Judas Priest - Invincible shield
Columbia / Sony
VÖ: 08.03.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
British Steel, frisch aufgekocht
Der vermeintliche Abgesang zieht sich ja nun schon über viele Jahre. "Die Alten können's nicht mehr", lästern die einen; "Wer soll den Veteranen denn überhaupt folgen?", unken die anderen. Wahr ist auf jeden Fall, dass insbesondere im Hardrock und Metal schon geraume Zeit eine besonders große Wertschätzung für die Silberrücken des Genres festzustellen ist. Denn die Arenen füllen nach wie vor nicht etwa Night Demon oder Firewind, sondern Iron Maiden, Judas Priest und vor allem Metallica, obwohl deren große Zeit der Klassiker schon Jahrzehnte her ist. Woran das liegt? Vor allem wohl, weil sich die Altvorderen des Genres nicht etwa zur Ruhe setzen, sondern nach wie vor hungrig wirken. Womit wir bei Judas Priest wären, deren 19. Album "Invincible shield" durch begeisternde Vorab-Singles die Vorfreude wie lange nicht bei den Briten schürte.
So sehr, dass glatt wieder wohlige Erinnerungen an die Jugend hochkommen. Als man geradezu ehrführchtig das Vinyl aus der Verpackung schälte, die Platte auflegte und sich mit Textblatt und Kopfhörer in eine andere Welt beamte. Gut, heutzutage klicken viele (leider) eher zeremonielos den Play-Button des bevorzugten Streaming-Dienstes, der Effekt bei den ersten Tönen des Openers "Panic attack" ist aber der gleiche. Zunächst kurzes Stutzen ob der Guitar-Synth-Sounds zu Beginn – sollten die damals ziemlich umstrittenen Sounds von "Turbo" fröhliche Urständ feiern? Dann der erste Beginn eines Riffs, bis plötzlich das Inferno losbricht. Was für ein Gewitter, was für eine Freude, was für ein Start! Der Selbsttest ergibt: Wenn Eltern wie Nachwuchs der Familie spontan für eine kleine Mosh-Einlage Platz im Wohnzimmer schaffen wollen, dann hat eine Band alles richtig gemacht – Musik, die Generationen begeistert.
Dass diese Anfangseuphorie nicht zu hoch gegriffen ist, zeigt der weitere Verlauf. Das einzige Zugeständnis an das Alter mag sein, dass der erbarmungslose Speed des Openers nicht gehalten wird. Aber im Prinzip ist es vollkommen egal, welchen Song man sich herauspicken möchte – jedes Riff von Ritchie Faulkner und Glenn Tipton zündet, Schlagzeuger Scott Travis treibt die Meute erbarmungslos voran – nimmt man einmal ein jüngeres Album als Vergleich, so würde jeder einzelne Hieb aus diesem Gemetzel über elf Tracks beispielsweise das komplette Album "Nostradamus" von 2008 geradezu pulverisieren. Und was ist mit Frontmann Rob Halford? Der Metal God, der durch seinen weißen Rauschebart mittlerweile eher wie der Metal-Alm-Öhi aussieht, hat seine zeitweilige Sinnkrise überwunden. So gut, so befreit hat man ihn schon sehr lange nicht mehr gehört.
Was macht nun "Invincible shield" zu einem derart herausragenden Alterswerk der Metal-Urväter? Böse Zungen könnten jetzt behaupten, das überraschend starke "The sinner rides again" von KK's Priest – bekanntermaßen der im Groll geschiedene Ex-Gitarrist KK Downing – aus dem letzten Jahr hätte eine konsequente Antwort verlangt. Realistischer scheint die Begründung, dass die Briten niemandem mehr etwas beweisen müssen und angesichts mittlerweile deutlich angeschlagener Gesundheit beider Gitarristen umso befreiter aufspielen – Tipton leidet an Parkinson, und Faulkner überlebte um Haaresbreite ein geplatztes Aneurysma. Doch unabhängig davon, was die Zukunft für Judas Priest bringen mag – dieses Album ist ein Statement, fett gedruckt und mit Ausrufezeichen. Anders als noch bei "Firepower" schrecken wir vor dem Vergleich nicht mehr zurück: Selbst hinter der Göttergabe "Painkiller" muss sich "Invincible shield" nicht verschämt verstecken. Grandios.
Highlights
- Panic attack
- Invincible shield
- Trial by fire
- Sons of thunder
Tracklist
- Panic attack
- The serpent and the king
- Invincible shield
- Devil in disguise
- Gates of hell
- Crown of horns
- As God is my witness
- Trial by fire
- Escape from reality
- Sons of thunder
- Giants in the sky
Gesamtspielzeit: 52:32 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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nagolny Postings: 1445 Registriert seit 06.11.2022 |
2024-03-22 02:15:12 Uhr
Dissident Aggressor, Starbreaker, Raw Deal - das sind doch Blaupausen für Heavy Metal Greatness. Gerade ein Song wie Dissidenten Aggressor (und später Exciter) müsste doch Fans der späten Judas Priest auch gut reinlaufen. |
Neytiri Postings: 1603 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-03-21 17:34:09 Uhr
Ich kenne Judas Priest erst seit "Ram It Down" und alles was sie davor produziert haben, war bei meiner Aufarbeitung ihres Schaffens bis auf wenige einzelne Songs ungenießbar. Ich komme vor allem mit dem Sound der 70er und frühen 80er Jahre des Heavy Metals nicht klar. |
DerMeister Postings: 1691 Registriert seit 22.06.2013 |
2024-03-21 17:16:58 Uhr
Gehört in ihre Top 10. Die Frage ist halt wo genau man sie platziert.Alben die ich klar mehr mag: Sad Wings of Destiny (1976) Sin After Sin (1977) Stained Class (1978) Screaming for Vengeance (1982) Defenders of the Faith (1984) Painkiller (1990) Ihr siebentbestes? Schwer zu sagen ohne nochmal in British Steel oder Firepower reinzuhören. Vielleicht auch zur Sicherheit nochmal in die Killing Machine und Angel of Retribution. |
7th Seeker Postings: 391 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-03-21 14:02:53 Uhr
Ich würde eher bei Rykers 7/10 mitgehen, die Platte macht vom wirklich starken Opener an richtig viel Spaß, aber wirklich überraschend ist eben nur, dass die in deren Alter noch so viel Energie zeigen, soundmäßig bedienen sie sich halt komplett aus dem Heavy-Metal-Lehrbuch, welches sie selbst geschrieben haben.Die 8/10 liest sich für mich aus der Rezi heraus aber auch ein so, als würde da ein wenig Nostalgiebonus reinspielen, aber da fühle ich mich fast anmaßend, dem sehr geschätzten Markus Bellmann indirekt so etwas zu unterstellen ;) |
nagolny Postings: 1445 Registriert seit 06.11.2022 |
2024-03-13 23:48:09 Uhr
Im Großen und Ganzen eine einigermaßen treffende Rezension. Die Wertung ist auch nicht zu hoch gegriffen. |
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