Phantom Winter - Her cold materials
This Charming Man / Cargo
VÖ: 27.10.2023
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Tauwetter
Sie nennen es Winterdoom: Aus dem, was einst Omega Massif war, gründeten sich 2014 Phantom Winter. In kurzer Folge erschien die Trilogie "Cvlt", "Sundown pleasures" und "Into dark science": garstiger, eiseskalter, definitiv lebensfremder Black Metal. Sehr gewöhnungsbedürftig dabei die vorher nicht vorhandenen und hier recht fiesen Vocals. Dann fünf Jahre Ruhe, ehe jetzt "Her cold materials" erscheint. Ein Album, angelehnt an den Titel "His dark materials" des Autors Philip Pullman. Dort findet eine Teenagerin zu sich selbst und rettet die Welt. Kaum vorstellbar, dass jene Weltenrettung beim Soundbild der fünf Musiker durchscheinen könnte, passten die bisherigen Werke doch sehr gut als Soundtrack zum Videospiel "The long dark". "Her cold materials" jedoch ist anders. Nicht nur fünf Jahre trennen dieses Werk vom restlichen Output, es sind musikalisch Welten.
War "Into dark science" insbesondere in den Gesangsparts – oder was man damit assoziieren mag – sehr schroff, erschließt sich hier eine ganz andere Welt. Über den Status des Black Metal ist man hier weit hinaus, das "Post-" als Vorsilbe redlich verdient. Der Opener "Flamethrowers" tönt zwar noch sehr nach fiesem Kältesturm, interessant ist jedoch, was inmitten dessen durchscheint. Eine einzelne Gitarrenlinie bahnt sich ihren Weg, und ab etwa der Hälfte ziert eine bedächtige Atmosphäre den Song. Es sind die typischen schweren Sludge-/Doom-/Post-Metal-Aufbauten, welche hier ein erstes Mal aufleuchten und Schritt für Schritt den Platz einnehmen. Der fies keifende Gesang hat ein kurzes Hoch, wird aber im Laufe der sechs Songs immer mehr abgelöst beziehungsweise in den Hintergrund gedrängt.
Spätestens nach den ersten zwei Minuten Geboller in "Her wound is grave", wenn sich erneut die Riffe lichten und einige akzentuierte Akkorde hervorscheinen, klingen Phantom Winter mehr nach Neurosis oder Cult Of Luna. Die Vocals wechseln zu Spoken-Word-Einlagen, im Verlauf werden vor allem cleane Vocals dieses Werk bestimmen. Hin und wieder verwenden Phantom Winter Schnipsel und Einlagen, die bereits losgelöst von "Her cold materials" zu existieren scheinen, zwischendrin wird sogar das prominente "It doesn't matter if we all die" aus "One hundred years" von The Cure in den Lyrics zitiert. "Dark lanterns" gibt einem mit starkem Akzent stoisch eingesprochenen Text Platz, ehe es ans eigentliche Werk geht, und "The unbeholden" bietet gar einen deutschen Text mit weiblichen Vocals, ehe es in ein feines, rhythmisches Riffing übergeht.
Die Breite im Sound, welche Phantom Winter hier nutzen, ist beachtlich. Immer wieder überraschende Momente oder wiederkehrende Pendelakkorde, die für eine quasi hypnotische Stimmung sorgen. Obwohl sie ihrem Stil schon treu geblieben sind, ist "Her dark materials" ein meilenweiter Fortschritt und dürfte den Bogen sogar ganz zurückschlagen zur hochgelobten Vorgängerband. Die sechs hier versammelten Epen sind in ihrer Eleganz, Spielfreude und Konzeption, welche auch nach zig Durchgängen noch Neues bietet, definitiv ein Kandidat für die Bestenlisten des Jahres – weit über diesen Winter hinaus.
Highlights
- When I throw up
- Shadow barricade
Tracklist
- Flamethrowers
- Her wound is grave
- When I throw up
- Shadow barricade
- Dark lanterns
- The unbeholden
Gesamtspielzeit: 46:45 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Vivat Virtute Postings: 132 Registriert seit 05.11.2023 |
2023-11-14 21:12:14 Uhr
Marküs hat es treffend formuliert: Horror in Tüten. Aber halt bekömmlich. Allein wie da im Opener zum Finale "Flamethrowers" in den Song gekotzt wird, genial! |
The MACHINA of God User und Moderator Postings: 33060 Registriert seit 07.06.2013 |
2023-11-14 19:30:47 Uhr
Das Ding ist echt richtig gut. Gibt mir direkt viel mehr als die Vorgänger. Ob es an das für mich an das grandiose "Karpatia" ranreichen kann, wird sich zeigen. Aber tolle Stimmung und Wandlungen. |
Marküs Postings: 1259 Registriert seit 08.02.2018 |
2023-11-12 10:23:54 Uhr
Definitiv eine der besten Platten des Jahres, es ist einfach der totale Horror in Tüten. Das Album lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. |
Mann 50 Wampe Postings: 3660 Registriert seit 28.08.2019 |
2023-11-11 18:47:40 Uhr
Da kann ich zustimmen. Ich habe die Vinyl heute zum ersten Mal gehört und bin echt begeistert. Gerade der Wechsel zwischen Keif-Gesang und Growls ist sehr stark und passt perfekt. Alle Songs sind sehr atmosphärisch, wuchtig und kalt, fast schon abweisend. Dazwischen immer wieder leise Gitarrentöne. Insgesamt ein sehr dunkles, finsteres und trostloses Werk. Die Rezi hier passt schon, eine der besten Platten des Jahres bisher. |
Hierkannmanparken Postings: 1185 Registriert seit 22.10.2021 |
2023-11-11 16:46:39 Uhr
Mit Omega Massif hab ich (noch) keine Erfahrung. Trotzdem stechen für mich die in der Rezi hervorgehobenen, hauchdünnen Post-Metal-Klänge heraus.Her Wound Is Grave ab 4:15 Der Anfang von Dark Lanterns An diesen Stellen finde ich die Wirkung krass, wenn das zarte Gitarrenthema von der trostlosen Doom-Walze überrollt wird. Wobei ja eigentlich nicht überrollt. An Her Wound Is Grave mag ich zb, wie das Thema einfach weiterläuft, ganz ohne zusätzliche Verzerrung existiert es neben dem ganzen Lärm weiter. Und bei Flamethrowers spielt sich in meinem Kopf der trostloseste Antikriegsfilm ab, den man sich vorstellen kann. Mir gefällt es richtig gut, jeder Song ist stark! |
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Referenzen
Omega Massif; Neurosis; Isis; Amenra; Downfall Of Gaia; Year Of No Light; Inter Arma; Cult Of Luna; Wiegedood; Mantar; Mogwai; Ufomammut; Psychonaut; Minsk; Bossk; Celeste; Converge; Jesu; Russian Circles; Boris; The Ocean; Pelican; LLNN; Panopticon; Wolves In The Throne Room; Violet Cold; Subrosa; Alcest; Liturgy
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