Gel - Only constant
Convulse
VÖ: 31.03.2023
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Neues aus der Anstalt
Diese Rezension hat 3384 Zeichen. Inklusive Leerzeichen. Die durchschnittliche Lesedauer beträgt etwa drei Minuten. Wer es eilig hat: Bitte hier Halt machen. Und stattdessen in der knappen Zeit bitte "Honed blade" und "Fortified" hören, die ersten beiden Songs auf "Only constant". Überzeugt? Dann den Rest gleich hinterher. Und dann wieder von vorn. Das Debütalbum des Quintetts aus New Jersey ist ein Volltreffer, präsentiert Hardcore auf der Höhe der Zeit. Dafür gab es allerorten großes Lob, und zwar vollkommen zu Recht. In einer guten Viertelstunde prügelt sich die Formation um Sami Kaiser, non-binäre*r Sänger*in, durch zehn Tracks, die von einer Ausnahme abgesehen ausnahmslos unter der Zwei-Minuten-Marke bleiben. Erst ganz am Ende gönnt sich "Composure" nämlich etwas Muße, um im Knistern und Rauschen auszufransen. Gut, die relative Kürze ist für diese Art der Musik nicht so ungewöhnlich. Und auch sonst unterscheidet sich "Only constant" von den vielen mittelguten bis guten Veröffentlichungen des Genres nicht grundlegend. Schon gar nicht musikalisch, was die üblichen Trademarks und Kniffe angeht. Alles da, Haken dran. Gel machen also nicht viel anders, aber manches besser. Aber was machen die überhaupt?
Schnitt. Das erste Demotape erschien 2018, ein zweites mit den Songs "Turbulence" und "Culmination" im Jahr darauf. Seither ist dessen Titel Programm: "Hardcore for the freaks" nennen Gel das, was sie da machen. Und dieser Hardcore hat Groove, schiebt und drängt, klingt dabei irgendwie oldschoolig und gleichzeitig modern. Welle um Welle peitscht nach vorn, wird schneller, Break, weiter geht's, Schluss. Nächster Song. Dazu die Aufforderung: Mach mit, lass Dich ein. "Slow down, abandon the notions / Open senses, go along with the motions." Das taugt als Ansage für den Moshpit, weist aber darüber hinaus. Es geht um größere Zusammenhänge, mithin ums Ganze, um die Szene und um das, was sie sein kann. Sein könnte. Hardcore als Ventil für Ängste und Aggression, eine Musik gewordene kollektive Urschreitherapie, die Subkultur als große Selbsthilfegruppe – so neu ist das alles nicht. Aber Gel füllen das Versprechen wieder mit Leben, darauf kommt es hier und jetzt an. Und sie verzichten dabei auf überstrapazierte Klischees und Mackerscheiße. Stattdessen: Inklusion. Sei eine*r von uns. Be part of the freaks.
Keine Mackerscheiße, aber selbstverständlich auch keine Hippie-Idylle. Nein, die Welt ist immer noch ein finsterer und kalter Ort, der Optimismus ist mühsam abgerungen. Und brüchig. "Composure" beschwört zwar einen Moment des persönlichen Friedens, wenn der Schmerz mit einem Mal verschwindet: "Envision the hurt that clings to your being / I feel it ascend into hot air." Aber das ist nur eine Seite dieses Albums, das munter zwischen Empowerment und Abfuck hin und her springt. "Betrayed, no brother of mine / Family is law / I am the crime", heißt es etwa wenig zuversichtlich in "Worn down". Entscheidend ist aber auch hier: Du bist nicht allein. Die Gemeinschaft mit den anderen Freaks setzen Gel auch performativ um – mit "Calling card", einem Interlude, zusammengebaut aus Sprachnachrichten von Fans. Damit ist "Calling card" der Track, der aus der Reihe tanzt, aber in der Gesamtarchitektur von "Only constant" durchaus seine Berechtigung hat. Und für den Rest dieses mitreißenden Energiebrockens gilt ohnehin: All killer, no filler.
Highlights
- Honed blade
- Attainable
- The way out
- Composure
Tracklist
- Honed blade
- Fortified
- Attainable
- Out of mind
- Dicey
- Calling card
- The way out
- Worn down
- Snake skin
- Composure
Gesamtspielzeit: 16:29 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
saihttam Postings: 2570 Registriert seit 15.06.2013 |
2024-01-08 18:05:30 Uhr
Die haben wohl letzten Frühling die Oetinger Villa ziemlich abgerissen. Ich hatte aber leider keine Karten mehr bekommen und habe die Band danach wieder vergessen. Vielen Dank für die Erinnerung, auch wenn Hardcore für mich eher live als auf Platte funktioniert. |
Eiersalat Postings: 1025 Registriert seit 08.01.2024 |
2024-01-08 17:36:30 Uhr
Samma was löscht ihr meinen Kommentar??? |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27875 Registriert seit 08.01.2012 |
2024-01-05 19:16:04 Uhr
Hoppla, danke. |
ToRNOuTLaW Postings: 762 Registriert seit 19.06.2013 |
2024-01-05 08:18:04 Uhr
Btw., in der Tracklist in der Rezi hat jemand bei 9. wohl ausversehen auf die Enter-Taste gehauen. Laut rateyourmusic sinds zehn Songs. |
ToRNOuTLaW Postings: 762 Registriert seit 19.06.2013 |
2024-01-05 08:09:44 Uhr
Bin erst vor ein paar Monaten auf Gel gestoßen. Es gibt einige Live-Videos mit wirklich gut produziertem Ton auf Youtube. Ich mache mir sonst nicht viel aus Hardcore, aber die Band hat einen starken Sound und ne tolle Energie, würde ich mir auf jeden Fall live ansehen. |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Scowl; Jivebomb; Cold Brats; War On Women; Petrol Girls; Team Dresch; Bikini Kill; Primitive Blast; Restraining Order; Comeback Kid; Modern Life Is War; The Lawrence Arms; Sharptooth; Defeater; Zulu; Pagan; Every Time I Die; Terror; Sick Of It All; Madball; A Wilhelm Scream; Cancer Bats; End It; Raised Fist; Bane; Blood For Blood; From Ashes Rise; Deutsche Laichen; H2O; Off With Their Heads; Strike Anywhere; Propagandhi; Against Me!; Hot Water Music; No Turning Back; Dead To Me; The Bronx; Mannequin Pussy; Stick To Your Guns; The Distillers; Hüsker Dü; Walls Of Jericho; No Warning; Pears; Gallows; Bad Religion; The Bronx; Rise Against; Shai Hulud; Wisdom In Chains; Ignite; Boysetsfire; Birds In Row; Leftöver Crack; The Interrupters; Refused; Converge; Turnstile; Envy; La Dispute; Touché Amoré; Fugazi