Yard Act - Where's my Utopia?

Island / Universal
VÖ: 01.03.2024
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Ich bin doof, ich mach Musik
Leeds, 1996: Der sechsjährige James Smith geht mit seinen Eltern auf, na ja, große Fahrt in die Küstenstadt Blackpool. Was er da soll, weiß der künftige Frontmann von Yard Act selbst nicht so richtig, aber besser als Schule ist es allemal. So die Erzählung in "Blackpool illuminations", dem längsten Stück auf dem zweiten Album seiner Band. Ob des zwirbelnden Gitarren-Plings wähnt man sich fast auf Hawaii statt in einem abgeranzten nordenglischen Badeort – bis Smith resümiert: "I know now I'm never gonna get my Utopia." Egal, ob das Quartett seit seinem Debüt "The overload" als heißester Scheiß von der Insel gilt. "Das zu tun, wovon man schon als Teenager geträumt hat, ist auch keine Lösung", so der Sänger – wissend, dass er aktuell zu den bestbezahlten Heulsusen des Königreichs zählt. Trotzdem machen sich Yard Act auf "Where's my Utopia?" nichts vor.
Das Thema heißt Standortbestimmung und Evaluierung dessen, was bisher geschah – von der ersten fixen Idee einer Bandgründung über den Vertrag beim Branchenriesen bis hin zum Status als "Post Punk's latest poster boys". Phänomenal, wie schlüssig und rasant der Vierer den ganzen Rummel in drei Minuten mit drahtigem Basslauf und geräuschig schmatzendem Mitmüsser-Groove komprimiert: "We make hits" grantelt gegen den feuchten Traum eines jeden Popmusikers, namecheckt sowohl die große Plattenfirma als auch die Vorbilder The Fall und bringt sogar den Klimawandel unter: "We just wanna have some fun before we're sunk / And if that's the attitude you exude, then you know you're really punk." Und weil man auch von etwas leben muss: "We ain't afraid to get paid on stage." LCD Soundsystems James "You wanted a hit" Murphy würde töten für diesen Song.
Denn der ist hier gar nicht anwesend: An den Reglern sitzt Remi Kabaka Jr., Drummer und Produzent von Gorillaz, der die Elektro-Schlagseite intensiviert und Yard Act mit Schwitz-Beats, synthetischen Streichern und wild reingeschnittenen Skits teils in eine aufgekratzte Beastie-Boys-Ecke rückt. Der Disco-Knüller "Dream job" ist stets kurz vorm Abschmieren, räumt popowackelnd ein, dass das Label die Briten auch flugs fallenlassen könnte und dass das Musikerdasein im Grunde ein doofer Scheißjob ist und nicht das, was der Titel behauptet. Bis es so weit ist, gilt: "We like criminals when criminals are treatin' us kind." Warum nicht, wenn sich das genauso toll zupieksende "The undertow" gerade Fragen wie "Who made that decision for you?" oder "What's the guilt worth when you do nothing with it?" gestellt hat. Und auch um Post-Punk kommt man nicht herum.
Alleine dank Ryan Needhams schlankem Bass und der Gitarre, die Sam Shjipstone zwischen den kompakten Rhythmen ätzen und klirren lässt. Besonders fies knatscht sich die Sechssaitige durch das stoische "Fizzy fish", ehe sie den Beatbox-Brocken "Petroleum" zum Schluss im Tempo einer Kreischsäge zerhackt. Einmal geben Yard Act auf "Where's my Utopia?" dann aber doch die Posterboys – im wunderbaren "When the laughter stops", einer Pop-Wuchtbrumme mit Gastvokalistin Katy J Pearson, wobei die todsicheren Hooks galant darüber hinwegtäuschen, dass von großen Ambitionen am Ende nur ein Misthaufen bleibt – rein textlich gesehen natürlich. James Smith dazu: "So what the fuck was I wondering what wankers would think of album two?" Nur das Beste, James, nur das Beste. And for those of you who still think they're from England: They are. Yeah.
Highlights
- We make hits
- The undertow
- Dream job
- When the laughter stops (feat. Katy J Pearson)
Tracklist
- An illusion
- We make hits
- Down by the stream
- The undertow
- Dream job
- Fizzy fish
- Petroleum
- When the laughter stops (feat. Katy J Pearson)
- Grifter's grief
- Blackpool illuminations
- A vineyard for the North
Gesamtspielzeit: 43:23 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Glufke Postings: 1042 Registriert seit 15.08.2017 |
2024-04-23 14:39:56 Uhr
Bisher mein Album des Jahres. @Skinner das macht Vorfreude! Sehe sie am Freitag im Nijmegen. |
Skinner Postings: 71 Registriert seit 13.01.2020 |
2024-04-23 12:46:33 Uhr
Finde das Album auch super und das Konzert in Berlin war grandios, überzeugen kann man sich z.B. bei dieser unglaublichen live-Perfomance des wünschönen Closers:https://www.youtube.com/watch?v=obB02SdVkcg&list=RDL29ctb5B-s0&index=2 |
Hierkannmanparken Postings: 2116 Registriert seit 22.10.2021 |
2024-03-04 09:22:11 Uhr
Die Substanz steckt dann im Storytelling, so mein Ersteindruck. Mir gefällt's erstmal, erinnert mich an The Avalanches |
Gordon Fraser Postings: 2779 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-03-01 17:04:53 Uhr
Weniger hibbelig? Neben Schwitz-Beats, synthetischen Streichern und wild reingeschnittenen Skits bleibt da für mich oft nicht viel Substanz übrig - vor allem kaum Hooks. Mir ist das alles viel zu nervös, und das geht zu Lasten der Songs. So der erste Eindruck zumindest.Die Rezi liest sich übrigens wie sich das Album anhört. ;) |
Peacetrail Postings: 4129 Registriert seit 21.07.2019 |
2024-03-01 00:32:42 Uhr
Schneller Ersteindruck: Mehr Geschichtenerzählung und weniger Disco als beim (schönen) Debüt, und weniger hibbelig, was sehr positiv ist. Ist aber nur erstes Skippen, aber das Album werde ich in den nächsten Wochen öfter hören. |
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Referenzen
Folly Group; Foals; The Fall; Sleaford Mods; Gorillaz; Blur; DRC Music; Talking Heads; LCD Soundsystem; !!!; The Rapture; The Streets; Jamie T; Benefits; Working Men's Club; Andrew Weatherall; The Asphodells; Beastie Boys; Beck; Fun Boy Three; The English Beat; General Public; Fine Young Cannibals; Ian Dury And The Blockheads; Public Image Ltd.; Bodega; Pottery; Egyptian Blue; Courting; Sports Team; Idles; Shame; Fontaines D.C.; The Murder Capital; Italia 90; Life; TV Priest; Treeboy & Arc; Dry Cleaning; Kae Tempest; Billy Nomates; Public Body; Black Midi; Squid; Heavy Lungs; Viagra Boys; The Clash; Protomartyr; Joy Division; Bloc Party; Pulp; XTC; Franz Ferdinand; The Strokes; Arctic Monkeys; Iceage; We Are Scientists; Art Brut; Oasis; The Jam; Geese; Cola; Omni
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