Pvris - Evergreen
Hopeless / Membran
VÖ: 14.07.2023
Unsere Bewertung: 6/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
Kleine Tode
Im Grunde war Lyndsey Gunnulfsen schon immer der Kopf von Pvris. So zu sehen auf dem humorigen, wiewohl nicht ganz geschmackssicheren Cover ihres vierten Albums, wo die Bostonerin die eigene abgetrennte Rübe in die Kamera hält. Aber bitte nicht mailen oder das Forum zuspammen: Unseren Informationen nach geht es der 29-Jährigen gut. So gut, dass sie bei Pvris den Laden inzwischen praktisch alleine schmeißt und sich auf "Evergreen" die mehr oder weniger prominente Unterstützung aussuchen kann: JT Daly war als Produzent bereits auf "Use me" mit von der Partie, K.Flay hilft beim Songwriting, Linkin Parks Mike Shinoda nimmt zeitweilig hinterm Mischpult Platz. Wer wird denn da Dinge wie "I don't wanna do this anymore" sagen? Gunnulfsen selbst, die sich nach der Pandemie nicht nur aus einer Art Sinnkrise herausarbeiten musste, sondern auch stets ihre künstlerische Persona infrage stellt. Getan hat sie's natürlich trotzdem wieder – und will sich offenbar auch mit weiterhin massivem elektronischem Setup als Rockerin verstanden wissen.
Was das Autotune-Opening des Einstiegs zu einem noch demonstrativeren "Nimm das, Alternative!" macht als der ebenso hinreichend maschinelle Vorgänger. Doch Gunnulfsen kommt damit durch – auch dank raumgreifender Wobbel-Sequenz über schüchtern dazwischenfunkenden Licks, ehe ein schwer atmender Breakbeat großkariert in die Szenerie stapft. Nach dem ruppigen Uptempo-Kracher "Good enemy", in dem die Sängerin zu spitzen Shouts und staubtrockenen Riffs ihre Dämonen exorziert, ist das Selbstbewusstsein so weit wiederhergestellt, dass es in der grob groovenden Wuchtbrumme "Goddess" zunächst "I'm a motherfucking brand" und dann "It's your body, fuck the man" heißt. Ironische Selbstreflexion und Female Empowerment im The-Kills-Speckmantel ergeben einen böse blökenden Hit in einer Nussschale, dem es herzlich egal ist, ob die Distorto-Power aus der Gitarre oder aus dem Synthie stammt. Die erste Vorabsingle "Animal" vermag da nicht ganz mitzuhalten – und auch der Rest von "Evergreen" hat mitunter seine Probleme.
Zu säuselig verliert sich "Anywhere but here" nach kleinlautem akustischem Auftakt in einer Dreiviertelballade ohne rechte Dynamik, und das vergleichbar aufgesetzte "Headlights" wäre bei Poliça vermutlich gleich im Studio-Papierkorb mit den verwässerten Neo-R'n'B-Experimenten gelandet. Schon überzeugender: "Love is a ..." im stimmlich ähnlich jenseitigen Channy-Leanagh-Stil, das in der Zeile "Your love is a murder" nicht etwa auf Gewalt in Beziehungen, sondern auf den kleinen Tod nach dem Orgasmus abhebt – behutsam, aber eindringlich und alles andere als unsexy. Und Shinoda? Der darf zwar nur einmal ran, dafür aber richtig: beim scharfkantigen Rollkommando "Take my nirvana", das mit Dana Dentatas "Apology" um die Wette knarzt und morpht, während sich Gunnulfsen ausgesucht unfuckwithable gibt. Besser wird es auch im angenehm flockigen Elektro-Pop-Klopfer "Senti-mental" nicht mehr – auf einem Album, das zumindest einen kleinen Tod allemal wert ist. Man muss dabei ja nicht gleich den Kopf verlieren.
Highlights
- Good enemy
- Goddess
- Take my nirvana
Tracklist
- I don't wanna do this anymore
- Good enemy
- Goddess
- Animal
- Hype zombies
- Take my nirvana
- Senti-mental
- Anywhere but here
- Headlights
- Love is a ...
- Evergreen
Gesamtspielzeit: 32:33 min.
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Referenzen
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