John Vincent III - Songs for the canyon
Concorde / Universal
VÖ: 17.11.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Therapeutischer Roadtrip
Als die COVID-19-Pandemie ausbrach, packten der US-amerikanische Singer und Songwriter John Vincent III und seine Freundin den Ford Van und fuhren quer durch die USA – acht Monate lang. Und John schrieb Musik. Drei Jahre später flossen die Reise-Lieder und Erfahrungen des Roadtrips in sein zweites Album, "Songs for the canyon". Dieses Werk sei therapeutisch für ihn gewesen, offenbarte der Künstler, er habe "nur versucht herauszufinden, was zum Teufel ich durchgemacht habe". Ein höchstpersönlicher Longplayer als Entwicklungskatalysator.
Beim Hören der Platte – Genre: Folk – kann man mit dem Sänger und seiner Partnerin gleichsam musikalisch durch Amerika vagabundieren und dem Verarbeitungsprozess lauschen. Das Ergebnis gefällt sehr: Widrigkeiten und Freuden fühlt man in den Lyrics verdichtet; Instrumentierung und Gesang kommen stimmig ohne Misstöne rüber, der Sound konsequent vintage. Die Akustikgitarre und das Klavier geben den meisten Songs ihren Rhythmus, sodass es wenig Schlagzeugspiel bedarf, Streichinstrumente weben in einigen Stücken langgezogen einen samtigen Background. Der 27-jährige Musiker performt mit sehr variabler Stimme, die gerne Ausflüge in die Höhe macht und teils von Hintergrundvocals begleitet wird.
Den Anfang des neuen Werkes setzt die Klaviernummer "Highway woman", die in nur einer Stunde geschrieben worden ist. "Ein Lied über die Person, mit der man gerne reist, aber mit dem Makel der Strapazen des Lebens beschmiert", kommentiert der Künstler und singt leidenschaftlich, fast klagend: "Just tell me one thing I can do / To make this world feel a little less cruel / (…) / … I'll always be in awe of / Everything you are, yeah / So ride away with me / My highway woman." Über das verfestigende Niederlassen im Kontrast zum flexiblen Herumreisen und den Wert seiner Beziehung sinniert John Vincent III in "That's just the way it is, babe", während man dazu automatisch den Gitarrenrhythmus mit dem Fuß klopft: "… let's leave this whole thing behind / Buy ourselves some land, baby, and act like we own it / (…) / That's just the way it is, babe / (…) / You're all I really need / It's all I really need." Derlei intime Bekenntnisse mit selbsttherapeutischer Wirkung hat es bereits auf älteren Folkalben gegeben, und einem Klassiker von 1971 kommt das Zweitwerk des US-Amerikaners musikalisch und inhaltlich nah: Joni Mitchells legendärem Oeuvre "Blue".
Doch John ist nicht Joni, und seine "Songs for the canyon" werden weitaus smoother vorgetragen. Ansonsten behalten sie den im ersten Album implementierten puren Stil bei, doch vervollkommnen und variieren ihn: Das sehr melodische Reise-Lied "Bluebird singing" entfacht Fernweh: Zündschlüssel umdrehen, Sonnenbrille aufsetzen und nur weg, mit der/dem Liebsten auf dem Beifahrersitz. Stimmungswechsel: "When she leaves" rinnt langsam wie eine einzelne herausgequetschte Schmerzensträne mit Klavier, Streichern und unterstützenden Backgroundgesang. Wieder ganz anders kommt "Lincoln, NB": Der durchweg tief gesungene Track setzt einen Nick-Drake-haften Akzent und ist der schnellste auf der Platte. Mit den letzten zwei Nummern verabreicht der Künstler uns schließlich den Schlummertrunk, so bedächtig plätschern sie dahin – wie ein gewollt ruhiger Abschluss des Roadtrips.
Highlights
- Highway woman
- Bluebird singing
- When she leaves
Tracklist
- Highway woman
- Lincoln, NB
- Dandelion
- Bluebird singing
- When she leaves
- Juniper and yellow
- I lit a fire
- That's just the way it is, babe
- More than alive
- On and on
- Rolling stone
- Money and my pride
Gesamtspielzeit: 43:37 min.
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Yoke Lore; Caamp; Gregory Alan Isakov; Noah Kahan; Hans Williams; Sumbuck; Sufjan Stevens; Richy Mitch & The Coal Miners; Oliver Hazard; Edwin Raphael; Joni Mitchell; Wild Rivers; Shakey Graves; Watchhouse; The Lumineers; Houndmouth; Sjowgren; Goth Babe; Mt. Joy; Morningsiders; Big Thief; Wilderado; Briston Maroney; Del Water Gap; Hippo Campus
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