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MPC Lafote - Aquarium

MPC Lafote- Aquarium

Misitunes / Broken Silence
VÖ: 20.10.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Über Flüssiges

Menschen bauen sich gerne Türme aus Stein, Glas und Metall. Dann setzen sie sich hinein und gucken raus, weil drinnen sein insgesamt sicherer ist. Manchmal befinden sich in diesen Gebäuden sogar Glocken, aber in letzter Zeit geriet das etwas aus der Mode – und das, obwohl es fünf vor zwölf ist. Aber sowohl für die Zeitanzeige als auch für Gott hat man mittlerweile pragmatische Lösungen gefunden, manche von ihnen passen sogar in die Hosentasche. Kunst kommt von Kundschaft, sagt die Stimme im Hinterkopf und der Restmensch übt sich in Ignoranz. So einen Quatsch glaubt man doch auch nur, wenn man schon einen Job hat. Absurd. Ja, das ist es. Und in einer derart abwegigen Gesamtsituation erscheint Musik angemessen. Musik, die keine großen Haken schlägt, maximal eignet sie sich zur Beschallung des Schlagens von Menschen, die Hakenkreuze tragen. Der Künstler heißt MPC Lafote, das Album "Aquarium". Das Genre? Irgendwas mit "Deutsch-" am Anfang. Oder am Ende, so wie die Idee der Volksgemeinschaft.

Zynismus schwieriger Zeiten lauert Bitterkeit. MPC Lafote lässt andere an diesem Kelch vorübergehen. Er fokussiert sich auf minimalistisch arrangierte Songs, die sich zu gleichen Teilen von der Ursuppe und der Tütenversion inspirieren lassen. Konkreter: Hier führt jemand gekonnt Einflüsse von Fehlfarben, Die Sterne und PeterLicht zusammen, ohne dabei verkrampft zu wirken. Die Musik bleibt meist unaufdringlich, nicht selten durchweht ein Delay die platzsparend arrangierten Kompositionen. Bisweilen entlockt der Künstler wahrscheinlich billigen Syntesizern faszinierende Klänge, nachzuhören in "Das weiß mein Hund", einem Song für Geisterbahnen im Naherholungsgebiet. Naherholung. Ein Wort, so deutsch wie die Idee, sich auf Pfaden zu trimmen. Eins, zwei, drei, vier macht die Bassdrum und die Wut geht nicht weg. "Die Richtung fehlt", verkündet MPC Lafote und hat damit wahrscheinlich Recht.

Aber eine Richtung ist ohne Ziel auch nur ein Provisorium. Und so sitzt man dann nachts um halb vier beim vierten letzten Glas Wein, hört komische Platten und raucht dem Lungenkrebs entgegen, als sei das irgendwie hilfreich bei der Bewältigung der Gesamtsituation. MPC Lafote hat für diese eine kleine, verdammt große Hymne geschrieben. "In Laberlaune" ist ein überragender Song über das heimelige Verlorenheitsgefühl, das immer mit einem Hauch von Arroganz einhergeht. Wenn der Morgen das Ende der Fluchtwege markiert und die Sonne Notbeleuchtungen überflüssig werden lässt. Wenn man Balladen schreibt, obwohl Pamphlete sinnvoller wären. "Soll Geld nicht meine Haut sein?", fragt MPC Lafote. Das Vertraute im Kryptischen, das Wasser bis zum Hals. Postwendend die Auflösung mit Punkt am Ende: "In meinem Aquarium, in dem ich lebe / Soll Geld nicht meine Haut sein."

Menschen bauen Fischen Kästen aus Stein, Glas und Metall. Dann setzen sie sich davor und schauen rein, weil draußen sein insgesamt sicherer ist. Der technische Fortschritt brachte uns bisher Landminen und Schneekanonen, aber keine Kiemen. Es erscheint daher nur konsequent, das Meer zu vermüllen. Was haben diese Fische auch je für uns getan? "Ciao Gletcher", kalauert MPC Lafote währenddessen, denn nicht flüssig zu sein kann auch Vorteile mit sich bringen. Ob Armut eine Entscheidung ist, sei an die Wand gestellt. Sich nicht zufriedenzugeben mit dem Minimalkonsens, darum geht es wahrscheinlich. Den Verstand zu bewahren, denn in der Empörung lauert der Abgrund. Und jetzt mache ich einfach mal diesen Tisch hier kaputt.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights

  • Ertränk Deine Theorien
  • Das weiß mein Hund
  • Ciao Gletcher
  • In Laberlaune

Tracklist

  1. will rauchen
  2. Der Blitz wird wach
  3. Ertränk Deine Theorien
  4. Vorrat der Träume
  5. Blick aufs Konto
  6. Deine Hafermilch
  7. Das weiß mein Hund
  8. Dreckige Erde
  9. Die Richtung fehlt
  10. Ciao Gletcher
  11. In Laberlaune
  12. Geld und Haut

Gesamtspielzeit: 33:19 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Immermusik

Postings: 1123

Registriert seit 04.11.2021

2024-02-13 20:39:27 Uhr
Für mich eine übersehene Perle. Produziert von Tobias Levin. Jens Rachut auch beteiligt an manchen Songs.

Kamm

Postings: 626

Registriert seit 17.06.2013

2023-12-05 17:15:17 Uhr
Ich habe bisher nur "In Laberlaune" einmalig gehört, das mir auf Anhieb richtig gut gefällt.

Aber eigentlich wollte ich nur schreiben, wie toll geschrieben ich die Rezension finde. :)

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27934

Registriert seit 08.01.2012

2023-11-30 22:42:31 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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