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Folly Group - Down there!

Folly Group- Down there!

So Young / Believe
VÖ: 12.01.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Die Höhlenfahrt

"There is no softer bedspread / Than the ground beneath me / So if I choose to lay here / Do not attempt to wake me." Das Debütalbum von Folly Group kennt nur eine Richtung und deshalb heißt es auch gleich so: "Down there!" Das kryptische Cover ist keine abstrakte Kunst, sondern soll ein an zehn wichtigen Punkten Londons orientiertes Höhlennetzwerk darstellen – dabei findet der größte Dreck doch an der Oberfläche statt. Der Vierer aus der britischen Hauptstadt passt perfekt in die Mitte der 2010er-Jahre von Idles und Co. losgetretene Welle angepisster Post-Punk-Bands, wobei er für Genre-Grenzen mindestens so viel Verachtung wie für Torys übrighat. Der Opener "Big ground", aus dem oben zitierte Zeilen stammen, flext bereits eindrucksvoll mit der Stilpalette: Gang-Shouts knallen auf einen klapprigen Industrial-Beat, ehe sie per sauber gerifftem Dance-Punk auf einen Noise-Kollaps zusteuern, nach dem die Party erst so richtig losgeht. Auf der ganzen Platte verdrahten Folly Group die verkohlten Trümmer der Nuller-Indie-Disco mit TripHop, afrokubanischen Rhythmen und diversen Fundstücken aus dem Krach-Abgrund. Man stelle sich David Byrne als von Brexit und gescheiterter Sozialpolitik desillusionierten Gen-Z-Londoner vor und kann ungefähr erahnen, wie sich diese misanthropisch-tanzbaren 36 Minuten gestalten.

Dennoch sind Folly Group weit von der Resignation entfernt. "I'll do what I can", versichert Drummer und Lead-Vokalist Sean Harper gleich nach dem Eröffnungsstück – und tatsächlich mobilisiert der gleichnamige Song jedes lebendige Bein, indem er nach einem Jangle-Pop-Intro aus der Hölle mit wuchtigen Drums und catchy Hooks die dunkelsten Ecken der Achtziger ausleuchtet. "Bright night" setzt im Refrain lieber auf den Kontrast von Leisetreterei und Wut-Explosion, ohne dabei an Drive zu verlieren. Was der Band auf textlicher Ebene nicht nur in diesem Track ausnehmend gut gelingt, ist die Verschränkung von Persönlichem und Politischem, das Bewusstsein dafür, wie stark die mentale Gesundheit unter prekären Lebensumständen leiden kann. Maßgeblich für diesen Dualismus ist womöglich, dass neben Harper auch Gitarrist Louis Milburn als Texter und Sänger agiert. In "East flat crows", einem brodelnden Großstadt-Lament, treten beide in einen Dialog, der sich zur alptraumhaft monotonen Spirale steigert. Dem elektronischen Blitzfrost von "Freeze" stellt sich Milburn alleine entgegen und sorgt dafür, dass der Song zwischen perkussiver Nervosität und dissonanten Saiten auftaut.

Jener Track steht im Zentrum der besten Phase des Albums, eingeleitet durch die Single "Strange neighbour": den hibbeligen Talking-Heads-Nachkommen, der seinen Eltern am ähnlichsten sieht und zusätzlich ein paar mathige Gitarren-Kolibris wie Foals zu "Antidotes"-Zeiten aufscheucht. "Pressure pad" nimmt mit seinem Shoegaze aus dem Abwasserkanal das Momentum mit, bevor die dreckigen Klangfluten in "Nest" versickern. Hier nehmen Folly Group zum ersten und einzigen Mal merklich das Tempo raus, bohren in dieser fünfminütigen, von klirrenden Synths durchsetzten Hypnose jedoch so tief wie nirgendwo sonst. Wenn das zerklüftete "New feature" im Anschluss die Atmosphäre wieder einreißt, ist das eine dieser kleinen Macken, die einem sehr guten Erstwerk noch den Sprung zur Meisterklasse verwehren – doch solange das Vereinigte Königreich nicht komplett kollabiert, haben Harper und Co. noch genug Zeit, ihre Höhlenforschung im Londoner Untergrund fortzusetzen oder vielleicht sogar zu neuen Koordinaten aufzubrechen. Nach "Down there!" muss es ja auch irgendwann wieder aufwärtsgehen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Strange neighbour
  • Pressure pad
  • Nest

Tracklist

  1. Big ground
  2. I'll do what I can
  3. Bright night
  4. East flat crows
  5. Strange neighbour
  6. Freeze
  7. Pressure pad
  8. Nest
  9. New feature
  10. Frame

Gesamtspielzeit: 36:15 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Gordon Fraser

Postings: 2764

Registriert seit 14.06.2013

2024-02-23 07:41:48 Uhr
Ganz interessant, danke für die Rezi.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28244

Registriert seit 08.01.2012

2024-02-21 22:04:18 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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