Newdad - Madra
Fair Youth / Atlantic
VÖ: 26.01.2024
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
Blauer Schwamm
Manchmal reicht es, ein Albumcover zu sehen, und schon hat man eine ziemlich genaue Idee, um was es musikalisch gehen könnte. Das zersplitterte Puppengesicht auf dem Debütalbum der irischen Band Newdad ist so ein Cover, selbst wenn man die sehr guten zwei Vorgänger-EPs nicht kennt. Der feminine Schmerz von Sängerin Julie Dawson zieht sich durch elf selbstoffenbarende Songs, die zwar ganz klar die Perspektive ihrer Hauptfigur und ihrer Beziehungen widerspiegeln, aber mit ihrer Mischung aus Teenage Angst, Depressionen und Neurosen trotzdem universell funktionieren – sollte man nicht gerade eine traumhafte Jugend ohne Kummer gehabt haben.
Auch der musikalische Unterbau, der sich unter anderem stilvoll am Shoegaze und Grunge der 90er bedient, trägt mit seiner Subtilität eine Sehnsuchtsmusik in den Raum, die es so in jeder Generation gibt und geben muss. Sehnsucht nach Hilfe und Erlösung wie im umherirrenden "Where I go", das sein Ziel nicht kennt: "Unwanted touch and whispers in my ear / You all made me want to fucking disappear." Gerade in der ersten Albumhälfte wiegt die Depression schwer, der Frust manifestiert sich in Disharmonien, unscharfen Flächen und einer zerbrechlichen und distanzierten Performance von Dawson. Genügend Nuancen in der Produktion wie kleine, feine Background-Gitarrenmelodien verorten "Madra" dabei leicht spürbar in der Jetztzeit.
Immer wieder lockert die Schwere ihre Umklammerung ein wenig, ohne vollständig loszulassen. "In my head" lässt die Drums anziehen, traut sich trotz Traurigkeit einen sanften, eingängigen Refrain zu und säuselt bittersüß: "Cause I´m buried under blankets / Descending into madness / And there´s no escape from the thoughts burned in my brain." Erstmals auf der Platte liebäugeln Newdad zusätzlich mit Dream-Pop, dem sie in der zweiten Albumhälfte noch mehr die Tür öffnen. Und auch, wenn man für die direkten Texte eher keinen Literaturschlüssel braucht, wenn sie übers Abbeißen und Ausspucken, vom Schwimmen und Untergehen singen, finden sich immer wieder auch besondere Zeilen, etwa wenn Dawson schmachtet: "Falling asleep to the sound of rain / I swear I heard it trickle your name." Und manchmal kann verzweifelte Liebe auch so wunderbar einfach auf den Punkt gebracht werden: "I wish you were the monster under my bed / And not the one I want in it."
Dass die düsteren Songs mit ihren Fuzz-Guitarren und tiefen Basslines genauso wenig Umwege gehen wie die leichteren Stücke, kommt einem Album zugute, dass sich gar nicht viel trauen muss, um trotzdem zu beeindrucken. Das Quartett aus Galway erfindet in den gut 40 Minuten auf "Madra", was auf Irisch übrigens Hund bedeutet, weder etwas neu, noch haben sie den einen erkennbaren Überhit dabei. Trotzdem wandeln sie so sicher auf den Spuren von Slowdive, The Cure und Konsorten, dass man ihr Debütalbum eher als Absichtserklärung verstehen sollte. "Madra" ist ein großer blauer Schwamm, der einen einsaugen und in dessen Melancholie man es sich bequem machen kann.
Highlights
- Angel
- In my head
- Dream of me
Tracklist
- Angel
- Sickly sweet
- Where I go
- Change my mind
- In my head
- Nosebleed
- Let go
- Dream of me
- Nightmares
- White ribbons
- Madra
Gesamtspielzeit: 41:41 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Kojiro Postings: 4192 Registriert seit 26.12.2018 |
2024-06-27 09:13:16 Uhr
Sind demnächst für ein paar Deutschland-Gigs hier. Schade, dass München wieder ausgelassen wird. |
Immermusik Postings: 931 Registriert seit 04.11.2021 |
2024-06-27 06:45:30 Uhr
Gerade die Waves EP gehört und die Stimme hat mich da noch mehr an Harriet Wheeler erinnert. Hach schön! |
Arne L. Postings: 1383 Registriert seit 27.09.2021 |
2024-02-27 12:56:48 Uhr
Das mit den Wertungen ist natürlich immer irgendwie auch eine Momentaufnahme. Hab das Album diese Woche wieder angemacht und die Halbwertszeit ist top. Bin jetzt auch bei einer 8/10 und wird auf jeden Fall in meiner Jahresliste auftauchen. |
McFoxx Postings: 22 Registriert seit 13.12.2023 |
2024-02-01 18:11:42 Uhr
Danke für die Rezi. Bisher meine Lieblingsplatte in diesem Jahr (na gut, nach Marika Hackman), 8/10. Auch die EP Banshee von 2022 ist sehr hörenswert. |
musie Postings: 3995 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-02-01 10:56:41 Uhr
Die Singles fand ich grossartig, das Album kenne ich noch nicht... |
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Referenzen
Slowdive; The Cure; Beabadoobee; Just Mustard; Curve; Pixies; Garbage; New Order; Wolf Alice; Hole; Breeders; Garbage; Ride; Spirit Of The Beehive; Warpaint; Cocteau Twins; Nirvana; Softcult; Black Honey; Mazzy Star; Fontaines D.C.; Julien Baker; Now, Now; Bleach Lab; English Teacher; Pillow Queens; Porridge Radio; The Murder Capital; BDRMM; Widowspeak; Girlhouse; DIIV; Wild Nothing; Dream Wife
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- Newdad - Madra (10 Beiträge / Letzter am 27.06.2024 - 09:13 Uhr)