Miles Kane - One man band

Modern Sky UK / Virgin / Universal
VÖ: 11.08.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10

Wohlstandsverwahrlosung im Arbeiterviertel
Das muss man erstmal schaffen: Seit zwanzig Jahren kontinuierlich Musik veröffentlichen und trotzdem immer knapp unter dem Radar fliegen, zuerst mit den Bands The Little Flames und den Rascals, dann als 'der Andere' neben Alex Turner bei The Last Shadow Puppets. Daneben gab es Zusammenarbeiten mit Noel Gallagher und Graham Coxon. Miles Kane ist bestens vernetzt in der nordenglischen Szene und feuert nur knapp 19 Monate nach dem Vorgänger "Change the show" das nächste Soloalbum raus. Dabei hat Miles Kane seinen im Nothern Soul verhafteten Sound nochmals entschlackt und nur Gesang, Schlagzeug, Bass und Gitarre übrig gelassen. Schon die ersten Töne des Aufmachers "Troubled son" zeigen, hier liegt der Fokus auf catchy Melodien, eingängigen Hooks und im Gesang bei der ganz großen Geste à la Robbie Williams auf Stadiontour. Sofort zieht es einen in den Bann, und der Song bleibt noch Tage danach im Ohr. Eigentlich beste Voraussetzungen für ein richtig gutes Pop-Album.
Und um diese Qualität über die Langsstrecke zu schaffen, hat Miles Kane sich Verstärkung besorgt: Tom Odgen (Blossoms) und Keiran Shudall (Circa Waves) haben beim Songwriting geholfen. Produziert und miteingespielt haben das Album die Cousins von Miles Kane, die Gebrüder Skelly – eigentlich mit The Coral sehr erfolgreich. Der Albumtitel "One man band" ist also eine dermaßen unglaubliche Tiefstapelei. Bei den elf Tracks gibt es keine Hänger, aber einige Perlen. Mit "Baggio", der Verbeugung vor Roberto Baggio, dem italienischen Nationalspieler und Helden seiner Kindheit, schafft es Kane, ein nostalgisches Panini-Album-Gefühl heraufzubeschwören. Nicht nur hier setzt er seine twangende Gibson ES335 als prägendes Instrument ein, um Sounds zu erzeugen, die wie das Mittelmeer glitzern. Die weiteren Songs mit Hitpotenzial "Heartbreaks" und "Never taking me alive" werden ebenso – mal durch Fuzz, mal durch Vibrato – mit eingängigen Gitarrenriffs versehen, die an Paul Weller, Ocean Colour Scene und sogar an die Strokes erinnern. Kane tappt nicht mal in die Falle, irgendwo eine Klavierballade unterzustellen, weil das ein gutes Popalbum ausmachen würde. Sondern er schließt das Album mit der noch nicht ganz peinlichen Akustikschnulze "Scared of love" – konsequent die Gitarre nicht aus der Hand gelegt.
Und es stellt sich schon die Frage: Warum bleibt der ganz große Erfolg eigentlich aus? Schließlich ist "One man band" ein Album, das besagten Robbie Williams sofort auf die Eins katapultiert hätte. Vielleicht liegt es daran, dass Kane sich mit seinen Songschreiberfreunden und der produzierenden Großfamilie so eingerichtet hat, dass alles ohne Streit und Stress eingespielt wurde, wie er in Interviews erzählt. Es fehlt ihm die ganz große Erzählung des Rock'n'Roll von Rausch, Absturz und Wiederaufstieg; kein Konflikt mit den Lebensverhältnissen, keine Reibung, die irgendetwas anzündet. Es könnte aber auch an der Selbstinszenierung liegen, die ihn mit seiner Cartier-Kette und den Designer-Klamotten wirken lässt wie den reichen, privilegierten Bengel im Viertel, dem noch nicht aufgefallen ist, dass seine Kollegen von der Insel längst andere Probleme besingen. Dieser Eindruck ist im Video zu "Troubled son" erschreckend gut eingefangen: Kane läuft durch das Arbeiter-Pub, bleibt überall kurz hängen, aber gehört nirgendwo richtig dazu, bis er draußen allein und telefonierend neben dem BMW steht. Die Cartier-Kette baumelt im Licht. Also wieder rein ins Pub, jetzt wäre der Zeitpunkt, die Geschichten für die Lieder von morgen zu erleben. So richtig Spaß macht es auch erst, wenn man durchdreht und nicht mehr unter dem Radar fliegt.
Highlights
- Troubled son
- Never taking me alive
- Heartbreaks (The new sensation)
- Baggio
Tracklist
- Troubled son
- The best is yet to come
- One man band
- Never taking me alive
- Heartbreaks (The new sensation)
- The wonder
- Baggio
- Ransom
- Doubles
- Heal
- Scared of love
Gesamtspielzeit: 33:11 min.
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2023-09-09 12:03:59 Uhr
Steht mittlerweile ja sehr im Schatten von Harry Kane. Aber auch Miles hat es drauf und mit "One Man Band " ein schönes, neues Album veröffentlicht, das hier leider keine Besprechung bekommen hat.Nach dem ich ihn die letzten Jahre etwas aus den Augen verloren habe, gefällt mir das hier wieder ganz gut. Hat sicherlich nicht das Zeug zum Klassiker und wird auch in der Jahresliste nicht auf dem Treppchen landen. Aber Songs wie Troubled Son, One Man Band und Baggio lassen sich gut weghören. |
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Referenzen
Sam Fender; Alex Turner; The Coral; Blossoms; Circa Waves; The Last Shadow Puppets; The Jaded Hearts Club; Arctic Monkeys; Blur; Muse; The Zutons; The Little Flames; The Rascals; Robbie Williams; Johnny Marr; Libertines; T.Rex; The Strokes; The Pigeon Detectives; The Rifles; Alex Turner; The Enemy; Courteeners; Milburn; The Vaccines; Dirty Pretty Things; Jake Bugg; Noel Gallagher's High Flying Birds; Beady Eye; The Temptations; Albert Hammond Jr.; Babyshambles; The View; The Family Rain; The Heavy; Graham Coxon
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