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Jamila Woods - Water made us

Jamila Woods- Water made us

Jagjaguwar / Cargo
VÖ: 13.10.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Kleine Überschwemmungen

"It's not gonna be a big production / It's not butterflies or fireworks / Said it's gonna be a tiny garden / But I'll feed it everyday." Jamila Woods ist frisch verliebt, doch weiß sie, dass man die rosarote Brille am besten gar nicht erst aufsetzt. Die zentrale Metapher von "Tiny garden", der dezent Achtziger-angelehnten ersten Single ihres dritten Albums "Water made us", ist sinnbildlich für das gesamte Schaffen der Chicagoerin. Als sie aus dem Umfeld von Chance The Rapper Mitte der 2010er-Jahre selbst in den Vordergrund trat, machte sie nicht mit großen Fanfaren auf sich aufmerksam, sondern mit einem entspannten Soul, der ihren Lyrics nie das Rampenlicht stiehlt. Woods versteht sich in erster Linie als Poetin, und ihre geistreichen Worte profitieren davon, immer genug Luft zum Atmen zu bekommen. Nachdem "Legacy! Legacy!" eine Reihe vornehmlich schwarzer bedeutender Personen würdigte, setzt sein Nachfolger nun auf mehr Introspektion. Mit dem Malkasten eigener Erfahrungen zeichnet "Water made us" die unterschiedlichen Phasen einer oder mehrerer Beziehungen nach, verzichtet dabei jedoch auch in den weniger schönen Momenten auf musikalische Wutbeutel à la "Muddy" oder "Basquiat".

So sind die titelgebenden "Bugs" des Openers Liebessymbole statt echte Sechsbeiner, dazu gleiten helle Streicher durch das akustisch geformte Naturidyll. "Practice" trägt die Frühlingswärme mit Bass und Synths weiter, ehe Gast-Rapper Saba ebenfalls kein Interesse daran zeigt, die in sich ruhende Atmosphäre zu stören. Der gleichsam aus Woods' Heimatstadt stammende Mann durfte bereits zu jeder ihrer Platten beitragen, was zeigt, dass die 34-Jährige in Feature-Angelegenheiten lieber lokales Talent fördert als bei ihren bekannteren Buddies durchzuklingeln. Das mysteriöse, verschleppte "Thermostat" unterstreicht diese Mission, wenn ein Autotune-Part von Peter Cottontale die sich zuvor auftürmenden Gitarren auflaufen lässt. Zu diesem Zeitpunkt ist der kleine Garten vom Anfang schon längst angefault, die Beziehung liegt im "Wreckage room" – auch wenn die gleichnamige Keyboard-Ballade eher Resignation als Ärger ausdrückt und nur die initiale Verzerrung von Woods' Kamillenbad-Stimme den konstanten Wohlklang aufbricht. Die emotionale und narrative Struktur von "Water made us" bleibt immer nachvollziehbar, einzig die zahlreichen Interludes wirken ein wenig redundant.

Die zurückgefahrene Intensität im Vergleich zum Vorgänger gleicht die Platte mit einigen stilistischen Verästelungen unter der weichen Schale aus. Der Folk-Pop von "Wolfsheep" reflektiert Vorstellungen von Gut und Böse mit akzentuierten Männerchören, bevor sich "Backburner" den nachtschwarzen Blues mit polyrhythmischem Hüftschwung abschüttelt. Generell entdeckt das letzte Albumdrittel die Leichtigkeit wieder: Das vom ersten Drumcomputer-Anschlag an mitreißende "Boomerang" könnte jede Genre-offene Indie-Disco im Alleingang überhitzen lassen, wenn es im Jahr 2023 noch so etwas wie Indie-Discos geben würde. Auch der Closer "Headfirst" erstreckt sich mit einer hypnotischen, nie stillstehenden Epik, die am Ende jede noch so kleine Ritze und Kuhle ausgefüllt hat. "Water made us" verweist im Titel auf ein Zitat von Toni Morrison zu den Überschwemmungen des Mississippi: Das Wasser erinnere sich daran, wo es einmal war, und fließe deshalb dorthin zurück – und genau das sei es, was Autor*innen machen, nämlich mit ihren Werken nach einem Ursprung, einer vergessenen menschlichen Wahrheit zu streben. Jamila Woods ist dem Sehnsuchtsort ihrer Kunst erneut ein gutes Stück nähergekommen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Bugs
  • Wolfsheep
  • Boomerang
  • Headfirst

Tracklist

  1. Bugs
  2. Tiny garden (feat. Duendita)
  3. Practice (feat. Saba)
  4. Let the cards fall
  5. Send a dove
  6. Wreckage room
  7. Thermostat (feat. Peter Cottontale)
  8. Out of the doldrums
  9. Wolfsheep
  10. I miss all my exes
  11. Backburner
  12. Libra intuition
  13. Boomerang
  14. Still
  15. The best thing
  16. Good news
  17. Headfirst

Gesamtspielzeit: 45:19 min.

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User Beitrag

AliBlaBla

Postings: 7227

Registriert seit 28.06.2020

2023-11-07 16:07:06 Uhr
Schöne Rezension. Trifft den eher ruhigen Soul ganz gut. Mich erinnert es eher an "HEAVN" von 2017 als an das Zwischenwerk, noch etwas luftiger, oder fluider halt... Kann mit Jorja Smith oder Kelela mithalten, finde ich.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27837

Registriert seit 08.01.2012

2023-10-11 22:07:51 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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