelbrand in der vor Aufregung stotternden Heimorgel. Und gibt "Chaos & calypso" am Ende vor, sich wirklich einmal die Ruhe anzutun, dann lediglich in der über fünfminütigen, beunruhigenden Coda "Into the fire", die mit roh zerspantem Reverb nicht gerade optimistisch nach vorne schaut. Da nützt auch die scheinbar fröhliche Komponente im Albumtitel nichts: Die Apokalypse ist nur drei Buchstaben entfernt.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights

  • Silhouettes
  • Sinnerman
  • The sequel

Tracklist

  1. Silhouettes
  2. Sinnerman
  3. Sea of deserters
  4. Gold
  5. Those three words
  6. Delicate thread (Blue eyes)
  7. Hold the ties
  8. The sequel
  9. Into the fire

Gesamtspielzeit: 31:16 min.

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User Beitrag

myx

Postings: 5442

Registriert seit 16.10.2016

2024-03-13 22:59:14 Uhr
Gutes Teil, rumpelt, rabatzt und groovt auf bestechende Weise. – Tolle Headline, btw. :)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28278

Registriert seit 08.01.2012

2024-03-13 21:17:43 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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