Tom Odell - Black Friday

Virgin / Universal
VÖ: 26.01.2024
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Im Zweifel für den Zweifler
Georgie Somerville hat ein Leben verändert. Das britische Model heiratete im November 2023 nach drei Jahren Verlobungs- und Probezeit ihren Herzensmenschen: das ehemalige Tasten-Wunderkind Tom Odell. Odell ist seither glücklich. So heißt es zumindest. Ausgerechnet er, der lange mit Panikattacken kämpfte, der Bindungsangst und Selbstzweifel aus erster Hand kennenlernte und während eines Dates schon mal aus dem Klofenster geflüchtet ist. Die Feier im privaten Kreis soll laut den Boulevard-Spannern der Daily Mail ganz knorke gewesen sein. Ob bereits Kinder geplant sind? Schauen wir mal. Bloß sein neues Album "Black Friday" sollte der frischgebackene Ehegatte seiner Anvertrauten mal besser nicht zu bald vorspielen. Denn dem ist das junge Glück so wenig anzumerken, dass Ehe- und Paarberater bereits hellhörig geworden sein sollen. "We tried to make it work / But all you really needed / Was somebody else's love", klagt der ewig traurige Klimper-Poet in einem Stück. "The end" heißt ein anderes und handelt genau davon. Dazu gibt es maximal ein paar schüchterne Streicher-Arrangements, die Phil Spector zu wenig Wumms gehabt hätten. Ansonsten viel besungenes Leid, das anscheinend Leiden schaffte.
Odell ist damit endgültig vom Tasten-Pomp seiner frühen Hits weg und auf einem Minimalismus-Selbstfindungstrip angekommen. Ein Knackpunkt allerdings: "Black Friday" ist tendenziell so glaubwürdig wie ein FDP-Minister, der einen Ballermann-Hit über Steuererhöhung einsingt. Wo nimmt Odell das jetzt noch alles her? Ein Erklärungsversuch: Als er im Januar 2023 durch die Denmark Street am Rande des Londoner West End schlendert, hat er noch keinen Ring am Finger. Die Denmark Street ist so etwas wie der musikalische Herzschrittmacher Londons. Einst war sie das Zuhause unzähliger Labels und Aufnahmestudios, noch heute ist sie ein Hotspot für Musik- und Plattenläden aller Art. Schon die frühen Rolling Stones nahmen in der Denmark Street auf, die Sex Pistols haben hier sogar einmal gelebt – und Odell wurde genauso fündig. In einem Instrumenten-Laden erfüllte er sich nämlich einen Herzenswunsch: eine Martin-Akustikgitarre, nach der er bereits seit über zwei Schaltjahren gesucht hatte. Und die war der Anfang von allem, was auf seiner neuer Platte demnächst für Seufzer und Schnüffeltuch-Attacken sorgt. Das gilt auch für den millionenfach geklickten Titelsong, einen Klavier-meets-Streicher-Kuschler, den Odell vorab auf seine Fans losgelassen hatte. Ganz besonders für den.
"I want a better body, I want better skin / I wanna be perfect like all your other friends", greint Odell in diesem Titelstück, ganz der Selbstzweifler, den er hier noch immer gibt. Erst gegen Ende erhebt er seine Stimme, das Streicher-Ensemble schaltet kurz auf fortissimo – und gemeinsam spielen sie auf den Höhepunkt zu, der nicht nur Zweifel, sondern Selbstabrechnung ist: "It's all in my head, who do I trust? / I thought that you loved me, what is happening to us?". Auch Millionen von Klicks sind nicht immer geschmackssicher – hier jedoch sehr wohl. Eingestiegen ist Odell eine Nummer davor mit "Answer the phone", einem Picking-Intimus, der hin- und hergerissen scheint zwischen Beatles-Harmonien und der Feinfühligkeit von Elliott Smith. Auch das kann man mal machen, ohne von Fans oder Kritikern dafür verrissen zu werden.
Mittendrin agiert Odells Studio-Ensemble als Aufseher*innen: Die Damen und Herren mit den Violinen, Cellos und Kontrabässen geben auf ihn Acht, den Selbstzweifler mit seiner neuen Akustikgitarre. Wer weiß schon, was er sich antut, wenn man ihn ganz alleine lässt. Mit drei kurzen Solo-Tracks teilen sie die Platte in so etwas wie vier Etappen ein. Etappen, die nur von einem handeln: den Leiden des nicht mehr ganz so jungen Odell. Ursprünglich war stattdessen eine Gitarrenmusik-EP geplant. Was die Ensemble-Interludes genauso erklärt wie "Getaway (Voice note)", eine einminütigen Songskizze, in der Odell maximal Unverbindliches auf seiner neuen Lieblingsgitarre klampft. Trotzdem: Der Minimalismus im Selbstverdruss, er steht ihm meist nicht schlecht, dem Zweifler. Und wo er das alles noch hernahm, der Frischvermählte? Im Frühjahr 2023, als Odell durch die Denmark Street schlenderte und anschließend mit neuer Gitarre alte Leiden vertonte, da war etwas Entscheidendes noch nicht passiert: Georgie Somerville hatte noch nicht "Ja" gesagt. Und damit Odells Leben verändert.
Highlights
- Black Friday
- Parties
Tracklist
- Answer phone
- Black Friday
- Loving you will be the death of me
- The orchestra tunes up
- Spinning
- The end of the summer
- The orchestra takes flight
- Somebody else
- Parties
- The orchestra is feeling tense
- Nothing hurts like love
- Getaway (Voice note)
- The end
Gesamtspielzeit: 28:28 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Obrac Postings: 2593 Registriert seit 13.06.2013 |
2024-01-25 12:01:10 Uhr
Fand den nach dem Debüt und auch dem nicht so schlechten zweiten Album ganz gut. Das dritte war aber leider grottig. |
Thomas Mitglied der Plattentests.de-Chefredaktion Postings: 106 Registriert seit 12.06.2013 |
2024-01-25 11:56:05 Uhr
Daswohlwahr. Korrigiert, danke fürs Merken. |
foe Postings: 273 Registriert seit 10.06.2020 |
2024-01-24 21:37:49 Uhr
Heisst nicht Pacific. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28244 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-01-24 20:37:10 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Elton John; Billy Joel; Randy Newman; Ben Folds; Ben Folds Five; Brandon Flowers; Keane; Coldplay; OneRepublic; Seafret; Ed Harcourt; Fyfe Dangerfield; Guillemots; The Killers; Bastille; John Newman; The Fray; U2; James Bay; Hozier; James Morrison; Tom Gregory; James Arthur; Jamie Cullum; Paolo Nutini; SYML; Sam Smith; Adele; Birdy; Regina Spektor; Tori Amos; Jake Bugg; Luke Roberts; Passenger; James Blunt; Dean Lewis; Lewis Capaldi; Roo Panes; George Ezra; Vance Joy; Ben Howard; Tom Walker; L.A. Salami; Milky Chance; Alt-J; Cold Specks; Daughter; Angel Olsen
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