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Dream Nails - Doom loop

Dream Nails- Doom loop

Marshall / FUGA
VÖ: 13.10.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 4/10

Not all men

Der "nette Typ von nebenan", der sich wundert, warum er trotz aller Einfühlsamkeit und als ach so guter Zuhörer beim anderen Geschlecht einfach nicht landen will … und jetzt so langsam sauer wird? Das Gros der Gesellschaft, das bei Diskriminierung und Marginalisierung bestimmter Gruppen beschämt wegschaut, anstatt für Gleichberechtigung und Diversität einzutreten? Ob auf Mikro- oder Makroebene: Vorhang auf für Dream Nails! Das Queercore-Kollektiv aus London meldet sich mit seinem Zweitwerk "Doom loop" aufs Eindrucksvollste zurück. Am Mikro steht neuerdings Drag-Performer Ishmael Kirby und zögert nicht eine Sekunde, seine Finger in die klaffenden Wunden unserer heutigen Zeit zu legen. Das darf und soll durchaus unterhalten. Wenn in "Good guy" jedoch mindestens toxische Männlichkeit, aber auch waschechte Incel-Mentalität, Belästigungserfahrungen und das anschließende Rechtfertigen der Täter in einen heiteren Garage-Rocker inklusive Singalong verwandelt werden, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. "It's not a rotten apple, it's the whole damn tree!" Dream Nails haben keinen Bock mehr auf den ganzen Mist, und die Grenzen zwischen (queerfeministischem) Aktivismus und dem Konzept Band verschwimmen zunehmend.

"Doom loop" ist Zustandsbeschreibung und Appell zugleich, wobei es mit einem simplen "smash the patriarchy" natürlich nicht getan ist. Das Album und sein Titel beschreiben eine Welt, in der physische wie psychische Gewalt gegen FLINTA-Personen strukturell und an der Tagesordnung ist – eine Abwärtsspirale, aus der es kein Entkommen gibt, ein System, das sich bis ins Unendliche reproduziert. Und wenn sich nie etwas ändert, kann nicht einmal Zeit die Wunden heilen, wie der musikalisch wunderbar aus der Reihe fallende Closer "Time ain't no healer" mit seinem Klavier-Loop aufs Bitterste beweist. Zuvor wird jedoch ordentlich auf die Kacke gehauen, denn Zusammenhalt und gemeinsames Spaßhaben als Community sind die mächtigsten Waffen gegen die Unterdrückung: Zickige Stampfer wie "Case dismissed" gesellen sich zu tanzbarem Rock'n'Roll wie dem tollen "Geraniums" oder dem Hardcore-meets-Indiedisko-Klopper "Prevenge". Für ihre Message machen sich Dream Nails die verschiedensten Einflüsse zu eigen. In "Sometimes I do get lonely, yeah" geht das bis hin zu waschechten HipHop-Anklängen, wenn Kirby in die Rolle der eingangs erwähnten, unverstandenen Wimmer-Würstchen schlüpft und eine hübsche Pity-Party feiert, Krokodilstränen inklusive. Nicht nur in textlicher Hinsicht ein absoluter Volltreffer.

Der Eklektizismus des trotz Label-Signing weiterhin im DIY verhafteten Quartetts begeistert und reißt mit: "Monster" inkorporiert eines der wohl bekanntesten Leonard-Cohen-Zitate und gestaltet es für Dream-Nails-Zwecke um, indem es Doppelmoral und Bigotterie anprangert. "We become the monster when we become what we've come to slay." "Femme boi" wiederum setzt Transmaskulinität insbesondere sowie der Abkehr von starrer Gender-Binarität generell ein Denkmal und freut sich diebisch, wenn der Macho-Typ an der Bar nun doch ein bisschen interessiert-verwirrt herüberguckt. Awareness schaffen und gleichzeitig zeigen, dass es sich zusammen auch gepflegt und vor allem sicher feiern lässt, sind bei Dream Nails keine Widersprüche. "Doom loop" ist geschlossener und im Songwriting ausgefeilter als das selbstbetitelte Debüt. Darüber hinaus, und das ist sogar noch besser, schafft es aber auch Räume für gesellschaftlichen Diskurs, für (Selbst-)Empowerment und für gegenseitigen Support. "Queer punks are here. Black punks are here. Trans punks are here. And we're just doing the thing that we love and want to do", gibt Kirby im Interview ganz selbstverständlich zu Protokoll. Schlichtweg Punk im besten Sinne.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Monster
  • Sometimes I do get lonely, yeah
  • Femme boi

Tracklist

  1. Good guy
  2. Case dismissed
  3. Geraniums
  4. Prevenge
  5. Monster
  6. Sometimes I do get lonely, yeah
  7. She's cutting my hair
  8. Femme boi
  9. Ballpit
  10. Time ain't no healer

Gesamtspielzeit: 31:56 min.

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User Beitrag

pounzer

Postings: 431

Registriert seit 24.08.2019

2023-10-19 17:36:08 Uhr
Hab sie Singles in den letzten Tagen rauf und runter gehört. Macht Spaß!

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28292

Registriert seit 08.01.2012

2023-10-18 20:37:09 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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