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Charlotte Cardin - 99 nights

Charlotte Cardin- 99 nights

Cult Nation / Atlantic / Warner
VÖ: 25.08.2023

Unsere Bewertung: 6/10

Eure Ø-Bewertung: 7/10

Es liegt wirklich nicht an Dir

"I don't know why my brain's not cooperating", lamentiert Charlotte Cardin, bevor sie ein paar Zeilen verzweifeltes Französisch hinterherschiebt und in "Enfer" tatsächlich einigermaßen so wirkt, als sei sie ziemlich durch den Wind. Die franko-kanadische Singer-Songwriterin aus Montreal ist es normalerweise gewohnt, nach Tief- und Rückschlägen wie der "Phoenix" aus der Asche zurückzukehren und ihren Thron wieder zu erklimmen, gibt nun aber offen zu, dass sie dabei hin und wieder ins Straucheln gerät. Der Mut zur Verletzlichkeit steht ihr gut zu Gesicht, und wie schon zuvor findet sie klare Begrifflichkeiten für ihr Innenleben. "Enfer" bedeutet "Hölle", steht hier stellvertretend für unstillbare Sehnsucht, unbefriedigte Bedürfnisse, für Abhängigkeit und Verlangen. Auf Cardins zweitem Album "99 nights" adressiert die Künstlerin vorwiegend ihre eigenen Dämonen und geistige Gesundheit, aber auch immer wieder ihre Erschöpfung. Oder wie es zum Billie-Eilish-Beat der ersten Single "Confetti" heißt: "I feel like a zombie / I'll die at the party." Es geht nicht länger nur um Fuckboys, es geht um Leben und Tod.

"I'm so high I see the future / I'll be crying in the Uber": Zwischen all den nächtlichen Ausflügen in den Club, die R&B-Lounge oder die Jazz-Bar macht sich eine drückende Katerstimmung breit, und der letzte Drink war immer einer zu viel. Der entscheidende Funke Lebendigkeit in so manchen Songs fehlt: "Way back" paraphrasiert seine Melodie zwar zusätzlich durch ein souliges Saxofon, ist aber relativ blutleer geraten. Auch "Someone I could love" ist nett-eingängig, aber austauschbar, könnte genauso gut von jemand anders gesungen sein. Das musikalisch ähnlich gelagerte, jedoch abgründigere "Daddy's a psycho" fällt hier zumindest durch seinen bissigen Text auf: "I'm just out of fucks to give." Das hört man. So beschwingt wie im ohrwurmigen Hit "Jim Carrey", in dem Cardin ihre verschiedenen Stimmungen respektive Persönlichkeiten feiert und darüber fantasiert, den ebenso gestaltwandlerischen Schauspieler zu ehelichen, zeigt sie sich auf "99 nights" selten.

Im Achtziger-inspirierten, ebenfalls tollen Titeltrack beklagt sie eine in physischer und psychischer Hinsicht leidenschaftslose Beziehung, die langsam, aber sicher ihrem Verfallsdatum entgegensteuert: "99 nights go by / Baby, that shit don't fly." Deutliche Worte, aber Cardin beißt die Zähne zusammen, will noch nicht aufgeben. Muss vielleicht doch ein alternatives Partnerschaftskonzept herhalten? Das auf Amy Winehouses Spuren wandelnde "Somebody first" hätte da vielleicht eine Idee. Was die "voices in my head" aus "Looping" dazu meinen? Cardin bleibt trotz absolut Mainstream-tauglicher Zutaten erfrischend edgy, muss verglichen mit ihrem Erstling "Phoenix" und Großartigkeiten wie "Anyone who loves me" in Sachen Intensität aber ein paar kleinere Federn lassen. Ihre Markenzeichen bleiben Stimme und Attitüde, sie wirkt weiterhin zum Teil wie eine Art Anti-Adele, die es mit dem Wein ein bisschen zu gut gemeint hat. Man wünscht der 28-Jährigen, dass sie zum Ausgangspunkt im Refrain von "Puppy" zurückfindet: "It's alright / I'm in a good state of mind." Und danach auch wieder ein bisschen mehr in Flammen steht.

(Ralf Hoff)

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Highlights

  • Enfer
  • Jim Carrey
  • 99 nights

Tracklist

  1. Puppy
  2. Enfer
  3. Confetti
  4. Way back
  5. Jim Carrey
  6. How high
  7. Somebody first
  8. 99 nights
  9. Someone I could love
  10. Looping
  11. Daddy's a psycho
  12. Next to you

Gesamtspielzeit: 38:50 min.

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(Neueste fünf Beiträge)
User Beitrag

Ralph mit F

Postings: 730

Registriert seit 10.03.2021

2024-01-21 12:14:11 Uhr
Sehr schön, dass das erste tränenreiche Geständnis im diesjährigen Dschungelcamp mit "Next to you" von Frau Cardin unterlegt wurde :D

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 28581

Registriert seit 08.01.2012

2023-08-25 20:34:15 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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