Die Brennenden Wälder - Wenn alles längst gesagt ist, werden wir immer noch da sein

BrillJant / Membran
VÖ: 09.02.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Nichts ist einfach
Interessante Frage: Wenn sich eine Band namens Der Rest auflöst, was bleibt dann von ihr übrig? Nicht viel, möchte man meinen. Falsch gedacht: Der Rest von Der Rest liegt nicht etwa in Trümmern, sondern hat am Schlagzeug lediglich Jan Weiler für Emanuel Bisping eingewechselt und nennt sich nunmehr Die Brennenden Wälder. Das mit den Trümmern ist dennoch Thema: Betrachtete der Vorläufer die Gesellschaft durch eine maximal dunkelgraue Ich-gegen-Euch-Brille, riskieren Die Brennenden Wälder einen, sagen wir, globaleren Blick. Schon das Debüt "Schwer?" grantelte 2022: "Wohlstandskinder, Wohlstandskinder / Wie schön, die Welt in den Arsch zu ficken! / Immer nur öko, öko, öko / Und dann mit dem Jet in die Tropen." Motto: Wir kleben am Klima, wenn die Welt knusprig wird. Aber wer hat Recht? Und wer muss weg? Alles nicht so einfach.
Auch nicht auf dem zweiten Album der Hamburger mit dem arg wortreichen Titel, das sich dann allerdings bis auf eine Ausnahme angenehm kurz fasst. Länger als zweieinhalb Minuten brauchen Die Brennenden Wälder nämlich nicht, um ihre meist unsanft rockenden Ansichten zu Erderwärmung, menschlicher Vereinzelung und Generationen-Kluft unters meist gleichgültige Volk zu bringen. Bei den Berlinern Mutter hieß das einst "Die Alten hassen die Jungen, bis die Jungen die Alten sind", Gitarrist und Sänger Philipp Taraz legt noch einen drauf: "Lasst Euch doch auch mal von den Kindern helfen." Und der gleiche Satz noch einmal mit Alten statt Kindern – gleiches (Un-)Recht für alle. Oder: "Weil alles in Flammen steht, weil andere bei Dir Feuer legen / Gefangen in einer dummen Situation in dieser drögen Evolution? / Dann geht es Dir so wie mir ständig." Willkommen im Club.
Wo sich der Sound nicht substanziell von Der-Rest-Fegern wie "Deine Seele ist mein Bett" unterscheidet: Das Tempo ist hoch, den zweiten Teil des Begriffs Post-Punk darf man ruhig groß schreiben, Taraz' belegter, scheinbar ungerührter Bariton verbreitet ähnlich wenig Hoffnung wie die pessimistischen Songs. Neu im Angebot: akzentuierte Keyboards, die dem präzisen, riffgewaltigen Opener "Neue Fallen" wie Plastik-Fanfaren in den Allerwertesten pieksen oder als synthetischer Flauschteppich das kraftvolle Stakkato des großartigen "So wie mir ständig" grundieren, damit man wenigstens weich fällt. Keinerlei Kuscheligkeit hingegen berücksichtigen der dicht gewebte Indie-Rocker "Ich habe keine Worte mehr" oder das mit Durst, Dürrekatastrophe und dem Zorn der Nachkommen drohende "Die Teufel von gestern". Irgendwo kokelt hier immer etwas.
Ach ja: die Ausnahme. Die besteht aus vier Tracks, die das Trio zu einem einzigen elfminütigen zusammenfasst. Das Titelstück und "Ein Schrei in der Stille" fungieren dabei als unbehauene Songskizzen und gehen fließend in zwei rein instrumentale "Endlos"-Interludes über, die zu motorischen Beats, Jeannine Max' knörmelndem Bass und kosmischen Electronics über den Flammen Krautwickel rösten. In jeder Hinsicht ein Ausreißer – aber "Warum nicht"? Kurze, ruppige Kracher wie den gleichnamigen, punkigen Bolzen haben Die Brennenden Wälder bereits zur Genüge am Start. Genau wie Taraz gallige Zeilen der Sorte "Mit Feuer als Waffe die Großen anfallen / Ich bin oft hingefallen, aber jetzt kann ich rennen und dabei die Fäuste ballen." Wenn alles längst gesagt ist, der ideale Schlachtruf für die Generation Fridays no future. Mit vorzüglichem Soundtrack.
Highlights
- Neue Fallen
- So wie ich immer
- Ich habe keine Worte mehr
Tracklist
- Neue Fallen
- Es tut mir Leid
- Wenn alles längst gesagt ist, werden wir immer noch da sein – Endlos – Ein Schrei in der Stille – Endlos2
- So wie mir ständig
- Ich habe keine Worte mehr
- Die Teufel von gestern
- Warum nicht
- Alana
Gesamtspielzeit: 28:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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myx Postings: 5376 Registriert seit 16.10.2016 |
2024-02-13 22:24:56 Uhr
Hab mich da gerade durchaus fasziniert durchgehört, gefällt! |
Hier stand Ihre Werbung Postings: 2147 Registriert seit 25.09.2014 |
2024-02-08 05:33:01 Uhr
Starker Bandname, die Rezension macht Lust, mal reinzuhören. Sie liest sich auch besser als 7/10. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27979 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-02-07 21:17:21 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Der Rest; Billy Zach; Geisterfahrer; Fliehende Stürme; EA80; Klotzs; Nagorny Karabach; Chaos Z; Berlin 2.0; Die Arbeit; Leo Hört Rauschen.; Human Abfall; Belgrad; Gewalt; Die Nerven; Karies; Messer; Isolation Berlin; Diät; Kontrolle; Plattenbau; Das Blanke Extrem; Schubsen; Die Wände; Love A; Illegale Farben; Turbostaat; Duesenjaeger; Leto; Schneller Autos Organisation; Grüner Star; Joy Division; Warsaw; TV Cult; Black International; Red Lorry Yellow Lorry; Wipers; Wire; Gang Of Four; The Gun Club; The Sisters Of Mercy; The Birthday Party; Crows; Preoccupations; Heavy Lungs; The Murder Capital; Fontaines D.C.; Das Feuilleton; Die Erde; Die Art; Wissmut; Sandow; Der Fluch; Die Strafe; Die Skeptiker; 1000 Robota; Ostzonensuppenwürfelmachenkrebs; Mutter; Fehlfarben; Boxhamsters; Fluppe; Abwärts
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- Die Brennenden Wälder - Wenn alles längst gesagt ist, werden wir immer noch da sein (3 Beiträge / Letzter am 13.02.2024 - 22:24 Uhr)