Spidergawd - VII
Crispin Glover / Soulfood
VÖ: 10.11.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Vor lauter Schneegestöber übersehen
Ein Hund springt durch knietiefen Schnee, sein Herrchen Per Borten steht auf der Veranda und nippt an einem Kaffee, bevor er sich zusammen mit dem Hund aufmacht durch den winterlichen Wald. Cut. Im Jeep durch Schneegestöber, die Straße ist kaum zu erkennen, bis Borten vor einem Holzhaus hält, an dem sich mannshoch die Schneewehen türmen. Im Inneren Gitarren an den Wänden, Plakate von vergangenen Zeiten, und in der Mitte des Raumes zwei riesige Marshall Full Stacks – der Proberaum von Spidergawd im norwegischen Trondheim – so kündigt die Band Anfang des Jahres an, dass es ein siebentes Album geben wird. Die spannende Frage ist natürlich, ob es ein wenig geradlinig in Richtung Thin Lizzy daherkommt wie der Vorgänger, oder ob die Band an das bisher unübertroffene "IV" mit "Is this love?" anknüpft und ihren Sound wieder in Richtung Bombast-Gewitter drehen kann.
Es ist der außergewöhnlichen Chemie in der Band zu verdanken, dass Spidergawd seit 2013 kontinuierlich hervorragende Werke veröffentlicht haben. Auf den ersten drei Alben noch sehr verspielt mit psychedelischen Elementen und Stonerrock, spätestens ab dem vierten dann in Richtung Classic-Rock. Und dabei wurde in der Form ein strenger Weg beschritten – römisch durchnummeriert sind die Platten, wie immer ist Émile Morel für die Covergestaltung verantwortlich und kein Werk länger als 45 Minuten. Neben der außergewöhnlichen Stimme Per Bortens ist der ehemalige Motorpsycho-Drummer Kenneth Kapstadt die tragende Säule des Spidergawd-Sounds. Allein für diesen norwegischen Ginger Baker sollte man ein Spidergawd-Konzert besuchen! Und dann jene Spezialzutat, die diese Band aus dem schier unendlichen Becken anderer skandinavischer Bands heraushebt: Die Basslinie wird in guter alter Eurythmics-Tradition parallel mit einem Baritonsaxophon geblasen – das zusammen ergibt den Wumms, der das Innenfutter der Lederjacke vibrieren lässt. Um diese tiefen Frequenzen voll zu genießen, braucht es schon eine ordentliche Stereoanlage. Im Streaming durch die Küchenbox muss man schon sehr genau hinhören, um das Saxophon zu finden. Wenn es ein Argument für einen physischen Tonträger braucht, es hat einen Namen: Spidergawd.
Spidergawd kommen diesmal ziemlich dicht ran an eine perfekte Mischung aus straightem Rock und Psychedelic-Elementen, wobei diese nur noch in Solos und Fills stattfinden, ohne einen kompletten Song zu übernehmen. Mit gerade einmal acht Titeln, bei denen jeder in guter Retrorock-Manier nach vorne treibt, ist es eine wahre Freude. "Sands of time" verspricht gleich ein solides Album, hier sitzt alles, tolle Produktion, toller Sound, eingängiger Refrain. "The tower" hat diese gedoppelten Thin-Lizzy-Gitarren mit dem typischen frickeligen Flavour von Spidergawd. Wie haben die das gerade gespielt? Allein handwerklich macht die Platte unglaublich Spaß! Mit "Dinosaur" zeigt das Quintett, wie die gerittenen Gitarren von Iron Maiden in den allgemeinen Kosmos des Rock eingesunken sind. "Anchor song" lehnt sich beim Songwriting fast an die aktuellen Metallica an, bleibt aber dabei immer im sehr glatt produzierten Rock. Und wer an "... and nothing but the truth" Spaß findet, sollte sich einmal die ersten drei etwas experimentellen Spidergawd-Alben zu Gemüte führen.
"VII" wurde auf jeden Fall geschrieben, um es auf der Bühne aufzuführen. Weite Teile sind live eingespielt – hier liegt auch die Killerqualität von Spidergawd. Wer die Chance hat, die Band zu sehen, sollte sie ergreifen, wenn Per Borten und Kollegen sich schon mal die Mühe machen, dem Schneegestöber Trondheims zu entkommen. Spätestens mit diesem Werk leuchten sie schon von weitem und sollten nicht mehr zu übersehen sein.
Highlights
- The tower
- Your heritage
- Anchor song
Tracklist
- Sands of time
- The tower
- Dinosaur
- Bored to death
- Your heritage
- Afterburner
- Anchor song
- ...and nothing but the truth
Gesamtspielzeit: 37:01 min.
Album/Rezension im Forum kommentieren (auch ohne Anmeldung möglich)
Teile uns Deine E-Mail-Adresse mit, damit wir Dich über neue Posts in diesem Thread benachrichtigen können.
(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
---|---|
fakeboy Postings: 5206 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-12-08 15:15:22 Uhr
LP (in schickem Hyazinthblau) rotiert jetzt und sie klingt sehr gut. |
fakeboy Postings: 5206 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-12-06 17:09:19 Uhr
Sie sind konsequent, das mag ich eigentlich. Aber in diesem Fall halt konsequent scheisse ;-) (ähnlich wie die Melvins, die auf all ihren Ipecac-Alben die Vorder- und Rückseite vertauscht haben (zumindest bei den CDs...). |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33153 Registriert seit 07.06.2013 |
2023-12-06 17:08:51 Uhr
Ich hasse tatsächlich Albumcover, auf denen der Bandname und der Titel nicht draufsteht.Nur auf Platten? Oder grundsätzlich? |
fuzzmyass Postings: 16653 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-12-06 17:07:58 Uhr
"Auch lustig: die Credits auf der Innenseite der Spidergawd-Hülle. Na ja"Ist auch Tradition |
fakeboy Postings: 5206 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-12-06 17:07:14 Uhr
@machina: super Plan!Ich hasse tatsächlich Albumcover, auf denen der Bandname und der Titel nicht draufsteht. Noch schlimmer ist es, wenn nicht mal auf der Seite was steht. Grrr... Auch lustig: die Credits auf der Innenseite der Spidergawd-Hülle. Na ja... |
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Thin Lizzy; Judas Priest; Iron Maiden; The Hellacopters; Gluecifer; Imperial State Electric; The Night Flight Orchestra; Robert Pehrsson's Humbucker; Graveyard; Motorpsycho; Bokassa; Greenleaf; Orango; Stöner; Kadaver; Scumbag Millionaire; Kosmik Boogie Tribe; Spiders; Nightstalker; All Them Witches; Metallica; Cream; Bob Seger; Cheap Trick; Blue Öyster Cult; MC5
Bestellen bei Amazon
Threads im Plattentests.de-Forum
- Spidergawd - VII (35 Beiträge / Letzter am 08.12.2023 - 15:15 Uhr)
- Spidergawd - die besseren Motorpsycho? (22 Beiträge / Letzter am 22.11.2023 - 17:40 Uhr)