Explosions In The Sky - End

Bella Union / [PIAS] Cooperative / Rough Trade
VÖ: 15.09.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10

Eine Welt aus Papier
Wie sieht eigentlich Dunkelheit aus? Farben verblassen, Umrisse verschwinden, alles wird zu grau, wird zu schwarz. Bis da nur noch eine einzige monochrome, jedes Licht verschluckende Fläche übrig bleibt. Dunkelheit eben. Und wie hört sich das an, übersetzt in Musik? Vielleicht nicht unbedingt so, wie man sich den prismatisch schillernden Post-Rock von Explosions In The Sky gemeinhin vorstellt. Und dennoch: "End", das siebte reguläre Album der Routiniers aus Austin, Texas, ist dem Vernehmen nach von eben jenem lichtarmen Zustand inspiriert. Was ein bisschen kurios anmuten mag, zugegeben, aber die Verwunderung legt sich schnell. Und mit jeder Minute, die vergeht, nimmt das Gefühl der Vertrautheit und des Wohlbehagens weiter zu. Explosions In The Sky haben sich Zeit genommen, ganze sieben Jahre sind seit "The wilderness" ins Land gezogen. Würde man "End" nun als Quintessenz des bisherigen künstlerischen Schaffens bezeichnen, als Punkt, an dem vieles zusammenläuft, was die letzten zweieinhalb Dekaden immer schon da war, was auf unumstrittenen Referenzwerken wie "All of a sudden I miss everyone" und "The earth is not a cold dead place" und anderswo Eingang fand, man läge sicher nicht falsch. Aber es klingt auch langweiliger, als dieses Album tatsächlich ist. Für diese wortlose Klangkunst die richtigen Worte zu finden, ist gar nicht so einfach.
Klick-klack, klick-klack. "Ten billion people" startet mit Geplänkel, hinter welchem sich langsam ein Teppich aus verschiedenen Instrumenten ausbreitet wie die Wolken um den Berggipfel, der auf dem Artwork zu sehen ist. Bis sich der erste Anschein einer Melodie zu erkennen gibt, sind wir bereits bei Minute drei angelangt. Im letzen Drittel des Openers nimmt der Druck dann mit einem Mal ab, ein Moment der Klarheit tut sich auf, die erste Gelegenheit zum Atemholen, bevor die Tour de la Musique wieder an Fahrt aufnimmt. Denn auch "Moving on" steht gut im Saft, kraftvoll und mithin sogar rockig präsentieren sich die vier Filmfreunde hier, spielfreudig und für ihre Verhältnisse durchaus geradlinig. Für die besondere Farbnote sorgt eine Orgel, mit rund viereinhalb Minuten bewegt sich der Song beinahe noch in radiotauglichen Gefilden. Schon mehr in Richtung sphärischer Sound-Experimente weisen dagegen die ersten Takte von "Loved ones", wenn Klangfetzen vorbeiziehen und es – ja was eigentlich? Donnert? Erst mit dem Einsetzen des Pianos bricht die Sonne durch, und was dann folgt, sind die schönsten Momente auf "End". Vielleicht. Wir werden sehen.
Auch was die andere Kategorie der philosophischen Ästhetik angeht, die Erhabenheit, ist die Sache bis hierhin noch unentschieden. Gegenüber dem expressiven Beginn erscheint "Peace or quiet" zunächst wie ein stilles Interludium, dreht aber gegen Ende unerwartet noch mal auf. Und mit "All mountains" folgt gleich der nächste Song, der am Gipfelpunkt seiner Intensität wie eine entfesselte Naturgewalt über den Hang föhnt. Stillstand ist nicht vorgesehen, alles ist in Bewegung – und vom reglosen Zustand der Dunkelheit ist dieses musikalische Spiel der Urkräfte denkbar weit entfernt. Aber nicht nur die vermeintliche Inspirationsquelle lockt so gesehen auf falsche Fährten. Der Titel des Albums lädt naturgemäß zu Spekulationen ein: Soll es das etwa gewesen sein? Klingt so das Ende – der Band? Die schlichte Antwort: nein. "'End' marks the band’s seventh, but not final, studio album", lassen Explosions In The Sky vorsorglich verlautbaren. Wäre das also geklärt. Wie klingt aber das Ende von "End"? "The fight" kommt noch einmal dringlich, dröhnt und streckt sich dem Himmel entgegen. Dissonante Gitarren, ein druckvolles Schlagzeug, ein furioses Finale. Könnte man meinen. Zum wirklichen Abschluss von "End" darf jedoch das leicht verwaschene "It's never going to stop" eher gemächlich austrudeln. Und auch das klingt, in Worte gekleidet, wenig spektakulär, aber ist einfach – schön.
