Bully - Lucky for you

Sub Pop / Cargo
VÖ: 02.06.2023
Unsere Bewertung: 7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10

Vor die Hunde
Wer am Ende von Bullys "Come down" genau hinhört, entdeckt Mezzi: Alicia Bognannos Hündin, die den Song bellend zum Abschluss bringt. Leider wird es Mezzis letzter Cameo-Auftritt bleiben, da sie inzwischen verstorben ist, was Bullys viertes Album "Lucky for you" entscheidend prägt – zumindest inhaltlich. Musikalisch hat sich Bognanno keineswegs ins einsame Kämmerlein zurückgezogen, um abgedunkelten Trauer-Folk aufzunehmen, sondern im Gegenteil Hilfe von außen reingeholt, obwohl ihre ehemalige Band seit "Sugaregg" offiziell als Soloprojekt läuft. Der ebenfalls in Nashville ansässige und Grammy-nominierte Produzent JT Daly übernimmt hier die Kontrolle über die Regler, was den Sound von Bully ein wenig verschiebt. Als "Bubblegrunge" wurde ihre Musik zuweilen bezeichnet, wobei die Betonung nun stärker auf dem ersten Wortbestandteil liegen muss: Wer seine Neunziger-Hommagen nur mit ausnehmend krachigen Gitarren und Steve-Albini-Wucht genießen kann, sollte woanders suchen. Doch mit ihren unverklausulierten Lyrics, schnell zündenden Hooks und Bognannos Kratzorgan – man denke an Courtney Love oder, um eine aktuelle Referenz zu nennen, Jade Bird – sollten die zehn Hits von "Lucky for you" auch so genug Fans finden.
An Durchschlagskraft mangelt es Bully trotz geglätteter Produktion nämlich wahrlich nicht. "All I do" stürmt als eröffnender Power-Pop durch seine Tonspuren, "I'll never get fucked up again!" schreit Bognanno ihren Suchtproblemen entgegen. "I'm living in the same black hole / But there's flowers on your grave that grow / Something's gotta change, I know", heißt es in der Lead-Single "Days move slow" explizit an Mezzi gerichtet, doch der euphorisch getrommelte und geriffte Track setzt sein Ausrufezeichen hinter den Veränderungswillen, nicht hinter die Lethargie. Es dauert bis zum dezent in die Schwermütigkeit kippenden "A wonderful life" samt kurzer Mundharmonika-Klage, dass die Trauer an die akustische Oberfläche dringt. Dort bleibt sie nicht lange, doch textlich kehrt Bognanno immer wieder zum Tod zurück. "How will I know?", will der gleichnamige Song wissen, zweifelt anders als Whitney Houston jedoch nicht an den Gefühlen der angesprochenen Person, sondern fragt sich, wie sich deren Ableben bemerkbar machen würde. Das wundervolle "Lose you" bekommt mehr als nur emotionalen Support von der stilistisch ähnlich verorteten Soccer Mommy, um seine bedrückenden Erkenntnisse nicht alleine zu verarbeiten: "Time's just a useless measurement of pain / You can take all the time in the world, things won't ever be the same." Nimm das, James Bond.
Der Blick auf den aktuellen Beziehungsstatus sieht nicht gerade rosiger aus. "And you might love me at my best, but / At my worst you're walking out", giftet Bognanno in "Change your mind" mit genug Energie, damit ein mitfühlendes Live-Publikum die Zeilen mitschmettern kann. Am besten sollte man überhaupt keine Bindung mehr zu irgendetwas aufbauen, wie es "Hard to love" mit TripHop-Beat, Refrain-Erdrutsch und irre verzerrtem Synth-Solo nahelegt, ehe eine Nuller-Girlgroup-Bridge das Stück plötzlich umlenkt. Nicht das einzige Mal, dass "Lucky for you" aus seinem Grundmuster bricht: "A love profound" nimmt mit Spoken-Word-Strophen und Shoegaze-artigen Schwebemanövern sogar mal ausnahmsweise nicht die schnellstmögliche Ohrmuschel-Ausfahrt. Im Schlussdoppel öffnet Bognanno auch den thematischen Fokus. Das schlagzeuglose "Ms. America" zieht eine resignierte Bilanz über die Lage der Welt: "All I wanted was a daughter / Try my best to raise her right / But the whole world's caught on fire / And I don't wanna teach a kid to fight." Der in bester Punk-Manier unter zwei Minuten gehaltene Aggro-Closer "All this noise" gibt sich jedoch alles andere als geschlagen, holt stattdessen zum Rundumschlag aus: "Jesus won't save the polar bears or halt the melting ice / But he'll give you an excuse to shame and take our bodies' rights." In Bullys Interpretation von Bubblegrunge muss man immer damit rechnen, die Blasen platzen zu sehen.
Highlights
- All I do
- Days move slow
- Lose you (feat. Soccer Mommy)
Tracklist
- All I do
- Days move slow
- A wonderful life
- Hard to love
- Change your mind
- How will I know
- A love profound
- Lose you (feat. Soccer Mommy)
- Ms. America
- All this noise
Gesamtspielzeit: 31:38 min.
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(Neueste fünf Beiträge)
User | Beitrag |
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Kojiro Postings: 4359 Registriert seit 26.12.2018 |
2023-07-20 20:55:18 Uhr
Höre es auch gerade. Durchaus nicht so verkehrt, aber so richtig zünden tut's bei mir noch nicht. |
fuzzmyass Postings: 18585 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-07-13 17:03:17 Uhr
oh schön, freue mich, dass dieses sehr schöne Album doch noch eine Rezi bekommen hat... |
Armin Plattentests.de-Chef Postings: 28588 Registriert seit 08.01.2012 |
2023-07-13 16:58:23 Uhr - Newsbeitrag
Frisch rezensiert. Meinungen? |
fuzzmyass Postings: 18585 Registriert seit 21.08.2019 |
2023-07-03 11:10:23 Uhr
Hihi :D |
Huhnmeister Postings: 3193 Registriert seit 22.08.2022 |
2023-07-03 11:09:23 Uhr
Bullyparade der Film leider nur 3/10 |
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Referenzen
Soccer Mommy; Illuminati Hotties; Alex Lahey; Beach Bunny; Sløtface; The Beths; Great Grandpa; Jade Bird; Paramore; Olivia Rodrigo; Beabadoobee; The Regrettes; Best Coast; Camp Cope; Dream Wife; Speedy Ortiz; Charly Bliss; Remember Sports; The Coathangers; Slothrust; Dilly Dally; Softcult; Veruca Salt; Hole; Sleater-Kinney; The Breeders; Liz Phair; The Pretenders; Chrissie Hynde; Weezer; Pixies; The Hold Steady; Cloud Nothings; Wednesday; Black Belt Eagle Scout
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