Bush - Loaded: The greatest hits 1994-2023

Universal
VÖ: 10.11.2023
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10

Früher war alles besser
Nennen wir das Kind einmal beim Namen: Eigentlich kann man sich diese unsäglichen Best Ofs ja sparen und stattdessen einfach Spotify-Playlists kreieren. Dann bräuchte man später wenigstens nix skippen! Dreißig Jahre Karriere lassen sich ohnehin nicht gescheit filtern und auf Essentials kondensieren. Oder etwa doch? Gavin Rossdale und Bush wagen den Versuch, und zumindest die erste Etappe ihres Werdegangs macht es ihnen auch verdammt einfach. Bush haben Mitte der Neunziger auf gewisse Weise den Post-Grunge erfunden – oder zumindest vorweggenommen und nach Europa geholt. Der Rezensent ist freilich zu jung, um das miterlebt zu haben. Macht aber nichts, denn Folgendes lässt sich auch im Rückspiegel anerkennend feststellen: Junge, haben die früher einmal tolle Songs geschrieben! Das wissen Bush auch selbst.
Die Tracklist von "Loaded: The greatest hits 1994-2023" liest sich zunächst nämlich wie die offizielle Liste an Single-Veröffentlichungen, wobei ganze fünf Songs, ein Viertel der Platte, auf den Erstling "Sixteen stone" abfallen. Mit diesem und astreinem Timing gelang es den Briten damals, die Cobain-Lücke zu füllen und sechsmal Platin abzustauben. Das kommt natürlich nicht von ungefähr: "Little things" ist noch immer die Bush-Blaupause, ein verzerrter Powerpopper par excellence, ganz so, wie sie Dave Grohl im Jahr darauf für das Foo-Fighters-Debüt auch ein paarmal geschrieben hat. Dann geht es Schlag auf Schlag, wobei natürlich der Über-Hit nicht fehlen darf: Besser als in "Glycerine", jener unverwüstlichen Power(chord)-Ballade mit Streichern, sollten Bush nie wieder sein. Dass auf deren Schema später Truppen wie Nickelback ganze Karrieren begründeten, war nicht abzusehen und ist keinesfalls Rossdales Schuld. Auch nicht Homer Simpsons.
Fortan werden die "Greatest hits" allerdings pro Album kontinuierlich weniger. Bleiben wir einmal chronologisch: Die Steve-Albini-Phase von "Razorblade suitcase" ist durch "Greedy fly" und "Swallowed" abgedeckt, Letzterer vielleicht der beste Beweis, wie denn Nirvana in einem Paralleluniversum voller Pop geklungen hätten. "Mouth" ist in der Remix-Version von "Deconstructed" zu finden – ja, Bush haben solche Späße schon lange vor Linkin Park gemacht. Anschließend kam die Weiterentwicklung, oder wie es ein blutjunger Plattentests.de-Chef damals ausdrückte: der Computer. "The chemicals between us" kann mit den anfänglichen Großtaten jedoch schon nicht mehr mithalten. Dabei gab es sogar Depeche Mode in den Referenzen! Nur damit Bush doch wieder zurück zum Rock fanden, was aber schon auf "Golden state" inklusive Singles wie "The people that we love" bestenfalls bloß noch okay war. Wer ein "Letting the cables sleep" hat, braucht schließlich kein "Inflatable" mehr. Und nun? Wir sind übern Berg, es geht bergab.
Die zweite Hälfte von "Loaded" hat in einer Greatest-Hits-Sammlung nämlich eigentlich wenig verloren, nach der Reunion wurde nur noch Grütze veröffentlicht – wirklich miese sowie weniger schlimme. Dass da hin und wieder ein fluffiges Liedchen abfällt, das Bush ungeniert auf die Compilation packen können: geschenkt. Pflichtbewusst wird hier alles abgegrast, und wahrscheinlich war ja auch der ein oder andere Label-Vertrag zu erfüllen. Nun gut, "The sound of winter", "More than machines" oder die "The kingdom"-Vertreter tun niemandem was zuleide, aber gerade in der chronologischen Reihenfolge, wie sie hier zu hören ist, wird der Qualitäts-Nosedive mehr als deutlich. Bitte shufflen Sie jetzt! Mit "This is war" ist sogar nur eine B-Seite des Totalausfalls "Black and white rainbows" aufgeführt. "Bush – This is war" liest sich noch dazu irgendwie höchst seltsam. Auch komisch: 2005 hat die Band pünktlich zur Trennung schon einmal eine Hit-Sammlung veröffentlicht. Mit – jepp! – identischer Tracklist bis zum hier beschriebenen Post-Reunion-Zeug. Ach, was soll's.
Ob die einzig neue Komposition "Nowhere to go but everywhere" oder das sludgy Beatles-Cover "Come together" in die Playlist dürfen, ist wohl vom Wohlwollen der jeweiligen Kurator*innen abhängig. Wie außerdem der grundsätzliche Mehrwert der vorliegenden Song-Sammlung, aber auch diese Feststellung ist ein alter Hut. Das Frühwerk von Bush ist Pflichtprogramm für alle Nachwuchs-Cobains, die Teil des gegenwärtigen Grunge-Revivals werden wollen, der ganze Rest Boomer-Rock für Alteingesessene und Bodenständige. "Loaded: The greatest hits 1994-2023" lässt sich somit wunderbar mit einer Metapher bezeichnen, die genauso ausgelutscht ist wie Bushs Sound nach dem Split: ein zweischneidiges Schwert. Dessen eine Seite zumindest noch super schneidet und glänzt.
Highlights
- Little things
- Comedown
- Glycerine
- Swallowed
- Letting the cables sleep
Tracklist
- Everything zen
- Little things
- Comedown
- Glycerine
- Machinehead
- Swallowed
- Greedy fly
- Mouth (The Stingray mix)
- The chemicals between us
- Letting the cables sleep
- The people that we love
- Inflatable
- The sound of winter
- The only way out
- This is war
- Bullet holes
- Flowers on a grave
- The kingdom
- More than machines
- Nowhere to go but everywhere
- Come together
Gesamtspielzeit: 88:22 min.
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2023-11-30 22:37:32 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Im Rahmen von "Weihnachtsspecial, Teil 1: Best Ofs und Weihnachtsalben". Meinungen? |
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Referenzen
Gavin Rossdale; Institute; Silverchair; Feeder; Our Lady Peace; Seether; Staind; 3 Doors Down; Filter; Nickelback; Stone Temple Pilots; Stone Sour; Helmet; Nirvana; Pearl Jam; Candlebox; Foo Fighters; Everclear; Shinedown; Biffy Clyro; Creed; Therapy?; Alter Bridge; Chevelle; Local H; Puddle Of Mudd; Collective Soul; Live; Third Eye Blind; Finger Eleven; Alice In Chains; Soundgarden; Screaming Trees; Chris Cornell; Mad Season; Audioslave; Soul Asylum; Velvet Revolver; Trapt; Breaking Benjamin; Stabbing Westward; Mother Love Bone; Goo Goo Dolls; Monster Magnet; Matchbox Twenty; Incubus; Muse; Faith No More
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