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PinkPantheress - Heaven knows

PinkPantheress- Heaven knows

Parlophone / Warner
VÖ: 10.11.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

TikTok und Shakespeare

Neue Medien bringen neue Wahrnehmungen hervor – so weit, so klar. Sie zu reflektieren, sie auf ihre Ambivalenzen, Widersprüche, Potenziale und Gefahren hin zu untersuchen, ist keine geringe Aufgabe der Kunst, die dafür auf Distanz gehen und ihr Material zugleich ohne Berührungsängste bearbeiten muss. PinkPantheress geriet in den Fokus der – oder vielmehr: einer – Öffentlichkeit, als sie 2020 mit 19 Jahren begann, kürzeste Songs auf TikTok hochzuladen und in einem diffusen Zwischenreich aus Intimität und Mysterium anzusiedeln. Eine Weile kannte kaum jemand das Gesicht der Londonerin, auch ihren bürgerlichen Namen hätte sie gerne unter Verschluss gehalten. Viel wichtiger war nämlich sowieso der ästhetische Ansatz, der in einer Zeit ohne Internet und permanentem Aufmerksamkeitsflackern sich unmöglich hätte herausbilden können. Aus zahlreichen Samples – mal mehr, mal weniger obskuren – produziert PinkPantheress einen Sound, der an den Pop und R'n'B der Jahrtausendwende anschließt, jedoch unterlegt wird von zusammengebastelten Beats aus 2-Step, UK Garage oder Drum'n'Bass. Es entsteht ein flirrender Kontrast zwischen der leisen, beinahe schüchternen Stimme und dem hektischen Fundament. PinkPantheress kreiert popmusikalische Hypertexte, eingängig und doch auch gebrochen, die auf dem 2021er-Mixtape "To hell with it" bereits eine solche Originalität zeigten, dass die BBC sie ein Jahr darauf zur Gewinnerin ihres renommierten "Sound of"-Preises ausrief. Nun erscheint ihr Debütalbum "Heaven knows", das manche ihrer bislang besten Tracks enthält, einen gewissen DIY-Zauber dafür aber ablegen muss.

"I'm in front of you with no make-up", verlautbart der Opener "Another life" zu Orgelklängen, Regenrauschen, glatten Synthies und dem bekannten 2-Step, die von einem geshreddeten Gitarrensolo durcheinandergewirbelt werden. Alle Trademarks sind da, der Sound ist etwas voller, ausgeleuchteter als auf dem Mixtape. Die komprimierten Gitarren und das Breakbeat-Zwischenspiel von "True romance" offenbaren, dass PinkPantheress auch in der folgenden halben Stunde ihren idiosynkratischen Stil unter leicht anderen Vorzeichen bewahren wird. Mal zittern gehäckselte Synthies wie ein Stroboskop durch "The aisle", mal rutscht der Bass tiefer und die Beats klicken zum Trap, während Kelelas voluminöser Soul in "Bury me" einen Kontrast zum verhuschten Vortrag PinkPantheress' stiftet. Stets bleibt es aber beim erwähnten Grundgerüst, auch thematisch fokussiert das Album ihre gewohnten Themen: Liebe als krankhafte Abhängigkeit, als Obsession – und ihre Bedingungen im Zeitalter Sozialer Medien. Beides verdichtet sich in der Single "Mosquito", die allen Schrecken und alle Scratches von der Bossa-Nova-Gitarre in sanftes, hier surreal anmutendes Pastell brechen lässt: "I just had a dream I was dead / And I only cared 'cause I was taken from you."

Denn auch das kennt man beispielsweise aus der Prä-Album-Veröffentlichung "Just for me": PinkPantheress garniert ihre dichten, kurzen Songs gerne mit lyrischen Abgründen, die dem Riss zwischen Vocals und Beats einen weiteren hinzufügen. "Ophelia" samplet fernöstliche Tonleitern und vollere Drums, klingt beinahe idyllisch, während die Protagonistin in bester Shakespeare-Tradition ertrinkt. Hier jedoch mit einem sinistren Zusatz: "It's you above me, 'cause you wanna double check that I died." Das blubbernde Wasser im Outro klingt nach ASMR und beschreibt doch auch die letzten Höreindrücke einer Ermordeten. "Nice to meet you" arbeitet sich nach Cash Cobains augenzwinkerndem Intro ("And this beat from Cash, not from YouTube") an einer TikTok-Beziehung ab, "Feel complete" beschreibt einen Lover mit Alkoholproblemen. Es sind diese Momente, die aufhorchen lassen, wenn "Heaven knows" mit seinem fast durchgehend hohen Tempo eine gewisse Reizüberflutung riskiert.

Die stärksten Momente des Albums machen genau jene Konfliktzone erfahrbar, in der sich PinkPantheress von Anfang an bewegte: TikTok als Emanzipationsmittel, das aus dem eigenen Zimmer ein Weltpublikum in Reichweite holt, zugleich als Entfremdungsmaschine, die isoliert und vereinsamt. "My SDs, USBs, you want all of those", klagt sie in "Internet baby", die verfremdete Stimme fällt aus der Cloud zurück auf eine Lo-Fi-Gitarrenspur: "I'm not your internet baby." Und dann wäre da noch das famose "Capable of love", das sämtliche Motive ihrer bisherigen Karriere vereinigt: melancholische Strophen, deren untergründige Hektik sich in der Breakbeat-Hook entlädt, der Klang einer seltsam digital verzerrten Gitarre, die den Gesang doppelt, sowie Zeilen voller kritischer Selbstbeobachtung: "But there's no other place I'd want to be / Than sat here replyin' to someone on a screen." Im kommenden Jahr 2024 wird PinkPantheress eine gewisse Olivia Rodrigo auf Welttournee begleiten. Ist "Heaven knows" also auch so etwas wie der finale Schritt weg vom Bildschirm?

(Viktor Fritzenkötter)

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Highlights

  • True romance
  • Mosquito
  • Ophelia
  • Capable of love

Tracklist

  1. Another life (feat. Rema)
  2. True romance
  3. Mosquito
  4. The aisle
  5. Nice to meet you (feat. Central Cee)
  6. Bury me (feat. Kelela)
  7. Internet baby (Interlude)
  8. Ophelia
  9. Feel complete
  10. Blue
  11. Feelings
  12. Capable of love
  13. Boy's a liar pt. 2 (feat. Ice Spice)

Gesamtspielzeit: 34:10 min.

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Armin

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2023-11-22 22:01:44 Uhr - Newsbeitrag
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