Casper - Nur Liebe, immer

Eklat / Warner
VÖ: 24.11.2023
Unsere Bewertung: 5/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Der Funke bleibt stehen
Die japanische Firma Minolta ist dafür bekannt, sehr hochwertige und einzigartige Kameralinsen herzustellen. Die Macher des Podcasts "Distractable" (ab Minute 20) berichten von einer ganz besonderen: Durch ihre spezielle Verarbeitung soll beim Altern der Linse eine ganz besondere Färbung entstehen, die unverwechselbare Bilder hervorrufen soll. Kaufen könne man sie demnach nicht mehr, und das Leihen sei zum einen sehr teuer, und zum anderen müsse sie auch noch auf spezielle Art und Weise eingebaut werden. Das Tolle am Nerdtum und solchem Ballastwissen ist, dass diese echte Begeisterung für ein Thema überspringen kann. Tiefgreifendes Nischenwissen relativiert zwar vielleicht nicht die Unsummen an Geld, die für ein Hobby ausgegeben werden, macht sie aber nachvollziehbarer.
Vier Singles, die mit durchaus gemischtem Echo im Plattentests.de-Forum aufgenommen wurden, hat Casper dem Album vorausgeschickt. "Emma" ist eine schöne Schmetterlinge-mit-Steinen-im-Bauch-Nummer, nach deren Genuss man "Diamantenring" nie wieder auf die selbe Art und Weise aussprechen kann. Die Kollaboration mit dem Pop-Panda Cro namens "Sommer" lässt das Publikum eher ratlos zurück; wie viele deutsche Sommer eben. Der dritte Vorbote "Echt von unten / Zoé freestyle" ist ein weiterer Beitrag zur Casper-Origin-Story, und "Sowas von da (Hellwach)" beackert mit mentaler Gesundheit einen weiteren thematischen Eckstein von Caspers musikalischem Schaffen, bleibt aber musikalisch eher unauffällig.
"Weniger Konzept, mehr Spontaneität, mehr Melodie", das war laut Casper die Marschrichtung für dieses Album. Was direkt auffällt, ist, dass es recht kurz ist. Nur ein Song reißt die Dreieinhalb-Minuten-Marke. Casper erzählt auf "Nur Liebe, immer" deutlich kompakter, was leider auch den Raum für Ideen und Weite raubt. Weiterhin sind Post-Rock-Crescendos so gut wie verschwunden, stattdessen gibt es Beats und Hip-Hop-Fokus. Der Anteil an Liedern mit "klassischer" Bandinstrumentierung ist sehr gering. Nur das erwähnte "Emma" und der Closer "Verliebt in der Stadt die es nicht gibt" halten die Indie-Fahne hoch und wecken mit ihren Bläsern Erinnerungen an "Hinterland".
Doch es wäre zu kurz gegriffen, zu sagen, dass Casper es nicht mehr schaffen würde, seine Hörer*innen zu berühren, nur weil die Songs kürzer geworden sind. Wie im "richtigen" Leben sind es manchmal die Halbsätze in einer langen Unterhaltung, die Gespräche besonders machen. "Luft holen" ist so ein Halbsatz. Dieser Song ist einer der Lichtmomente auf diesem Album, wenn Kürze und Prägnanz in bester Dosierung auf "Real Talk" treffen. Die wohlige Melancholie, die den Casper-Alben seit jeher innewohnt, leuchtet hier im schönen Sepia. Das schwierige Erhalten von Freundschaften, je älter man wird, echtes und unechtes menschliches Interesse und die seelischen und körperlichen Belastungen, die das Leben als tourender Musiker mit sich bringt; alles Themen, die innerhalb von zweieinhalb Minuten behandelt werden und in der Tat einem kurzen, seufzenden Durchatmen gleichen. Casper ist begeistert von Musik. Hört man ihm in Interviews zu und sieht ihn auf den Bühnen, wird das deutlich. Doch diese Begeisterung möchte bei "Nur Liebe, immer" oftmals nicht richtig überspringen. Die Themen, von denen Casper erzählt, sind bekannt und gewichtig, allerdings raubt der knapp portionierte Vortrag ihnen die Spannung. Statt der tiefgreifenden Gespräche, die mit früheren Casper-Alben geführt wurden, fühlt es sich hier eher wie eine Sammlung von Small-Talk-Episoden an. Die Linse, durch die Casper hier blickt, erzeugt zwar bekannte Bilder, allerdings waren die Blickwinkel auf den Vorgängern interessanter. Das bewusst fehlende Konzept mag dem Album eine gewisse Leichtigkeit und Eingängigkeit bescheren, führt aber gleichermaßen dazu, dass es dem Album an fühlbarem Gewicht fehlt. An der besonderen Färbung, die unverwechselbare Bilder hervorruft. Und die zuvor nicht mit Geld zu bezahlen war.
Highlights
- Echt von unten / Zoé freestyle
- Emma
- Luft holen
Tracklist
- Intro
- Echt von unten / Zoé freestyle
- Sowas von da (Hellwach)
- Sommer (feat. Cro)
- Emma
- Falsche Zeit, falscher Ort
- Bist Du noch da?
- Wimpernschlag
- Luft holen
- Verliebt in der Stadt die es nicht gibt
- Outro
Gesamtspielzeit: 29:56 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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solea Postings: 361 Registriert seit 15.06.2013 |
2024-06-05 19:23:26 Uhr
Achja, Emma ist schon nett |
solea Postings: 361 Registriert seit 15.06.2013 |
2024-06-05 19:22:09 Uhr
Jep, die fand ich auch nicht so gut. Vielleicht hat sich sein Stil auch etwas abgenutzt (zumindest bei mir). Wenn er noch einmal "trailerpark" rappt, raste ich aus ;-)Zumal hat er sein "Indie" Alleinstellungsmerkmal ein wenig aufgegeben. Trotzdem eher einer der Guten |
Dumbsick Postings: 457 Registriert seit 31.07.2017 |
2024-03-08 20:39:53 Uhr
Bin mit dem Album einfach nicht warm geworden. Das einzige Lied, was ich noch einigermaßen oft höre, ist „Luft holen“. |
vinylium_senfterum Postings: 17 Registriert seit 08.03.2023 |
2023-11-29 21:45:25 Uhr
Ein Mixtape als Album getarnt, das Casper sehr gerne singen lässt. Ungewohnt, aber auf nicht ganz erklärliche Art und Weise gar nicht mal so übel. Hab auch was dazu gemacht, wenn es wen interessiert: https://www.youtube.com/watch?v=u4zRMrWmDLgv |
Dizzet Postings: 1 Registriert seit 01.04.2020 |
2023-11-28 09:18:20 Uhr
Das Album ist poppiger, mancher würde auch von "modernenen" HipHop sprechen...Auf der LP gibt es schöne, reflexive Tracks. Meine Highlights sind luft holen bist du noch da? Zudem transzendiert das Album sehr gut viele Stimmungen, deshalb wesentlich stärker als die Bewertung. Für mich eine 7/10, man merkt dass vom musikalischen Her jetzt nicht das Rad neu erfunden wurde |
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Referenzen
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