Highlights
- Moving on
- Loved ones
- It's never going to stop
Tracklist
- Ten billion people
- Moving on
- Loved ones
- Peace or quiet
- All mountains
- The fight
- It's never going to stop
Gesamtspielzeit: 45:34 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Leech85 Postings: 674 Registriert seit 15.03.2021 |
2023-09-26 15:10:28 Uhr
Was für ein grossartiges Album ist dass denn bitte?EITS sind zurück und wie! Endlich wieder Melodien und Gitarrenriffs die seines Gleichen suchen und den Drang zur Repeattaste extrem erhöhen. Das Album beginnt toll und findet in Loved Ones einen ersten Höhepunkt. Für mich ein Song den sie seit Memorial nicht mehr geschrieben haben. Peace or Quiet erscheint zuerst relativ unspektakulär, nimmt aber immer mehr Fahrt auf und ist im Endeffekt auf ähnlichem Level wie die Tracks zu Beginn. Mit All Mountains folgt dann nochmals ein Brocken wie Loved Ones der für mich schon jetzt zu den Karrieren Highlights gehört. Der Song strotzt nur so vor Kraft und Energie. The Fight ist dann für mich der schwächste Song aber was heisst das schon bei einem solchen Album? Grossartiges mehr ambient-lastiges Ende dann mit its never going to stop, der Song mischt für mich den Stil von Wilderness und END perfekt. Bisher würde ich es als 2. bestes Album von EITS einstufen. Muss aber Those who tell the truth....nochmals hören um das ganze definitiv einordnen zu können, ist nämlich auf ähnlichem Niveau. |
cargo Postings: 637 Registriert seit 07.06.2016 |
2023-09-23 10:09:16 Uhr
Wirklich traurig, dass das neue Album der Amigos ein vielfaches der Aufmerksamkeit hier bekommt...Haben inzwischen Tickets für das Konzert in Paris gesichert. Lässt sich wunderbar mit einem Wochenendtrip verbinden und ist sogar noch von allen Tourstops am nähesten (2h mit dem Zug). "Moving On", "All Mountains" und "The Fight" scheinen es in die aktuelle Setlist geschafft zu haben. |
NeoMath Postings: 1447 Registriert seit 11.03.2021 |
2023-09-22 14:27:28 Uhr
Schön zu hören, dass sie endlich wieder richtige EITS Musik machen. Geflasht hat's mich bislang zwar nicht, aber das muss nix heißen... vielleicht liegts auch an meiner Post-Rock-Müdigkeit. Mal sehen oder besser hören, ob das Album noch wächst. |
MartinS Plattentests.de-Mitarbeiter Postings: 1359 Registriert seit 31.10.2013 |
2023-09-21 20:17:29 Uhr
Hat viel mehr Aufmerksamkeit verdient. Nach der doch recht orientierungslosen "Wilderness" und einer ewigen Pause so zurückzukommen ist echt nicht schlecht."The fight" ist grandios gut! |
keeeyt Postings: 66 Registriert seit 17.08.2023 |
2023-09-16 12:15:12 Uhr
Bin so froh dass ich mir Tickets für Köln geholt habe. Das Album ist richtig gut. |
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Referenzen
Explosions In The Sky & David Wingo; God Is An Astronaut; If These Trees Could Talk; Collapse Under The Empire; This Will Destroy You; Do Make Say Think; 65daysofstatic; Sigur Rós; Mogwai; Godspeed You! Black Emperor; The Album Leaf; Long Distance Calling; Red Sparowes; Russian Circles; Caspian; Maybeshewill; Ef; Immanu El; And So I Watch You From Afar; Dana Plan; Eluvium; Codes In The Clouds; Balmorhea; A Silver Mt. Zion; Set Fire To Flames; Jakob; Leech; Jeniferever; From Monument To Masses; Gregor Samsa; Crippled Black Phoenix; Mono; Moving Mountains; Have A Nice Life; Cult Of Luna; Sunn O))); The September Malevolence; Ólafur Arnalds; Back In Communist Russia; Karma To Burn; The Mercury Program; Deafheaven; The Appleseed Cast; Bell Orchestre; Efrim Manuel Menuck; Jonny Greenwood; Cliff Martinez; Isis; Neurosis; Envy; Clint Mansell; Kronos Quartet; Trent Reznor & Atticus Ross
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