Ida Mae - Thunder above you
Vow Road / The Orchard
VÖ: 06.10.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Fortsetzung folkt
Mit dem Finger auf der Landkarte von England nach Tennessee, das nächste Etappenziel erreicht: Die Folk- und Blues-Erneuer*innen Ida Mae leugnen weiterhin frech ihre europäische Herkunft und sind immer noch auf den staubigen Straßen Nordamerikas unterwegs. Ihr drittes Album "Thunder above you" ist in so mancherlei Hinsicht anders gelagert als sein überschwänglicher Vorgänger "Click click domino", was allerdings nicht heißen soll, dass im fahrenden Band-Haus der Segen schief hängt. Stephanie Jean Ward und Chris Turpin teilen sich nun zwar offenbar nicht länger den Nachnamen, verehren sich gegenseitig in musikalischer Hinsicht aber weiterhin wie am ersten Tag. Ausgedrückt wird das nicht länger nur durch gigantische Harmonien und Melodiebögen wie einst, das Duo konzentriert sich stattdessen vielmehr auf angedunkelte Mood-Pieces – oder schlichtweg mehr Punch. Dabei wagt es aber auch öfter mal den Blick nach außen: So fokussiert sich das neueste Kapitel ihres niemals endenden Roadmovies nicht bloß auf Fahrer und Beifahrerin (respektive umgekehrt), sondern auch auf die gleichermaßen illustren wie zwielichtigen Gestalten, denen sie am Straßenrand begegnen.
Der stoische Beat von "My whispers are wildfire" kombiniert mit endreduzierter Quietschgitarre rückt Ida Mae noch weiter in die Nähe des tatsächlich britisch-amerikanischen Duos The Kills. Wo deren Alison Mosshart aber gerne zickt und zetert und fröhlich Veilchen verteilt, ist Ward weiterhin der aufopferungsvollen Romantik verpflichtet: "I'm gonna love you 'til the money runs out / I'm gonna love you 'til the wheels come off." "American cars" braut verschmiert-dreckigen Garage-Rock aus den Ida-Mae-Zutaten, der sich bissiger gibt als jemals zuvor und noch dazu einen unwiderstehlichen Refrain zu bieten hat. Das apokalyptische "Doing it for badness" verlässt sich anschließend auf dröhnenden Bass und witzigerweise an Korn-Intros gemahnende Gitarrenspielereien – bedrohlicher klingt Folk selten. Wie schon im Opener wird hier die selbstzerstörerische Komponente großer, teils ins Obsessive kippender Liebesbeziehungen thematisiert, der sich Ida Mae durchaus bewusst sind. Auf "Thunder above you" wird so lange gesoffen, gevögelt und mit der gestohlenen Karre der Eltern durchs Heartland geflüchtet, bis dass der Tod die Protagonist*innen ereilt.
Natürlich darf dann doch noch ein wenig geschmachtet werden, wie es "Lost on your time" und "To your love (I give my work)" beweisen. Gerade letztgenannter Song demonstriert, warum die E-Gitarre und verschnörkelte, dabei aber keinesfalls überdosierte Soli niemals aussterben werden. "My wild flying dove" macht epische sechs Minuten lang genau dort weiter, und Jack White verneigt sich vor Anerkennung. Bescheidener kommen der herzzerreißende Titeltrack und "Landslide" daher – wäre jenes "Landslide" tatsächlich ein Fleetwood-Mac-Cover, käme auch das nicht überraschend. Die weite Prärie bleibt weiterhin das bevorzugte Setting des Ida-Mae-Reiseberichts, und das spiegelt sich in der Musik wider: "Into your river" tänzelt durch endlose Landschaften voller Rasseln, Mandolinen und einsamen Pianotupfern, während die Sonne orangerot am Horizont versinkt. "Thunder above you" wurde live aufgenommen, ist roh wie frischer Fisch und dabei unmittelbarer, aber auch weniger ausladend und eingängig ausgefallen als "Click click domino". Ida Mae knirschen manchmal hörbar mit den Zähnen. Dann aber malen sie doch wieder kleine Herzchen in die staubigen Motel-Fenster jenseits der Highways, bevor sie sich zurück in die zerwühlte Bettwäsche fallen lassen.
Highlights
- My whispers are wildfire
- American cars
- Doing it for badness
- To your love (I give my work)
Tracklist
- My whispers are wildfire
- Into your river
- American cars
- Doing it for badness
- Lost on your time
- To your love (I give my work)
- My wild flying dove
- Feel the world turning
- Landslide
- Thunder above you
- Hold you like fading light
Gesamtspielzeit: 51:32 min.
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Referenzen
Kill It Kid; The Kills; The Dead Weather; The White Stripes; The Raconteurs; Jack White; Black Rebel Motorcycle Club; The Black Keys; Rival Sons; King Hannah; Band Of Skulls; Beware Of Darkness; Larkin Poe; Adia Victoria; The Delta Saints; Seasick Steve; The Marcus King Band; Greta Van Fleet; Benjamin Booker; Gary Clark Jr.; Jesper Munk; Wolfmother; Led Zeppelin; Bob Dylan; Tom Petty & The Heartbreakers; The Brew; Tito & Tarantula; Joe Bonamassa; Gov't Mule; Creedence Clearwater Revival; PJ Harvey; Beth Hart; Lucinda Williams; Buffalo Springfield; Neil Young; Fleetwood Mac; Janis Joplin; Daisy Jones & The Six; The Doors; The Rolling Stones
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