The Gaslight Anthem - History books
Rich Mahogany / Thirty Tigers / Membran
VÖ: 27.10.2023
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Das Leben des Brian
"I didn't keep a lot of souvenirs / After the war", lässt Brian Fallon in "The weatherman" verlauten. Stehen die Zeichen also auf Neuanfang? Denn was wurden sich über The Gaslight Anthem einst die Mäuler zerrissen! Mit "The '59 sound" erst zur Instant-Lieblingsband zahlreicher liebeskranker Bartträger aufgestiegen und am Versuch einer adäquaten Fortsetzung mehrfach gescheitert, dann gab ihr Sänger auch noch zu verstehen, dass der Mensch ganz und gar nicht vom Affen abstammen könne. Zu groß die Liebe in seinem Herzen, zu überwältigend die Schönheit der Dinge, fand Fallon und bekannte sich zum Kreationismus. Zu doof, fand das Punk-Publikum und zeigte dem Quartett aus New Jersey fortan die kalte Schulter – noch bevor "Get hurt" bestenfalls so semi-erfolgreich versucht hatte, den Signature-Sound der Band aufzubrechen. Eine Rückkehr zu den Wurzeln ist "History books" nun trotzdem nicht geworden. Das sechste Album von The Gaslight Anthem nach neunjähriger Plattenpause lässt mitunter ein wenig ratlos zurück.
"When I think of you now / It just brings me down": Mindestens ebenso wichtig wie Jesus war Fallon seit jeher Bruce Springsteen. Der Boss selbst gibt sich nun für den Titeltrack die Ehre – das kann natürlich entweder als längst überfälliger Ritterschlag oder einfach als schlüssige Konsequenz der Bandgeschichte gewertet werden. Dem Song selbst wohnt eine gewisse Zweckmäßigkeit inne, schlecht ist er keineswegs. Wie ist es um den Rest bestellt? "Filled with hooks" sind zwar die namensgebenden Geschichtsbücher, die neuen Songs allerdings selten, selbst wenn sie, wie im dicht instrumentierten Opener "Spider bites", doch noch irgendwann ins Ohr gehen. "On and on and on it goes / I'll love you forever / Till the day that I don't." Einerseits ernüchternd, andererseits schön bodenständig. Und "down to Earth" zu bleiben, soll Fallons Schaden schließlich nicht sein.
Am ehesten als Punkrock durchwinken lässt sich noch das stabil nach vorn gehende "Little fires" mit Unterstützung von Pup-Fronter Stefan Babcock. Das mitreißende "I live in the room above her" channelt daneben große, dramatische Rock-Gitarren. Der Großteil des Albums hingegen ist unglaublich mellow ausgefallen, was sich an warmen, jedoch eher unspektakulären Kompositionen wie dem bluesigen "Autumn" zeigt, das genauso klingt, wie es heißt. Sicherlich hört man auch Fallons Solo-Werke aus "History books" heraus, führt man sich vertonte Gottesdienste wie "Michigan, 1975" zu Gemüte – was auch immer dort los gewesen sein muss, damit er sein "desire for being alive" verliert. Der Song selbst ist in gewisser Weise ein Kuriosum im Katalog, beeindruckt mit vereinzelter Kopfstimme, Fingerschnipp-Rhythmus, aber auch oldschooligem Storytelling, wie es The Gaslight Anthem damals groß gemacht hat. Die eingangs zitierte Halbballade "The weatherman" schlägt in dieselbe Kerbe, während die altbekannte "Mae" aus "Handwritten" als Gespenst durch die Erinnerung schwebt.
Neben seinem einlullenden Charakter besonders auffallend: "History books" knistert, quietscht und knarzt, ist alles andere als überproduziert. Was Glanzleistungen wie das vorab veröffentlichte "Positive charge", das mit Pearl-Jam-Charme und dicker Romantikkeule entzückt, noch eine Spur rauer und direkter werden lässt. "I wanna love you a little longer" – da ist man dabei, hier läuft die Band zu Höchstform auf. Man merkt, wie sehr man sie vermisst hat. Insgesamt zieht "History books" gegen die alten Klassiker dennoch den Kürzeren. Ihm haftet etwas Unentschlossenes, etwas "Übergangsalbum"-Mäßiges an. Besser als ein Best of sämtlicher Band-Trademarks respektive reiner Fanservice ist das nach der Pause natürlich allemal. Das Album wirkt wie eine (noch) besinnlichere Version von "American slang" und wird bestimmt viele Menschen sicher durch die dunkle Jahreszeit begleiten, bevor sie im Frühjahr wieder Bock auf fröhlichen Punkrock kriegen. Bis dahin bleibt man dick eingemummelt und blättert gemütlich.
