Allison Russell - The returner
Concord / Universal
VÖ: 08.09.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
Raumklimaziel erreicht
Manchmal ist Musik so offensichtlich gut, dass man vor einem Problem steht, wenn man sie nicht uneingeschränkt großartig findet. Allison Russells zweites Soloalbum "The returner" fällt in diese Kategorie. Es ist exquisit arrangiert, kompetent eingespielt, famos gesungen und feinsinnig produziert. Jeder Takt ist perfekt. Und doch fehlt irgendetwas. Was dieses etwas ist, darum soll es in dieser Rezension gehen. "The returner" ist verdammt gut, aber kein Meisterwerk. Das ist beileibe keine Tragödie, aber irgendwie schade. Denn das Talent der Künstlerin ist so überwältigend, dass sie sich durch das Streben nach Perfektion vielleicht ein wenig selbst ausbremst.
Doch der Reihe nach. Allison Russell ist nicht erst seit gestern musikalisch aktiv. Die Kanadierin begann ihre Karriere mit Projekten wie Po' Girl und Birds Of Chicago, bevor sie sich 2021 mit dem Album "Outside child" auf Solopfade begab. Nur kurze Zeit später regnete es Grammy-Nominierungen in der Americana-Kategorie. Eine solche Genrezuweisung wird Russells Musik aber nicht gerecht. Sie setzt sich mühelos über Grenzen hinweg und verbindet Einflüsse aus Bluegrass, Folk, Soul, Blues, Jazz und Pop zu einer betörenden Melange. Was auf dem Papier wie ein unvereinbares Chaos klingt, funktioniert in der Praxis erstaunlich gut. Russell zeigt eindrucksvoll, dass amerikanische Musik nie auf singuläre Einflüsse zurückzuführen ist. Der Schmelztiegel glüht. Vielleicht ist das auch die wahre Bedeutung des Sammelbegriffs "Americana".
Womit wir wieder bei "The returner" angelangt sind. In den zehn Tracks schlägt Russell die wildesten Haken, gleichzeitig weist jeder Song unverkennbar ihre Handschrift auf. Eine unverhohlene Gloria-Gaynor-Hommage wie "Stay right here" koexistiert mit einer banjo-infizierten Halbballade wie "Eve was black". Und irgendwo dazwischen bleibt noch genug Platz für unterkühlten Soul wie in "Shadowlands" oder gospelgetränkte Call-and-Response-Spielereien wie in "Springtime". Die Kompetenz trieft aus den Boxen. Und das ist die Crux an dieser Musik. Man kennt die Elemente, man findet sich sofort zurecht und doch will der letzte Funke nicht immer überspringen.
Gleichzeitig ist es absolut unmöglich, dieses Album mit einer niedrigeren Punktzahl abzustrafen. Bei aller berechtigten Kritik an der teils kalkuliert wirkenden Zitierwut ist das Dargebotene in der Summe über jeden Zweifel erhaben. Man kann es auch anders formulieren: Allison Russell klingt wie viele andere, aber niemand klingt wie Allison Russell. Wo andere Texturen sehen, nimmt sie den Quellcode wahr. Sie baut die Brücken dort, wo schon längst welche stehen müssten. Und manchmal gelingt es ihr, in unbekannte Regionen vorzustoßen. Einen Song wie "Snakelife" kann man nur schreiben, wenn man ein Genie ist. Das ist Motown für die postmotorisierte Gesellschaft. Musik für die global erwärmte Seele.
Highlights
- Springtime
- Eve was black
- Snakelife
Tracklist
- Springtime
- The returner
- All without within
- Demons
- Eve was black
- Stay right here
- Shadowlands
- Rag child
- Snakelife
- Requiem
Gesamtspielzeit: 44:06 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Grizzly Adams Postings: 5323 Registriert seit 22.08.2019 |
2023-09-18 18:58:18 Uhr
Die Rezi trifft es ziemlich auf den Kopf. Hab ebenfalls den Eindruck, dass hier sehr starke Songs am Start sind, aber der letzte Funke nicht so recht überspringen will. Eine Sammlung, die eine unglaubliche Breite Range zeigt und vielleicht deshalb eher wie ein Best of daherkommt. Gehe daher mit der Wertung mit. Ist für mich kein Album, welches ich mir zwingend am Stück anhören muss. Dennoch viel zu gut, um es nach einmaligem Hören irgendwo im Regal verstauben zu lassen. |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 27366 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-09-17 20:28:32 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
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Referenzen
Po' Girl; Birds Of Chicago; Gloria Gaynor; Amythyst Kiah; Brandi Carlile; Our Native Daughters; Amanda Shires; Valerie June; Joy Oladokun; Courtney Marie Andrews; Aoife O'Donovan; Sarah Jarosz; Lucius; Patty Griffin; Eilen Jewell; Sunny War; Lucinda Williams; Rhiannon Giddens; Mary Gauthier; Ondara; The Wailin' Jennys; The Secret Sisters; The Weather Station; Ray LaMontagne; Basia Bulat; Sara Watkins; Rosanne Cash; Joan Baez; Joni Mitchell; Roberta Flack; Lauryn Hill; Molly Tuttle; Gillian Welch; Sharon Van Etten; Indigo Girls
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- Allison Russell - The returner (2 Beiträge / Letzter am 18.09.2023 - 18:58 Uhr)