Hiss Golden Messenger - Jump for joy
Merge / Cargo
VÖ: 25.08.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
Gelebter Traum
"No such thing as a simple song." Das Eröffnungs-Statement von "20 years and a nickel" wirkt ein wenig widersprüchlich, überzeugt der Song gerade durch seine sonnige Direktheit. Natürlich meint MC Taylor hier aber vor allem den Entstehungsprozess. Für das bereits 15. Album seines Bandprojekts Hiss Golden Messenger hat er sich in bester Hochliteratur-Manier ein teils autobiografisches Alter Ego ausgedacht: einen Teenager namens Michael Crow, der seine ersten Gehversuche im Musikbusiness startet. "I'm waitin', tryin' to write my masterpiece / And it's comin' out a riddle", gerät er gleich vom Opener an ins Stolpern, doch die Platte meint ihren Titel "Jump for joy" keinesfalls ironisch. Nachdem sich Taylor auf dem Vorgänger, dem Pandemie-Dokument "Quietly blowing it", auf einem emotionalen Tiefpunkt befand, wollte er diesmal bewusst die andere Seite betonen. Seine immer schon weit gefasste Interpretation von Americana erstreckt sich dafür von Kalifornien über New Orleans bis nach Memphis, um die besten Grooves des Landes zu lebensfrohem Southern Rock zusammenzubrodeln. Rein akustisch würde man meinen, Crows Karriereweg sei der unbeschwerteste der Welt.
Doch die Texte wissen es besser. "Let me write just one verse that doesn't feel like persuasion", fleht der verzweifelte Erzähler von "The wondering", um kurz darauf seine Motivation zu erklären: "Ever since I was a little thing / I've had that certain kind of hunger / Nothing satisfied me." Klingen Hiss Golden Messenger hier mit Piano-Perlen, Slide-Gitarre und Hammond-Orgel recht klassisch, kommt der unstillbare Hunger an anderen Stellen stilistisch zum Vorschein. "Woke up this morning, my God I felt happy / What a strange sensation", verkündet "Shinbone" zu im Synthie-Pool planschendem Yacht-Rock, während der Nashville-Soul von "I saw the new day in the world" womöglich schon den Mandarinenmond von "Jesus is bored" per Saxofon anheult. Gelangweilt ist in letztgenanntem Track aber vor allem Crow, der seine Heimatstadt lieber früher als später hinter sich lassen möchte – der zart zitternde, sicher auch den Dessner-Zwillingen gefallende Beat räumt ihm jedenfalls die Straße frei. "Nu-grape" formt den jungen Protagonisten dann plötzlich zum nachdenklichen Grabsteinmetz um, ein paar Bläser wehen über die warme Erde und bereiten den Boden für große metaphysische Erkenntnisse: "I'm just a nail in the house of the universe."
Bis hierhin erfüllt "Jump for joy" seine Mission als Gute-Laune-Platte bereits vorbildlich, setzt in der Folge aber noch einen drauf. "Feeling eternal" nickt in Richtung der Plattentests.de-Lieblinge The War On Drugs, indem es aus seiner stoischen Aufbruchsmotorik die Euphorie rauspresst. "Gimme apocalypse", fordert anschließend der famose Titeltrack, dessen polyrhythmische Sumpfläufe an die von Taylor verehrten Little Feat erinnern. Hiss Golden Messenger können es allerdings immer noch ganz anders. Das von Bass und Akustikgitarre getragene "My old friends" sucht introspektiven Folk, um aus der erwachsenen Perspektive auf die Bedeutung des Zwischenmenschlichen hinzuweisen: "And the numbers grow fewer / But the stories feel truer / Because we're the ones that wrote 'em." Wenn der bluesige Rausschmeißer "Sunset on the faders" schließlich verdientermaßen klischeehaft in den Sonnenuntergang reitet, spürt man die narrativ nachvollziehbare Entwicklung, die Taylor-Crow in den vergangenen 40 Minuten vollzogen hat. Da verzeiht man ihm und seinen Kompagnons gerne ein Trio nichtssagender Interludes sowie den etwas blassen Blubber-Funk von "California king". Den Freudentaumel des Musikmachens mit gleichzeitiger Beachtung seiner Kehrseite haben Hiss Golden Messenger wunderbar unter einen Hut bekommen.
Highlights
- Jesus is bored
- Feeling eternal
- Jump for joy
Tracklist
- 20 years and a nickel
- Alice
- I saw the new day in the world
- Shinbone
- Little pink church
- Jesus is bored
- Nu-grape
- Feeling eternal
- Jump for joy
- The wondering
- Palo Santo / Cloud Mesa
- California king
- My old friends
- Sunset on the faders
Gesamtspielzeit: 40:02 min.
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