Highlights
- Positive charge
- Michigan, 1975
- I live in the room above her
Tracklist
- Spider bites
- History books (feat. Bruce Springsteen)
- Autumn
- Positive charge
- Michigan, 1975
- Little fires
- The weatherman
- Empires
- I live in the room above her
- A lifetime of preludes
Gesamtspielzeit: 40:23 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Ralph mit F Postings: 619 Registriert seit 10.03.2021 |
2024-07-16 18:15:43 Uhr
Hm, das mit dem Kreationismus ist da eher so gemeint à la "Woran erinnert man sich nach neun Jahren Gaslight-Pause?", dahingehend erschien mir das schon erwähnenswert. Klassischer Aufhänger bei einem "Comeback-Album". Aber klar, nochmal nur die Musik zu Worte kommen zu lassen, weil sie eine 7/10 oder aufwärts hinkriegen, wär natürlich super. Ich traue der Band das in Zukunft auch durchaus noch zu.Mag den Remix auch, obwohl es manchmal so wirkt, als hätten sie einfach nur den Gesang lauter gedreht :D "Positive charge" und "Michigan" sind weiterhin super. |
Blanket_Skies Postings: 656 Registriert seit 21.09.2013 |
2024-07-16 16:06:03 Uhr
Mittlerweile mag ichs gerne. Trotzdem es ein reines 6/10 Album ist, wie es im Buche steht. Kein Song ist schlecht, für jeden tollen Moment, gibt's aber zum Ausgleich direkt einen ziemlich langweiligen Part hinterher. Der neue Mix bringt mir allerdings ziemlich viel - zuvor hatte ich drei Hörversuche nicht bis zu Ende geschafft. Jetzt läuft es gut auf Repeat durch. Auch wenn ich annehme, dass ich ab nächster Woche eher wieder auf die älteren Großtaten umsteige. Auf die hab ich allerdings wieder richtig Lust bekommen durch History Books. Und drei, vier neue Songs kommen mit in die Gaslight-Playlist. Mehr kann man eigentlich nicht verlangen. Außer vielleicht dass sie noch ein weiteres Album machen, dass energetischer und emotionaler mitnimmt, und dass in der Rezension dazu endlich mal die Schlagzeile mit dem Kreationismus ausgelassen wird. |
Jaggy Snake Postings: 891 Registriert seit 14.06.2013 |
2024-07-12 13:15:10 Uhr
Wow, ziemlich cooler Move, muss ich schon sagen. Auch, dass sie die Größe haben, zuzugeben, dass der originale Mix misslungen war. Werde direkt mal reinhören. |
Blanket_Skies Postings: 656 Registriert seit 21.09.2013 |
2024-07-12 12:49:07 Uhr
Ich mochte die Entwicklung zur Get Hurt, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass sie diese Art Songs und Sound erst mit dem nächsten Album perfektionieren. Dann kam leider die Pause und mit der History Books sind sie für mich irgendwo im Niemandsland ihrer eigenen Diskografie gelandet. Ich hoffe, da geht noch was in Zukunft, wenn sie wieder mehr miteinander spielen. Auch wenn ich damals ein riesen Fan war (und keine Band öfter live gesehen hab), finde ich allerdings auch nicht, dass die Welt zwingend mehr Gaslight Anthem Alben bräuchte. |
Sloppy-Ray Hasselhoff Postings: 2215 Registriert seit 02.12.2019 |
2024-07-12 11:47:01 Uhr
War nach dem genialen 59 Sound und American Slang leider die Luft raus. Ein paar Highlights noch auf der Handwritten und ein Burner mit 45. Man kann leider eine Karriere nicht qualitativ mit vier Akkorden bespielen. Außer man ist Bruce Springsteen. |
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Referenzen
The Horrible Crowes; The Weakerthans; Bruce Springsteen; Jets To Brazil; The Replacements; Pearl Jam; R.E.M.; Social Distortion; Tom Petty & The Heartbreakers; The Draft; Chuck Ragan; Hot Water Music; Against Me!; The Hold Steady; The Lawrence Arms; Dave Hause; The Menzingers; Frank Turner; Spanish Love Songs; Gang Of Youths; The Loved Ones; The Bouncing Souls; Young Rebel Set; Fake Problems; Rocky Votolato; The National; Buffalo Tom; Ted Leo & The Pharmacists; The Wallflowers; Beach Slang; Counting Crows; Leatherface; The Early November; Frightened Rabbit; Okkervil River; Wilco; Jeff Rosenstock; Manchester Orchestra; My Morning Jacket; Nada Surf; The War On Drugs; The Killers; Kings Of Leon; Grateful Dead; Screaming Trees; The Clash; The Misfits; Brian Fallon
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