Gen And The Degenerates - Anti-fun propaganda

Marshall / FUGA
VÖ: 23.02.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Mal im Ernst jetzt
Beginnen wir mit einer Warnung: Der Titel des Debütalbums "Anti-fun propaganda" von Gen And The Degenerates ist nämlich, grob gesagt, ein Etikettenschwindel. Will heißen: Spaß ist nicht verboten, sondern wird unbedingt verlangt und eingefordert! Die fünfköpfige Band aus Liverpool schickt sich unter Schirmherrschaft von Frontfrau Genevieve Glynn-Reeves nämlich an, locker-flockig und frech die (Post-)Punk-Landschaft Großbritanniens aufzumischen. Jene Einordnung dient trotz urklassischer Instrumentierung und Sounds jedoch bloß als grobe Schublade – Genre-Wände werden hier nämlich zertrümmert oder schlichtweg weggetanzt. Da macht schon der explosive Opener "Kids wanna dance" unmissverständlich klar: Wenn die Welt so dermaßen im Eimer ist, wie sie ist, bleibt der Generation Z schließlich gar nichts anderes mehr übrig als zu tanzen, und man kann ihr kaum übelnehmen, dass sie nur noch darauf Bock hat. No future? Aber wenigstens Spaß dabei!
Anstatt allzu politisch zu werden, widmen sich Gen And The Degenerates eher sozialkritischen und persönlichen Themen. Wie im zackigen "Girls!", das die männliche Erwartungshaltung an Dating-Partnerinnen aufs Korn nimmt und gleichzeitig eine Hymne auf gleichgeschlechtliche Anziehungskraft anstimmt. Genauso wichtig allerdings ist es, das Smartphone einmal auszuschalten, vor die Tür zu gehen, einen Baum zu umarmen und die echte Welt zu erfahren: "That's enough internet for today" liefert genau den im Titel beschworenen Appell und mausert sich zum sowohl lustigen als auch wuchtigen Highlight. "Celebrities are not your friends / Influencers are not your friends / Kim Kardashian is definitely not your friend / She literally wouldn't care if you died!" – so trocken wie wahrheitsgemäß, und dazu braucht es nicht mal eine großartige Melodie.
Wenn sich Glynn-Reeves in "All figured out" nach den Vorzügen eines bürgerlich angepassten "domestic housewife"-Daseins samt zueinander passender Tupper-Töpfe im Schrank sehnt, kann man sich das Schmunzeln nicht länger verkneifen. Das ist zumindest etwas Vernünftiges! Aber in seiner ironischen Brechung natürlich auch kein ernstzunehmender "Plan B" – der nämlich entpuppt sich eher als kleine und feine Folk-Fingerübung, die über den stürmischen Küsten der Insel verhallt. Wenn schließlich "Jude's song" samt Beatles-Referenz und Piano-Backup zu einer ausgewachsenen, hochmelodischen 70s-Rock-Oper mutiert, kommt das bei dem Stil-Potpourri der Band alles andere als überraschend.
Der Groover "Famous" träumt von der großen Romanze mit der Angebeteten, wenn man erst einmal verdienterweise berühmt geworden ist, die Musikindustrie-Sezierung "Big hit single" entlarvt diese Idee aber direkt im Anschluss als Luftschloss. Im mit glitzerndem Synthie-Geblubber unterlegten "Post-cool" bringt die Band ihr Mission Statement schlussendlich nochmals direkt auf den Punkt: "Oh my God, it's like supposed to be ironic / Do you not get it?" So richtig angepisst sind Gen And The Degenerates selten, sonst bekämen sie nämlich bestimmt auch Ärger mit den Labelmates Dream Nails. Aber mit ihrem lakonisch-zynischen Humor und ohne Blatt vor dem Mund bereichern sie den Punk-Zirkus auf der Insel um einen weiteren gelungenen Beitrag.
Highlights
- Kids wanna dance
- That's enough internet for today
- All figured out
Tracklist
- Kids wanna dance
- Girls! (feat. Uninvited)
- Anti-fun propaganda
- That's enough internet for today
- All figured out
- Plan B (Interlude)
- Famous
- Big hit single
- Post-cool
- Jude's song
Gesamtspielzeit: 34:28 min.
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Referenzen
Dream Nails; Sprints; Priests; Savages; ARXX; Porridge Radio; Goat Girl; English Teacher; Screaming Females; Le Tigre; Bodega; New Pagans; Just Mustard; Shopping; Yeah Yeah Yeahs; Amyl & The Sniffers; Dream Wife; Billy Nomates; Dilly Dally; Big Joanie; Girlpool; Sorry; Bratmobile; Vial; Mobina Galore; Lime Garden; Wet Leg; Snapped Ankles; The Julie Ruin; Dry Cleaning; The Distillers; Sleater-Kinney; Bikini Kill
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