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Declan McKenna - What happened to the beach?

Declan McKenna- What happened to the beach?

Tomplicated / Columbia / Sony
VÖ: 09.02.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Aus allen Nähten

"The crime is high / And so am I": Declan McKenna ist irgendwann zwischen "Zeros" und heute vermutlich in den großen Kessel mit der psychedelischen Pilzrahmsuppe gefallen, die im Plattentests.de-Hauptquartier eigentlich aus gutem Grund streng unter Verschluss gehalten wird. Wie sonst soll man sich erklären, was auf "What happened to the beach?" los ist – oder eher: was nicht los ist? Die Vorschusslorbeeren, die der Engländer einst für seinen Glam-infizierten, durchgetakteten und dick aufgetragenen Indie-Rock überall entgegengeschmissen bekam, und die damit einhergegangenen Superstar-Prophezeiungen interessieren ihn nicht länger die Bohne. McKennas drittes Album, das erste auf eigenem Label, kloppt Eingängigkeit sowie edle "Stimme einer Generation"-Posen nämlich ganz ungeniert in die Tonne und macht lieber wirres, bewusstseinserweiterndes Zeug. The kid does obviously not want to come home.

Schon die Vorab-Single "Sympathy" zwischen Elton-John-Grandezza und Pomp-Britpop hat Künstlerisches vermuten lassen – die zweite Hälfte des Songs ist einfach eine einzige Coda, die die gängigen Pop-Regeln gekonnt ignoriert. Am ehesten nach den alten Tagen klingt noch das tolle "Nothing works", bleibt catchy und einnehmend, braucht dazu aber auch nur verzerrten Bass und ein One-Note-Piano. Der Rest mäandert zielbewusst und schlägt zahllose Haken, hat andere Ambitionen als schnelle Hits für die Indie-Playlist nachzuliefern oder gar verbissen bedeutungsschwangere Protest-Songs zu kreieren. Das entwickelt seinen ganz eigenen, unerwarteten Charme: In "Mulholland's dinner and wine" werden so lange bunte Pillen geknuspert, bis die Fanfaren des Himmels erklingen, aber McKenna ist sich den Risiken seiner nächtlichen Streifzüge bewusst: "It's fucking dangerous to get what I want." Eine vernünftige Erkenntnis angesichts des schräg-hippiesken "I write the news" mit seinem Sprechgesang und des schräg-folkigen Semi-Openers "Wobble", die ihre Harmonien zunächst im Dickicht verstecken und dann entschlüsselt haben möchten. Weniger entdeckungsfreudige Hörer*innen könnten sich hier durchaus anfangs vor den Kopf gestoßen fühlen.

Zwischen Karibik-Feeling und einem undurchdringlichen Gewusel an Sounds und Samples schält sich der zutrauliche Refrain von "Elevator hum" deutlicher heraus: "I want you to believe / You're just like me." Besungen werden nicht mehr nur britische Arbeiterklasse-Milieus, Markenklamotten-tragende Hooligans und der Erzfeind Kapitalismus, sondern auch zwischenmenschlich-kryptische, gern abstraktere Themen. Zum Beispiel "cheesecake junkies in constant grief" wie in der wunderbar seltsamen, außerirdischen Synthie-Spielerei "Breath of light". Nicht nur hier hört man, dass der 25-Jährige auf Album Nummer drei in erster Linie den eigenen Spaß im Blick hat. Vor seiner völlig schmerzfreien Experimentierfreudigkeit, die er ebenso wieder mit einer ganzen Armada von Stimmverzerrern und vereinzelten Orchester-Anklängen auslebt, kann man nur den Hut ziehen. Und dann auch ein Auge zudrücken, wenn "Honest test" außer dem fast konsequent durchgezogenen Falsett gar nicht mal so viel Spannendes zu bieten hat. Das schunkelnde "Mezzanine" mit seinen kratzbürstigen Bläsern etwa fällt da ansteckender aus.

Die dreiteilige Interlude "Mystery planet" täuscht schließlich an, wie "What happened to the beach?" als Ganzes geklungen haben könnte, planscht noch eine Extra-Runde in 70s-Rock-Gewässern, und auch "The phantom buzz (Kick in)" kostet sein Glam-Riff genüsslich auf Repeat bis zum Maximum aus. Ansonsten aber erfindet McKenna sich gänzlich neu, kappt alle Drähte nach früher und reißt vor allem die "Teenie-Star"-Poster kurzerhand selbst von den Wänden. Auf Gigs verpasst der Londoner es demnach auch nicht, seinen Breakthrough-Hit "Brazil", den er als 16-Jähriger geschrieben hat, voller Abscheu anzukündigen. Er wünsche allen viel Spaß damit, selbst aber hasse er den Song. Radikaler von der jugendlichen Unschuld emanzipieren als mit solchen Statements und dieser verrückten Platte kann man sich eigentlich nicht mehr.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Elevator hum
  • Mulholland's dinner and wine
  • Breath of light
  • Nothing works

Tracklist

  1. Mystery planet pt. 1
  2. Wobble
  3. Elevator hum
  4. I write the news
  5. Sympathy
  6. Mulholland's dinner and wine
  7. Breath of light
  8. Mystery planet pt. 2
  9. Nothing works
  10. It takes 4
  11. The phantom buzz (Kick in)
  12. Honest test
  13. Mezzanine
  14. It's an act
  15. 4 more years
  16. Mystery planet pt. 3

Gesamtspielzeit: 43:51 min.

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