Hania Rani - Ghosts

Gondwana / Indigo
VÖ: 06.10.2023
Unsere Bewertung: 8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Die Welt hinter dem Piano
Hania Rani, die als Hanna Raniszewska im polnischen Danzig zur Welt gekommen ist, wurde eine ganze Weile vornehmlich als am Piano sitzende Virtuosin ihres Fachs wahrgenommen. Dass sie sich dort außerordentlich wohlfühlt, hat mit ihren unbestrittenen Fähigkeiten an den Tasten zu tun. Vom Kindesalter an, das betonte sie jüngst in einem ausführlichen Gespräch, feilte sie an ihren Qualitäten und empfand das alles eben gerade nicht als Qual, sondern als pures Vergnügen. "Esja", ihr feines Debütalbum einer noch immer eher am Anfang stehenden Solokarriere, war ein kraftvoller Beweis für ihre hohe Kunst. Rasch ordnete man sie der Kategorie Neoklassik zu, und so ganz falsch war das gewiss nicht. Auf ihrem Solo-Zweitwerk "Home", der 2020 nur ein Jahr nach "Esja" folgte, erweiterte sie ihr Spektrum allerdings um wohlplatzierte Elemente und wandte sich neuen Ufern zu. Nun hat sie für "Ghosts" den wohl bislang größten Schritt unternommen: mehr Elektronik, mehr musikalische Gäste, eigentlich mehr von allem – und damit ein Sprung auf eine neue Stufe.
"Oltre terra" schlägt zum Auftakt zunächst noch den rein instrumentalen Pfad ein und legt einen atmosphärisch dichten Grundstein. Im anschließenden "Hello" wird dann deutlich: Rani tritt selbstbewusst auch als Sängerin auf. "Room full of silence / Darker than night / Somebody is calling / It's time for goodbye / Hello, hello, hello, hello, hello", heißt es hier, und man kann sich Rani tatsächlich glänzend alleine in einem Raum sitzend vorstellen. Wie sie sich schließlich erhebt, bewegt und neue Bereiche erkundet. In diesen warten nicht nur neue Möglichkeiten der dezidiert elektronischen Untermalung, sondern auch durchaus prominente Gäste. Duncan Bellamy beispielsweise, Mitglied beim wunderbaren Portico Quartet, der am starken "Don't break my heart" ebenso mitgewirkt hat wie am intensiven "Thin line" zu Beginn des runden Album-Schlussviertels.
Apropos Gäste: Auch Ólafur Arnalds ist mit dabei, im entschleunigten "Whispering house", an dem die beiden in einem Studio herumschraubten, in dem regelmäßig betriebsame Geräusche von außen durch die Wände drangen. Man ist der Kunst von Hania Rani zwischendurch geradezu verfallen, wenn einen die düster-melancholische Stimmung in "24.03" packt oder ein wirklich schönes Gesangsduett mit Patrick Watson in "Dancing with ghosts" einen weiteren von vielen Höhepunkten setzt. "And the day has arrived on time / Silently hides what we find", hören wir hier und dürfen in aller Stille rätseln, was denn dort gefunden wird. Dazwischen, immer wieder: Stücke ohne Gesang, stimmige Zwischenparts, die alles sind, aber keine Lückenfüller. "The boat" sei hier als Beispiel genannt, das auch ein Verweis auf eine andere Betätigung der Musikerin ist: Die Polin trat und tritt als Komponistin von Filmmusik in Erscheinung.
"There's a song that never ends / Falls down my spine / Again and again", singt Hania Rani im erhabenen "Utrata", und sie beschreibt damit vortrefflich, wie es einem mit diesem kleinen Wunder von Album ergeht. Man möchte es wieder und wieder hören, tief eintauchen in einen mal schwelgerischen, mal wohligen und gelegentlich auch beängstigend bis gespenstischen Klangkosmos voller Entdeckungen. In dem eine Ausnahmekünstlerin auch für sich selbst ganz viel Neues erforscht und ausprobiert hat. Erst ganz am Ende, beim finalen "Nostalgia", sitzt sie wieder dort, wo sie auf ihrem Solodebüt "Esja" anzutreffen war: alleine am Klavier, ganz bei sich selbst. So schön auch das noch immer klingt: Es ist ein jederzeit greifbarer Gewinn, dass sie sich konsequent auf zuvor unbetretenes Terrain begeben hat.
Highlights
- Don't break my heart (feat. Duncan Bellamy)
- 24.03
- Dancing with ghosts (feat. Patrick Watson)
- Utrata
Tracklist
- Oltre terra
- Hello
- Don't break my heart (feat. Duncan Bellamy)
- 24.03
- Dancing with ghosts (feat. Patrick Watson)
- A day in never
- Whispering house (feat. Olafur Arnalds)
- The boat
- Moans
- Thin line (feat. Duncan Bellamy)
- Komeda
- Utrata
- Nostalgia
Gesamtspielzeit: 66:20 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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peter73 Postings: 3472 Registriert seit 14.09.2020 |
2024-10-15 13:24:09 Uhr
großartiges album. wien-gig wird notiert! |
Klaus Postings: 10300 Registriert seit 22.08.2019 |
2024-06-24 15:55:54 Uhr
Hania Rani & Ensemble present: "Ghosts" The complete album specially arranged for large ensemble. 23.03.2025 Warszawa, COS Torwar 29.03.2025 Luxembourg, Philharmonie Luxembourg 30.03.2025 Brussels, Cirque Royal 01.04.2025 Berlin, Philharmonie 04.04.2025 Paris, Salle Pleyel 07.04.2025 Wien, Wiener Konzerthaus 08.04.2025 Luzern, KKL Luzern 10.04.2025 Amsterdam, The Concertgebouw |
Vivat Virtute Postings: 181 Registriert seit 05.11.2023 |
2024-04-09 23:53:06 Uhr
Auch erwähnenswert übrigens, wie unglaublich gut die Vinyl-Pressung ist. Kein Rauschen, kein sonstiger surface-Noise (wie oft z.b. ganz oft bei sigur ros) kein garnix, das ist schon grandios. |
Old Nobody User und News-Scout Postings: 3954 Registriert seit 14.03.2017 |
2024-02-04 01:08:10 Uhr
Schöner Tip mal wieder vom YT Algoritmus,spielt dieses Jahr beim Traumzeit Festival in Duisburg |
ichreitepferd Postings: 1054 Registriert seit 22.04.2021 |
2024-01-07 21:00:52 Uhr
Live nochmal eine völllig andere Liga. Kann da auch nur nochmal den Auftritt beim besten Youtube-Kanal teilen.https://www.youtube.com/watch?v=J5oZ80Daduc |
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Referenzen
James Blake; Orion Sun; Chilly Gonzales; Nils Frahm; Portico Quartet; Sylvain Chauveau; Mammal Hands; Snorri Hallgrimsson; Max Richter; Hauschka; Ludovico Einaudi; James Heather; Dobrawa Czocher; Fraser Jaspal; Anna Wilhelm; Erland Cooper; Maxence Cyrin; Kate Bush; Enya; Balmorhea; Nolan Khan; Ceeys; Julia Kent; Niklas Paschburg; Luca Longobardi; Cocorosie; Ziemowit Klimek; Ólafur Arnalds; Patrick Watson
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