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Slowdive - Everything is alive

Slowdive- Everything is alive

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 01.09.2023

Unsere Bewertung: 8/10

Eure Ø-Bewertung: 8/10

Not just for a day

Slowdive können eigentlich nur verlieren. Ihr selbstbetiteltes 2017er-Album war ein Großereignis: Der vorfreudige Rausch über die Rückkehr der Shoegaze-Legenden wurde nur von der Platte selbst übertroffen, die an die Neunziger-Werke nicht nur anknüpfte, sondern sie stellenweise sogar in den Schatten stellte. Doch anstatt die Blöße zu riskieren, die himmelhohe Latte nicht erneut überspringen zu können, laufen Slowdive einfach dran vorbei. "Everything is alive", ihr zweites Album nach der Reunion und fünftes insgesamt, versucht nicht, den Vorgänger zu kopieren, sondern wählt einen anderen Ansatz. Basierend auf Demos, die Neil Halstead ursprünglich für ein minimalistisch-elektronisches Solo-Projekt aufnahm, ist es meditativer und freiförmiger, weniger direkt und songorientiert. Ganz an die Abstraktion des unterschätzten "Pygmalion" wagt sich der wieder größtenteils seinem Gitarrenhall vertrauende Fünfer zwar nicht, ein zweites "Star roving" ist jedoch auch ein paar Feedback-Explosionen weit weg.

So eröffnen schwere Synth-Arpeggios den Opener "Shanty", ehe schroffer Saiten-Krach den Song in eine andere Richtung zerrt. Mit Seemannsliedern hat diese nichts zu tun, stattdessen setzen der Beat sowie die Stimmen von Halstead und Rachel Goswell ein, die in den mitreißenden, nachtschwarzen Klangfluten um Oberwasser kämpfen. Es muss also niemand befürchten, dass Slowdive am Tempel der Weiterentwicklung ihre wesensstiftende Magie geopfert hätten – unter Mixing-Mithilfe von Shawn Everett fügen sich alle neuen und alten Elemente zu einem gewohnt wundervollen Ganzen zusammen. Ihren ungebrochenen Eigensinn äußert die Band gleich an zweiter Stelle, wenn dort nicht wie so oft der Hit des Albums auftaucht, sondern ganz im Gegenteil "Prayer remembered": ein zartes Instrumentalstück, bei dem man unweigerlich die ganze Zeit auf das Falsett von Sigur-Rós-Sänger Jónsi wartet. Der frühe Intensitätsabfall irritiert nur solange, bis einen der sedative Kokon vollumfänglich umhüllt hat.

"Alife" nimmt gleich im Anschluss wieder Fahrt auf, überzieht seinen Dream-Pop-Dynamo mit einer new-wavigen Eisschicht, die im Vorwärtstreiben abschmilzt. Nicht nur hier verzahnen sich Trauer und Hoffnung eng miteinander: "Everything is alive" ist in seiner Gänze Goswells Mutter und dem Vater von Drummer Simon Scott gewidmet, die beide 2020 verstarben, will sich aber bereits im Titel nicht als niedergeschlagener Grabesmarsch verstanden wissen. Die erste Single "Kisses" wirkt aufs erste Ohr wie ein simples Liebeslied, lässt unter der Oberfläche jedoch die komplexen Gefühle brodeln: "Maybe there's a car there / Driving away from here / Taking all the ghosts, the hurt / Well, everything starts anew." Ebenso wie das folgende "Skin in the game" mit seinem sterbensschönen Finale zeigt der Track darüber hinaus, wie sehr Slowdive teils selbst gesetzte Genre-Standards nach wie vor mit Leben füllen können.

Dabei spielt es auch keine Rolle, wie lange sie die Spannung aufrechterhalten müssen: Am Ende bleibt immer die Sehnsucht, sie würden endlos weiterspielen. Die akustisch umschmeichelte Ballade "Andalucia plays" kommt diesem Wunsch fast nach, entschwebt nach knapp sieben Minuten aber dann doch ins Jenseits. Ähnlich lang dauert "Chained to a cloud", das als Synthwave-Hypnose mit aneinanderreibenden Vocal-Impulsen die elektronische Seite des Albums am stärksten in den Fokus rückt. Slowdive drängen nach draußen – kein Song macht das so deutlich wie der fulminante Closer "The slab", der Aufbruch statt Abschluss vermittelt, indem die Gitarren in alle Richtungen gleichzeitig schießen. Auch als stilbildende Band, bei der die Vergangenheit immer mitschwingt, scheuen sich die Brit*innen nicht vor der Zukunft. "Everything is alive", in der Tat.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Shanty
  • Skin in the game
  • The slab

Tracklist

  1. Shanty
  2. Prayer remembered
  3. Alife
  4. Andalucia plays
  5. Kisses
  6. Skin in the game
  7. Chained to a cloud
  8. The slab

Gesamtspielzeit: 41:46 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

NeoMath

Postings: 1447

Registriert seit 11.03.2021

2023-09-12 12:05:02 Uhr
Bisher mag ich das Album gerne hören; umhauen tut es mich jedoch nicht. Kommt vielleicht noch... bisher ist es für mich lediglich "ein Album" ohne besonders hervorstechende Qualitäten.

peter73

Postings: 2264

Registriert seit 14.09.2020

2023-09-12 11:10:26 Uhr
wunderbares album, als ob man auf einer wolke schweben würde... 8/10 gehen in ordnung.

die fade-outs kümmern mich (noch) nicht, falls das mal ein problem wird mische ich die songs einfach via audacity zu einem einzelnen langen stück zusammen und gut ist´s !

Herr

Postings: 1918

Registriert seit 17.08.2013

2023-09-11 23:34:41 Uhr
Letztendlich versäume ich die Enden der Songs ohnehin meist, weil ich dabei Kaffee trinke, und der ist oft fade geworden, so dass ich out in die Küche husche, einen neuen ziehen, bevor das nächste Stück infadet.

Mann 50 Wampe

Postings: 2853

Registriert seit 28.08.2019

2023-09-11 18:53:59 Uhr
Ohne die Diskussionen hier, wären mir die Fade Outs wahrscheinlich nicht mal weiter aufgefallen.

Gomes21

Postings: 4721

Registriert seit 20.06.2013

2023-09-11 13:24:12 Uhr
Ich verstehe es persönlich ebenso als Stilmittel wie so manche Sounds. Ja klar, muss einem trotzdem nicht gefallen, verströmt für mich aber ein bisschen einen Charme älterer mäßig produzierter Platten.
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