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Claud - Supermodels

Claud- Supermodels

Saddest Factory / Cargo
VÖ: 14.07.2023

Unsere Bewertung: 7/10

Eure Ø-Bewertung: 6/10

Nostalgie ist eine Strategie

"And we argued about Regina Spektor / I said I loved her but you think she could be better." Die Sympathiepunkte in dieser Szene gehen klar ans lyrische Ich – und auch sonst ist "Every fucking time" ein optimaler Ansatzpunkt, um den Appeal hinter Clauds Musik zu ergründen. Zu zärtlichem Akustik-Pop zeichnet der Song ein plastisches Beziehungsbild, überführt die Spezifität von Bar-Diskussionen und vergeblich im Konzertpublikum gesuchten Gesichtern in das Universaldilemma unerwiderter Gefühle. Kein Wunder, dass Claud schon mit dem Debüt "Super monster" die Qualifikationen für den ersten Neuzugang von Phoebe Bridgers' Label Saddest Factory erfüllte und im Nachgang sowohl mit Bridgers als auch etwa mit Paramore touren durfte. Der Nachfolger "Supermodels" staffiert die Schlafzimmer-Kompositionen nun etwas üppiger aus, macht in Sachen Intimität und Hook-Dichte jedoch keine Abstriche.

So besingt der Opener "Crumbs" vor allem die "little things" des menschlichen Miteinanders, ehe die minimalistisch gezupften Saiten elektronisch stolpern und die Bildsprache überraschend harsch wird: "I'd kill for you / I've killed for you." Von diesem Startpunkt ausgehend futtert sich das Album immer mehr Schichten an. "Dirt" stöpselt die Verstärker ein, um zu verschlufftem Indie-Rock samt Bass-Intro nach jeder noch so kleinen Geste der Zuneigung zu lechzen: "Toss me a rope, throw me a bone." In "A good thing" kommt auf diesen Band-Sound noch der euphorische Refrain-Deckel drauf. Erst "Spare tire" fährt kurz vor Schluss bis auf ein paar atmosphärische Akzente alles wieder auf Gesang und Akustische herunter – ist damit aber bezeichnenderweise der schwächste Track einer Platte, der man trotz ihrer Entstehung im New Yorker Apartment-Zuhause keinen Funken Unprofessionalität anmerkt.

Durchgestylt ist "Supermodels" dennoch lange nicht: Wie auch, wenn Clauds Grundausstattung aus einer vom Winter gezeichneten Klampfe und einem ebenso verstimmten, unvollständigen Klavier bestand? Ein theoretisch wackliges Fundament, auf dem praktisch unterschiedlichste Ästhetiken ihren festen Stand finden. "I'm feeling like an actor", verkündet "Wet", das sich mit Drumcomputer-Drive als post-punkiger Synth-Popper verkleidet. "Glass wall" schiebt sich auf dem Zeitstrahl zehn Jahre weiter vorwärts, um eine alles andere als zerbrechliche Saiten-Wand hochzuziehen. Ob das Paul Rudd gefällt, wissen wir nicht, "Paul Rudd" hat jedenfalls mehr Bock auf Jangle als auf Grunge. Dazwischen richtet "It's not about you" die Nostalgie-Laser auf halbelektronischen Nuller-Emo-Pop-Rock der Marke Tegan And Sara aus, denen Claud passenderweise eine monatliche Liebeserklärung via Twitter widmet.

"I don't have any conversations left", heißt es in "The moving on" – und das, obwohl der Track mit seinem herrlich torkelnden Piano und kathartischer Chorus-Wucht noch einmal alle Feuer entzündet. Generell haut das Album im Schlussdrittel ein paar seiner größten Highlights raus. "Climbing trees" versteckt pure Pop-Brillanz in ein an den Vorgänger erinnerndes Lo-Fi-Gewand, während "All over" sein ausdrucksstarkes Lead-Riff mit einem wundervollen Arrangement aus Streichern und Glocken verknüpft. Das abschließende "Screwdriver" spannt zwischen seinen Tastenanschlägen nicht nur endlose Weiten auf, sondern verrät auch die Bedeutung des Albumtitels – die "Supermodels" als Visualisierungen der eigenen Unperfektheit, deren Betrachtung nichts außer Schmerzen bringt: "Trying not to cry / When I look back at myself." Da muss bestimmt sogar Regina Spektor ein Tränchen verdrücken.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights

  • Wet
  • The moving on
  • Climbing trees
  • All over

Tracklist

  1. Crumbs
  2. Dirt
  3. A good thing
  4. Every fucking time
  5. Wet
  6. Glass wall
  7. It's not about you
  8. Paul Rudd
  9. The moving on
  10. Climbing trees
  11. Spare tire
  12. All over
  13. Screwdriver

Gesamtspielzeit: 38:32 min.

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User Beitrag

Saschek

Postings: 566

Registriert seit 23.07.2018

2023-07-24 20:53:38 Uhr
Ja. Schöne Rezi. Ich höre das Album zur Zeit sehr gern und bin immer wieder überrascht, wenn sich nach und nach neue Layer erschließen. Das hatte ich nach den ersten Durchgang zugegebenermaßen nicht gedacht, obwohl's mir da auch schon gut gefallen hat.

Armin

Plattentests.de-Chef

Postings: 27171

Registriert seit 08.01.2012

2023-07-24 20:18:58 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert.

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