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Mitski - The land is inhospitable and so are we

Mitski- The land is inhospitable and so are we

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 15.09.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

The next best American record

"As I got older, I learned I'm a drinker / Sometimes a drink feels like family." Mitskis Erzählerin steht an der Schwelle zur Einsicht, doch wenn ein plötzlich einsetzender Gospelchor die Behaglichkeit des letzten Worts bekräftigt, schlägt die Tür zu. Die Selbstillusionen der Suchtkranken machen auch vor religiösen Rechtfertigungen nicht Halt: "When I'm bent over wishin' it was over / Makin' all variety of vows I'll never keep / I try to remember the wrath of the devil / Was also given him by God." Der Song heißt passenderweise "Bug like an angel" und kleidet sein Lament der leeren Versprechen in eine überhaupt nicht passende Akustik-Schmeichelei, an die Mitski Miyawaki ihre Stimme wie eine verliebte Angel Olsen schmiegt. Eine programmatische Eröffnung für "The land is inhospitable and so are we", das zwischen Lagerfeuer-Folk und orchestraler Grandeur in nicht nur geografische Abgründe blickt.

Das bereits siebte Album der 32-Jährigen ist in seiner stilistischen Erhabenheit nicht nur ihr rundestes bisher, sondern auch nach eigener Aussage ihr "amerikanischstes" – ein interessantes Attribut, wenn man das komplexe Verhältnis bedenkt, das die in Japan geborene Frau zu ihrer Heimat auf der anderen Pazifikseite hegt, und das sie schon erschöpfend besungen hat. Es überrascht wenig, dass sie ihre eigenen Worte mit der Nennung multinationaler Referenzen à la Stravinsky, Morricone und Caetano Veloso unterläuft – und doch spannen die Slide-Gitarren und der sachte Rhythmus des wundervollen "Heaven" ganz eindeutig verortete Präriebilder auf. Wenn die sich harmonisch im Wind wiegenden Streicher kurzerhand zum Galopp ansetzen, ist das kein Bruch, sondern die erneut perfekte Symbiose von Musik und Inhalt. Hinter der nur oberflächlich himmlischen Beziehung versteckt sich der hohe Preis der Selbstaufgabe: "Now I bend like a willow / Thinkin' of you / Like a murmurin' brook / Curvin' about you."

Nun also Americana, nachdem Mitski zuvor ihren schrammligen Indie-Rock in elektronischen Art-Pop überführt hatte, doch manche Aspekte ändern sich auch bei den wandelbarsten Künstlerinnen nicht: Wie immer dauert "The land is inhospitable and so are we" eine gute halbe Stunde, nur vier von elf Tracks reißen überhaupt die Drei-Minuten-Marke. Dennoch fühlt es sich nie so an, als würde etwas fehlen. Der staubige Stampfer "Buffalo replaced" klimpert seine ätherische Coda auf den Punkt, während "The frost" eine zeitlose Melodie in ein schmuckvolles Arrangement hüllt, das sich andere Platten nicht einmal auf voller Länge erlauben könnten. Dass die Orgel-Beschwörung "Star" nach ihrem kosmischen Abflug wieder schnell auf dem Boden landet, ist kein Versäumnis, sondern Abfederung schmerzvoller Erkenntnisse. Die Liebe ist wie ein Stern, schön anzuschauen, aber eigentlich schon längst tot. "I'm yours, no matter / That love's gone", verkündet Mitski, was im Angesicht vorher geschilderter Abhängigkeitsverhältnisse alles andere als aufmunternd klingt.

Nicht, dass es noch weitere Trostpflaster abseits ihrer Stimme benötigen würde, die im erdigen neuen Kontext noch heller als zuvor strahlt. Sie sediert in bester Lana-Del-Rey-Manier den Country-Soul von "My love mine all mine" und tropft wie ein Sommerregen durch das finale Trommelgewitter des sakral vibrierenden "The deal". Überhaupt begeistert es wieder, was für Wunder viele Songs im Schlussakt auffahren. Das dringliche "I'm your man" kulminiert in einem seltsam schönen Strudel aus Kirchenchor und Hundegebell, ehe "I love me after you" mit voller Shoegaze-Wucht den Vorhang zuzieht. Es sind Spuren der Rastlosigkeit Mitskis, die zuletzt in "Working for the knife" das ambige Verhältnis zu ihrem Kunstschaffen aufschnitt und nun erneut "I work myself to the bone" im Mondgeheul von "I don't like my mind" beklagt – und trotzdem nur ein Jahr nach "Laurel hell" ein Album raushaut, das in seinem Selbstverständnis so klingt, als wäre es das Einfachste der Welt. Die Sucht hat am Ende wieder gewonnen.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Buffalo replaced
  • Heaven
  • The frost
  • I'm your man

Tracklist

  1. Bug like an angel
  2. Buffalo replaced
  3. Heaven
  4. I don't like my mind
  5. The deal
  6. When memories snow
  7. My love mine all mine
  8. The frost
  9. Star
  10. I'm your man
  11. I love myself after you

Gesamtspielzeit: 32:21 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

bender

Postings: 50

Registriert seit 03.04.2020

2023-09-21 12:52:35 Uhr
Ok ich dachte mir noch, wieso sie auf Spotify so viele Aufrufe hat (für gewisse Songs so 500Mio.)...

Das Album ist für mich ihr bestes. Durchgängig stark. Ich mag diese Mischung aus Dreampop, Americana und Angel Olsen und dieses Ennio Morricone-mässige in der Mitte sehr. Meisterwerk.

Meine Highlights sind momentan:

Bug Like An Angel
The Frost
I Love Me After You

vinylium_senfterum

Postings: 16

Registriert seit 08.03.2023

2023-09-21 10:24:10 Uhr
Das ist ein wirklich schönes Album geworden. Mir gefällt der Folk-Ansatz und das Songwriting definitiv besser als die Mainstream-Synthies von Laurel Hell. Hier noch ein bisschen ausführlicher: https://youtu.be/DbGk_bWmt8A?si=WmhVdZpEvRV3K7HD

Old Nobody

User und News-Scout

Postings: 3321

Registriert seit 14.03.2017

2023-09-18 23:38:52 Uhr
Erster Eindruck: Kann man wieder gut durchhören,sehr angenehm. Hätte hier und da gerne was länger sein können,insbesondere bei When Memories snow und I love me after you,welche neben Star für mich zu den Highlights zählen

Klaus

Postings: 7607

Registriert seit 22.08.2019

2023-09-18 18:05:01 Uhr
Puh. Finde das leider sehr öde und angestaubt.

AliBlaBla

Postings: 4119

Registriert seit 28.06.2020

2023-09-18 16:59:09 Uhr
@edegeiler
Ich mochte den Pop Einschlag auf "Laurel hell" auch, aber dies berührt mich auch mehr. Evtl auch homogener als "Be the cowboy", welches Album häufiger läuft, wird sich zeigen...

Unter all den Star- Frauen (Swift, Rodrigo, Bridgers et al) die mir am meisten ans Herz gewachsene, ich empfehle ausdrücklich (Video-) Interviews mit ihr, sie äußert sich sehr putzig und eigen.
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