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Tapir! - The pilgrim, their God and the king of my decrepit mountain

Tapir!- The pilgrim, their God and the king of my decrepit mountain

Heavenly / PIAS / Rough Trade
VÖ: 26.01.2024

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Komm! Komm mit!

Grasgrüne Hügel, einsame Wanderer, endlose Weiten: "The pilgrim, their God and the king of my decrepit mountain" könnte nicht nur aufgrund seines Titels genauso gut ein schinkiger Fantasy-Roman sein wie das Debütalbum einer sechsköpfigen Alt-Folk-Band aus dem Süden Londons. Auf den ersten Blick zumindest. Rechnet man aber zunächst mit Flöten, Elfen, Kobolden und Töpfen voller Gold, kommt bald die Erkenntnis: Flöten ja, bierernste Theatralik jedoch bleibt bloße Befürchtung. Die Gruppe Tapir! hat was von Hippiekommune oder mindestens von meterdick zugenebelter Student*innen-WG, die zwar ihre Musik mit dem nötigen Ernst angeht, über sich selbst aber durchaus auch schmunzeln kann. Ihre erste volle Platte besteht aus drei separat veröffentlichten EPs beziehungsweise Akten, die hintereinander die vollständige Geschichte einer sagenumwobenen Figur namens Pilgrim in einer "The nether" genannten Anderswelt ergeben (ob damit der ähnlich sagenumwobene Plattentests.de-Thomas gemeint ist, konnte zu Redaktionsschluss noch nicht aufgeklärt werden). Das "Indie Cindy"-Prinzip also, so weit, so gut. Tapir! sind jedoch jünger und frischer als Pixies: Genre-Konventionen werden nicht bedient, obwohl die Akustikgitarre das Zentrum der meisten Stücke bildet.

Tapir! reichern ihren abseitigen Folk-Begriff nämlich mit unzähligen anderen Zutaten an und brechen ihn hörbar auf. Mit seinem prägnanten Kontrabass zum Beispiel landet "The nether (Face to face)" relativ eindeutig im Kammerpop, auch Jazz-, Ambient- und Postrock-Spuren schimmern immer wieder durch im dichten Sound-Wald des britischen Kollektivs. Die Band, die unter anderem auch schon den Support für Black Country, New Road oder Explosions In The Sky gegeben hat, ist breit genug aufgestellt, um sich nicht auf Altbewährtes zu verlassen. Vor allem der Mittelteil, also Akt Nummer zwei, überzeugt hier auf ganzer Linie: "Broken ark" verbaut Thom-Yorke-artigen Vortrag in postrockigen Klängen, in denen eine traurig-anklagende Pianofigur und herzzerreißende Streicher ihr Unwesen treiben. Das großartige "Gymnopédie", benannt nach einem Klavierstück des französischen Komponisten Erik Satie, lässt dann eine epochale Bläser-Armee antreten, während die Kopfläuse unseres Retters und Erlösers Herrn Jesu Christi besungen werden. Amen to that! Nicht nur hier übernimmt der krude Humor von Tapir! das Steuer.

Während "Eidolon" "nur" soliden melancholischen Singer-Songwriter-Standard mit Gastsängerin abspult, was in "Untitled" später zum ausgewachsenen Duett wird, glänzt gerade die Single "On a grassy knoll (We'll bow together)" mit einer umwerfenden Melodie. Eingängig wird es auch in "My God" gegen Ende: Ob damit möglicherweise Leonard Cohen gemeint ist? Es fehlt zumindest nicht viel Fantasie, um zwischen dem sturen Drumcomputer-Beat und der perlenden Gitarre die Originalversion des Gassenhauers "Hallelujah" herauszuhören. In den jeweiligen Intros der drei Akte berichtet ein vergleichbar alter und weiser Erzähler (gespielt von Kyle Field von Little Wings) dann von den neuesten Abenteuern der Figuren, die die Fantasy-Welt von Tapir! bevölkern. "The pilgrim, their God and the king of my decrepit mountain" wird so tatsächlich zur eskapistischen Auszeit von unserer ermüdenden Realität – auf die man sich definitiv erst einlassen muss. Gerade im epischen Closer "Mountain song", der sich ganz postrock-mäßig in einer mit Bläsern und Chören ungemein dicht ausstaffierten Coda verliert, fällt das allerdings nicht schwer, und man ist dem Sog der Londoner*innen vollständig erlegen. So geht gelungene Immersion – wie bei einem guten Buch eben.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • On a grassy knoll (We'll bow together)
  • Broken ark
  • Gymnopédie
  • Mountain song

Tracklist

  1. Act 1 (The pilgrim)
  2. On a grassy knoll (We'll bow together)
  3. Swallow
  4. The nether (Face to face)
  5. Act 2 (Their God)
  6. Broken ark
  7. Gymnopédie
  8. Eidolon
  9. Act 3 (The king of my decrepit mountain)
  10. Untitled
  11. My God
  12. Mountain song

Gesamtspielzeit: 44:36 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

maxlivno

Postings: 2929

Registriert seit 25.05.2017

2024-11-30 22:24:12 Uhr
Das Konzert war sehr gut. Venue war ein kleiner Keller. Vorragt eine französische Sängerin auf englisch, die mit Gitarre, Synths, Keyboard und Pedalen alleine auftrat und daraus einiges gemacht hat. Tapir! waren zu sechst auf der kleinen Bühne sehr nah aneinander gerückt. Die Co-Sängerin Emily wurde von einer Francesca vertreten, weshalb wurde nicht gesagt. Gespielt haben sie knapp über einer Stunde, leider nicht den Closer des Albums, dafür alle Singles seit Albumrelease + einen unveröffentlichten Song. Ike Gray's Gesangsfähigkeiten waren wahrscheinlich das Highlight des Konzerts. Ist schon absurd was für eine Range Ike hat.

Das Publikum war recht angenehm, mal abgesehen der paar üblichen last-minute Dränglenden. Band-unabhängiges Highlight war ein mindestens 70-Jähriger älterer Herr, der sich das Konzert fein angezogen in der zweiten angesehen hat und sehr glücklich aussah. Ich hätte ihn gern gefragt wie er Tapir! entdeckt hat, aber dafür ist mein französisch leider viel zu schlecht

saihttam

Postings: 2582

Registriert seit 15.06.2013

2024-11-29 23:41:26 Uhr
@maxlivno

Wie war denn eigentlich das Konzert in Paris?

myx

Postings: 5388

Registriert seit 16.10.2016

2024-10-30 13:00:38 Uhr
Das Album hat mich auch auf Anhieb fasziniert, ist im Laufe des Jahres von anderen Lieblingsalben aber etwas nach hinten verdrängt worden. Aber immer noch nah an den Top Ten dran.

maxlivno

Postings: 2929

Registriert seit 25.05.2017

2024-10-30 12:36:40 Uhr
mich hat's eigentlich direkt beim ersten Hören verzaubert und hat sich bis dato gehalten, für mich dementsprechend kein Grower

The Libertine

Postings: 251

Registriert seit 29.08.2022

2024-10-30 10:47:29 Uhr
Sorry Leute, aber hier bin ich raus. Die Stücke mit Emphase klingen wie alte Arcade Fire B Seiten und es gibt in den ruhigeren Stücken zwar ganz nette Momente, aber höchstens solides Songwriting. Bleibt ein ganz schönes Konzept und fantasievolle Songtitel. Aber mehr ist das nicht. Ist die Platte ein Grower? Hab sie jetzt 3 mal gehört.

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